Der „Eiserne Vorhang" der Wiener Oper
stellte ein kunstvolles Gittertor des Schlosses
Belvedere dar. Anton Brioschi, der 1885 als
Nachfolger seines Vaters Carlo an die Wiener
Oper berufen wurde, hat ihn gemalt.
Von besonderer Bedeutung in der Ge-
schichte der Wiencr Vorhangmalerei ist der
Piloty-Schüler Hans Makart (1840-1884).
Mit einem gewissen Recht könnte man die
meisten Bilder Makarts als gemaltes Theater
ansprechen, der Freude am „mimenmäßigen
Erzählen" entsprungen. Ihm gaben, schreibt
Emil Pirchanll, „die großen Dramatiker
immer wieder willkommene Anregungen
zu Bildern wie ,Romeo und Juliaß ,Ophelia',
,FalstaH', ,Faust' und der Sommernachts-
traum', dessen rheatralisches Thema er auf
den Vorhang des Wiener Stadttheaters nach
seinem Entwurf malen laßt."
Für Makart, der es meisterlich verstand,
Figurenmassen schwungvoll und in lebhaft
bewegten Gruppen darzustellen, und der
außerdem eine Vorliebe für große Formate
hegte, mußte die Bemalung eines Theater-
vorhangs eine besondere Verlockung und
Gelegenheit darstellen. Makarts Vorhang
ging beim Brand des Neuen Wiener Stadt-
theaters am 16. Mai 1884 zugrunde. Da
dieses Haus 1872 errichtet worden war,
kann der gezeigte Entwurf Makarts auf
1872 datiert werdenll.
Bruno Grimschitzß urteilt über Makarts
Vorhanggemälde: „Makart beherrschte mit
überlegener Kraft die riesigen Maße seiner
Bilder. Wurden sie als Theatervorhänge
entworfen oder gemalt, so lag schon in
ihrer Verwendung der dekorative Schmuck-
wert begriffen. Wie weitgehend die Ent-
wertung aller Darstellungsformen - der
iiguralcn und der architektonischen - für
eine dekorative Gesamtbexvegung getrieben
ist, offenbart der Entwurf für einen Theater-
vorhang mit Szenen aus Shakespeares
Sommernachtstraum, den Makart für das
Wiener Stadttheater geschaffen hat. Der
ornarnentale Rahmen verschmilzt mit der
Figurenszene des Mittelfeldes zu einer
völligen Einheit. So unabhängig ist Makart
von den Erscheinungsformen des Lebens,
daß die lineare Bewegung über Bild und
Rahmen hinweggeht und die gegensätz-
lichen Elemente zu einer ornamentalen
Gesamtheit bindet. Das Dekorative stellt
sich selbst dar. Es ist in seiner rauschenden
Farbigkeit, in seinem tiefen, der vene-
zianischen Malerei verpHichteten Glanz und
in seiner gesteigerten Bewegung barock.
Es ist die letzte und späteste Ausstrahlung
barocker Formkraft."
Makarts „ganze Art der ,Theaterhistorien-
posem, schreibt PirchanW, „ist geradezu
prädestiniert, die BühnenöHnung als span-
nende Vorbereitung zum Spiel abzuschlie-
ßen. S0 erdenkt er auch für die ,Komische
Oper" (das später zu trauriger Berühmt-
heit gekommene ,Ringtheater') als Vor-
hangmalcrei den turbulentesten Bewegungs-
taumel des ,Triumphes der Ariadnej auch
J-lochzeit des Baechus und der Ariadne'
betitelt. Das weitläufige Wandbild steht nun
auf einem Sockel im breiten, von ihm
selbst entworfenen Goldrahmen in der
Österreichischen Galerie des 19.]ahrhunderts
inWien. Gustav Künstler hat darin Parallelen
zu dem ,Venusfest' von Rubens gefunden,
das Makart im Kunsthistorischen Museum
oft bewundert hatte. Unter anderen Ähnlich-
keiten erkennt man den die Nymphe
raubenden Faun des Ariadne-Gefolges sei-
tenverkehrt im Rubensbild. C. V. Vincenti
umdichtet die Liebeslegende dieses Bildes:
,Der Bacchantenzug taumelt am naxioti-
sehen Gestade der Braut des Gottes ent-
gegen. Muschelgeschmeide spülen Wellen
ans Ufer; huldigend schwingen sich Meer-
weiber empor. Durch das tiefe, metallische
Braungrün des breitblättrigen Feigenbau-
mes blaut hie und da der Himmel, schwere
Rebgewinde wuchten nieder, die Panpfeife
ruft, der Zentaur schüttelt die Mohren-
trommel, die ziegenfüßigen Lüstlinge jauch-
zen auf und die Mänaden schwingen die
weißen, heißen Leiber im Evoe-Taumel.
Der weinschwermütige Silen legt den Arm
um den Nacken eines Faunen, der mit
begehrlichem Blick auf Ariadnen einen
Dudelsack zerquält. Diese steht liebjauch-
zend hoch auf dem Tigerwagen; sie scheint
mit dem nacktschönen, lilienschlanken Lei-
be, welcher aus der satten Purpurglut der
Wagendraperie sich emporschwingt, wie
die Flamme, welche der mühsam verhaltenen
Sinnenglut des ganzen Bildes entlohnt . . f"
Dieser Stil - wir haben das Zitat vor
seinem Ende abgebrochen - und Makarts
Stil mögen einander entsprechen; wie auch
immer, die Zeitgenossen waren beeindruckt.
Makart hatte zu diesem Vorhang zunächst
eine flüchtige Farbskizze als Entwurf ge-
macht. 1873 führte er den „Triumph der
Ariadne" in Ölfarben aus, wie er im
Belvedere in Wien zu sehen ist.
Am 17. jänner 1874 war die „Komische
Oper", für die der Vorhang Makarts be-
stimmt War, eröffnet worden. Nach dem
wirtschaftlichen Ruin stand das Haus eine
Zeitlang leer, bis Franz Jauner es 1880
als „Ringtheater" wieder erölfnete. Am
8. Dezember 1881 wurde es von der oft
beschriebenen, furchtbaren Brandkatastro-
phe heimgesucht und vernichtet.
Außer den hier beschriebenen Vorhängen
Makarts, „Sommernachtstraum" und
„Triumph der Ariadne" 15, hat der Künstler
noch einige andere Vorhänge entworfen,
so für Reichenberg und Karlsbad. Auch
der Mozart-Vorhang des Landestheaters in
Salzburg wurde in den Jahren 1892[93,
also nach Makarts Tod, von den Brüdern
Goltz (Wien) nach Entwürfen des in Salz-
burg geborenen Künstlers angefertigt. Das
Salzburger Vorhangbild zeigt Mozart auf
einer eine Treppe krönenden Bank sitzend
ins Land hinausschauen. Er ist umgeben
von einem himmlischen Konzert musizieren-
der Amoretten. Auch hier wieder üppigste
Verschwendung dekorativer Elemente.
Außer den großen Bühnen besaßen na-
türlich im 19. Jahrhundert auch Wiener
Privattheater gemalte Vorhänge. Nur an-
deutungsweise kann hier zum Schluß auf
einige Beispiele verwiesen werden, zumal
sich nichts Gründliches darüber in Er-
fahrung bringen ließ.
Das Wiener Carl-Theater verfügte über
einen Vorhang, der von Franz Lefler (1831
bis 1898) gemalt worden war. Von Lefler
gab es auch Vorhänge in Brünn, Augsburg,
Odessa und Budapest. Eduard Veith (1856
bis 1925) hatte außer einem Vorhang für
das Deutsche Theater in Prag auch einen
für das Deutsche Volksthearer in Wien
geschaffen.
Das am 13. Juni 1801 von Schikanedcr
eröffnete Theater an der Wien, die damals
größte Bühne der Stadt, hat ebenfalls eine
Bedeutung in der Geschichte der Wiener
Vorhangmalerei. In Bäuerles Theateralma-
nach von 1813 wird anläßlich der Er-
neuerung des Zuschauerraumes in diesem
Theater auch von einem neuen Vorhang
berichtet, der nach Entwürfen von Petter
und Schedelberger von den Dekorations-
malern Gail und Schilcher ausgeführt wurde
und am 12. Oktober jenes Jahres zum
erstenmal auf- und niederging. Direktor
Karl Carl, der eigentlich Karl von Bern-
brunn hieß, ließ das Haus 1838 abermals
erneuern, und der damals von Antonio de
Pian (1784-1851) und Friedrich Schilcher
(181171881) entworfene Vorhang war der
Vorgänger des sogenannten „Zauberflöten-
Vorhangs", der mit Porträts von Schika-
neder, Nestroy, Schulz, Raimund und Carl
1864 von Grünfeld und Schilcher gemalt
wurde 16. Der Vorhang zeigte eine heroische
Landschaft mit ägyptischen Architektur-
motiven und wirkt in der Eguralen Kom-
position durchaus locker und vornehm
(Pamina und Tamino). Mozarts „Zauber-
flöte" war in diesem Hause schon am
4. Jänner 1802 mit damals unerhörtem
Prunk aufgeführt worden.
ANMERKUNGEN 11-16
1' Hans Makart. Leben, Werk und Zeit. Von Emil Pirchan.
Wien u. Leipzig m2. s, es.
w Abb. des Vorhangs ehda. um so. - Ferner bei nninn
Grimschitz. Die Öslcncidlisdnc Zcichnung im I9. jahr-
hundert. Wien 192a. 1mm m. Ferner bei E. H. "innm-
mann, Zeichnungen von Romako und Makarr, in: m:
bildenden Künsrc u, Wien 1919. Ferner in: Die Kunst
im lkutschzn Reich. Jg. s, Folge 4, 1942. s. 104. -
mm aller Quzllc beündet sich ein gemalte: Entwurf rii
diesen Vorhing, (ICI auf der vs. Micrhkc-Auklion in
Wim (unlcr m. m) vzrsteigcn worden ist. in den
Slädlikhen Sammlungen Wien.
30
H zeiiiiiiiiiig iiiiii Aquarelle iii im ÖSICIYCÜCHÜSCIICH KURS!
C16! w. Jählhulldüfli. in: Die KLIHSI iiii ÜEHCSCIICII Reich,
{Et 6, Folge 4, 194 . S. 109.
H ÜYCIIHD, MiKlHi s s: .
ß Hinweise auf vrnsc cne siiimii bcidcr VOfHingb iIII
MJICIWCIXQ dCS NBHDZCIIIIICH lhlhllhdCflS VOH Fr. v.
Boettichcr. Teil I. 2. Drmdtn 1 95. s. 919, r In: Hans
Mikßri VOII Cirl von Lülzow. SOXldCrdIlICk i!!! a" Zs.
r. bild. Klllßl. Lcigzig 1886, IHCh s. 1a Ein Stich, dlf
auf eine Wßtfhifil EIIVCISiOU lllrüCkgreifl (BZCChIEfCSI.
n. Makzxt piiiii. D3! oiigiiiai im Besitz: dB! Herrn ].
Dimm iii LOHGOD. Vtfhg VOII E. A. 586ml!!!) iii Leipzig).
w 125 Jim-e Theater an dCl wiiii. VDI} ixiiiiii BibtfhOfCf.
Wien ms, Tafel 18.
1 joharm Leopold Lieb. Emailschale. Wien, um 1780 b
2 Signatur der Emailschalc Abb. 1
3 Mittelausscluzin: Figurale Szene. Abb. 1
ANMERKUNGEN 1-6 (zu Seite 31) b
lThienxc-Bccker. Kürmlerlexikon. xxm, s. 195.
1 s. 1a. Pzzaurrk. Dcurschc Faycnoe und Porzcllan-Hausmalcr.
Lcipüg wzs. u, s. m.
1 1-1. w. Braun, Kunst und Kunsthandwerk, vm. 1905, s. m.
1 J. Folnuics-E. w. Braun, Gcschichtc der Wiener Porzellan-
manufaktur. Wien 1901. s. 112.
ß w. ChzlTcrs. Mm; and Mouograms o" Potrery and Pore:-
mn. London 1874.
ß 11.1. Charlcslon, Christoph und joharm von Jünger, enamd
manufznurers in Vicnna, Antiquß. October 1959.