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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

Richtung der 1939 in Wiener Neustadt 
geborene Maler tendiert: Die Fläche 
des Tatelbildes wird immer mehr 
gesprengt, die oft mit kostbaren 
Inkrustationen bedeckten, das übliche 
Geviert verlassenden Lappen, Bahnen, 
plastischen Arme lassen die 
Gestaltung, die im Ansatz fast überall 
vom Viereck des traditionellen Bildes 
herkommt, zum dreidimensionalen 
Obiekt werden. Die Linie Rotterdams 
erinnert, ebenso wie manche Cauleurs, 
an Klimt. Freilich zeigte gerade diese 
Grazer Schau, wie sehr eigenständig 
der iunge Maler alle Erfahrungen 
einsetzt. In einem 1969 geschaffenen 
Triptychon, das eine horizontal 
ausladende Ergänzung zu den 
vertikalen Bildflächen hat, gelingt es 
Rotterdam, das besonders eindrucks- 
voll zu dokumentieren. Von eigenem 
Reiz sind auch des Künstlers 
Graphiken. In den 37 Kohlestift- 
zeichnungen, Ausschnitten vergleich- 
bar, baut er ein solches Spannungs- 
feld auf, wie es nur wenigen mit 
so wenigem zu realisieren möglich ist 
(Abb. 17). 
In GRAZ, wieder in der NEUEN 
GALERIE, waren die Arbeiten zum 
KUNSTPREIS 1970 des Landes 
Steiermark vom 12. Dezember 1970 
bis 10. Jänner 1971 zu sehen. Die Jury, 
der Aleksander Gassin, Liublicina, 
Dr. Boris Kelemen, Zagreb, Dr. Walter 
Koschatzky und Prof. Otto Mauer, 
Wien, sowie Dr. Wieland Schmied, 
Hannover, angehörten, erkannte den 
Kunstpreis DRAGO J. PRELOG zu. 
Den Förderungspreis erhielt ERWIN 
SOMMER, zum Ankauf wurden Werke 
van JORRIT TORNQUIST, 
CORNELIUS KOLIG und GUNTHER 
LEITNER empfohlen. 131 Exponate 
gelangten zur Ausstellung, wobei sich 
der Bogen von FRIDRICH ADUATZ bis 
ROSA ZlEGER-BANO spannte. Es 
ist eindeutig, daß hier wie auch auf 
anderen Gebieten die steirisdte 
Hauptstadt den aktuellsten 
Strömungen die größten Chancen 
einräumte (Abb. 18). 
Im GRAZER Rathaus, in der GANG- 
GALERIE, waren im November 1970 
phantasmagorische Graphiken von 
WILFRIED MAYRUS zu sehen. 
PERCHTOLDSDORF in Nieder- 
österreich hat mit der GALERIE 
ROMANUM eine sehr aktive und 
nachahmenswerte Einrichtung. FRANZ 
BAYER stellte vom 2. Dezember 1970 
bis 4. Jänner 1971 in den Räum- 
lichkeiten dieses Lokals aus. 
Bleistift- und Federzeichnungen sowie 
Radierungen zeugten sowohl von der 
akkuraten Arbeitsweise als audi von 
der großen Phantasie des Künstlers. 
Aus der Schule des Phantastischen 
Realismus kommend, bevölkert Bayer 
die Erde, das Wasser und die Luft 
mit einer Fülle von Mischwesen, wie 
wir sie ähnlidt seit Hieronymus Bosch 
kennen. Mytholagische Vorwürfe 
Laiben in der Wachau geboren 
wurde, hatte erst einige Wochen 
vorher eine sehr eindrucksvolle 
Graphikousstellung in der Wiener 
Secession, im Ausstellungsraum 
des Landesmuseums waren von ihr 
ausschließlich Ulbilder, die in den 
letzten zwei Jahren entstanden sind, 
zu sehen. Sind bei den Bildern aus 
Frankreich mit ihren weichen, licht- 
durchfluteten Konturen nach die 
Gegenstände nahe, so werden in 
den späteren Arbeiten die Farben 
abgesetzt und konkreter. Die 
Künstlerin erzählt direkt mit Fläche 
und Linie. Caufal hatte eine Anzahl 
neuer Bronzekleinplastiken und drei 
größere Steinskulpturen aufgestellt. 
Die Bronzen, Unikate, die im 
Ausschmelzverfahren zustande 
gekommen sind, zeigen durchwegs 
bewegte, grazile Farmen. Manche 
wirken allerdings blechern. Auch ist 
die Patinierung nicht van Vorteil. Die 
Steine sind eine gelungene Fortsetzung 
Coufals Bestrebungen, eine Symbiose 
von eckigen und runden, von 
statischen und dynamischen Formen 
zu finden. Erosiansartige Durchbrüche, 
senkrecht und waagrecht, verstärken 
den Gegensatz van naturhaft 
gewachsenen und behauenen eckigen 
Farmen. „Chimisdies Gestein" fordert 
mit seinem Aussehen, den Rundungen, 
zum Unterschied von dem seltsamen 
Namen, zur Haptik heraus 
(Abb. 20, 21). 
In HANNOVER wurden in der 
GALERIE CHRISTOPH KÜHL die 
Metallplastiken STEPHAN PRALS 
vorgestellt. Seine von der Technik 
geprägten Symbalfiguren wollen die 
technisierte moderne Welt mit nahezu 
archetypischen Formgebungen 
vereinen. Die 17 gezeigten Arbeiten 
entstammten alle den letzten drei 
Jahren, in denen Pral entscheidende 
Fortschritte gemacht hat. Diese 
Plastiken sind, ebensowenig wie alles ' A } _ 
' Immer ist Lipchitz engagiert, immer hat sein Werk mythische oder allg 
andere Seiende, unwirklich, und es ist 
daher durchaus nicht einzusehen, 
warum sie, wie in dem Katalog der 
Schau steht, „die Verzweiflung 
angesichts der Kluft zwischen 
Künstler und Menschen und der 
Realität der Gesellschaft wachrufen' 
sollen (Abb. 22). 
In ERLANGEN wurden im STADT- 
MUSEUM vom 8. Juli bis 
2. November 1970 Kupferstiche und 
Radierungen des Tiroler Künstlers 
HARALD PICKERT gezeigt. Die 
Ausstellung lief unter dem 
problematischen Titel „Naturnahe 
Kunst - heute". Die Schau war in drei 
Teile gegliedert: „Architektur und 
Landschaft", „Festliche Kleingraphik" 
und „Exlibris, Bucheinerzeichen". 
Schon aus dieser Aufstellung ist 
ersichtlich, welches Heute der 
Aussteller meint. Im ganzen waren 
169 Objekte zu sehen, wovon viele nur 
wenige Zentimeter hoch und breit 
waren. In diesen Größen anb es 
I 
  
2a Jac ues 
Lipchitz, Große FIgL 
bis oao. Bronze, H 213,2 w. 
23a Klaus Jürgen-Fischer, Liquite. 
160x130 cm 
Jacques Lipchitz und Klaus Jürgen-Fischer in Baden-Baden 
In der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ist eine große Ausstellung VOt 
ken des Bildhauers Jacques Lipchitz zu sehen, die umfassendste, die in I 
ie gezeigt worden ist. Lipchitz, ein Klassiker der modernen Kunst, wurd 
in Litauen geboren und hat in Frankreich studiert, wo er sich viele Jahr 
aufhielt. Seit 1942 lebt Lipchitz in Amerika. Mit Picasso bekannt (d 
erste „kubistische" Plastik schuf, den „Frauenkopf" von 1909), mit Jua 
befreundet, ist er um 1913 - und das bedeutet: nur wenig später als Du: 
Villon, Bocciani, Oto Gutfreund, Archipenko und Laurens - einer der 
Bildhauer des Kubismus geworden. 
Die Schau präsentiert ihn vorzüglich. Seine klassischen Anfänge, die in dei 
von Maillal liegen. Seine ersten prismatisch-kubistischen Versuche, bei den 
bekleidete Figur eine Rolle spielt. Seine „abstrakte" Zeit um 1915, wo alle 
dige Farm in exakte, wenn freilich auch immer stereometrische Forme 
wandelt wird. Die Serie der „Badenden" macht einen Höhepunkt aus. 
Um 1920 kommt eine Schwere und Wucht in die Figuren und Reliel 
Lipchitz, die sich über die Mitte des Jahrzehnts hinaus ständig steig 
solchen mächtigen und förmlich sigelhaften Konzentraten kubistischer Bildh 
wie „Ploumanach" von 1926. Dem Werk liegt eine Erzählung der Bibel zug 
Der Engel Pli hat Manaach einen Sohn von ungewöhnlicher Kraft und W 
verheißen. Als Gedanke lebt Samson nun im Haupt seines Vaters, der 
beinig und voller Selbstbewußtsein dasteht. Die „Große Figur" (1924 
hat etwas von der Suggestivität afrikanisdwer und indianischer Totems. 
In den frühen dreißiger Jahren beginnt der „barocke" Bildhauer Lipchitz 
zugleich malerische und bewegte, zum Teil auch durchlöcherte Form 
angestrebt, die in späteren Jahren zu einem teigigen Brei ausarten 
Inkonsequenz macht sich zuweilen bemerkbar. So, wenn der Künstler ein 
einzelne gehenden Detailnaturalismus mit mehr oder minder abstrahierte 
' men oder impressionistischer Auflösung im gleichen Werk kopuliert. N 
großen und ziemlich gedrängten Skulpturen des Iitauischen Bildhauers sir 
aus schlauchartigen Gebilden zusammengesetzt. In der barock aufschöurr 
Apotheose „Frieden auf Erden" (1967) hält eine Taube eine große Herzfor 
mit der Spitze nach oben steht und ein Frauenwesen beherbergt, im Schnal 
menschliche Inhalte. Eine tolpatschige Turbulenz kann zu den Charakte 
gehören. 
Ein Reich der Stille betritt, wer in die anderen Ausstellungsräume der 
Iichen Kunsthalle kommt. Dort zeigt Klaus Jürgen-Fischer, einer der wesen 
modernen Maler Deutschlands, neue Bilder. Er war von Paul Klee bee 
1 und ist ein Schüler von Willi Baumeister gewesen. Max Ernst war eine Zr 
i Leitstern für Klaus Jürgen-Fischer. Das alles, und noch einige Eigenheiten 
die seine früheren Entwicklungsphasen charakterisieren, kann man in 
Ausstellung der Galerie Cornels in Baden-Baden studieren. 
Immer hat Klaus Jürgen-Fischer seine Bilder mit Sorgfalt gemalt. Das Spo 
das Peitsdiende und Wirbelige der informellen Kunst, die ihn gleichwohl 
' essierte, war nie seine Sache. Manche seiner Bilder wurden, mehr oder r 
zu Recht, mit Tobeys und mit Darazios Farbgeflechten verglichen. 
' Was Klaus Jürgen-Fischer nun in der Kunsthalle zeigt, stellt ihn als eine 
artige und eindrucksvolle Künstlerpersönlichkeit vor Augen. 
. Seine Gemälde sind von einer großen Einfachheit. Ein wappenartiges Ze 
in dem sich Vegetabiles, Strähniges, Zellen- und Wachstumartiges bei 
i kann, hebt sich von einer Fläche ab, deren Struktur mit der größten Akkur 
gemalt ist, Strich neben Strich, Schicht über Schicht, in einer Lasurentechni 
eine volle, satte, aber auch eine schattige, stille, geheimnisvoll tönende 
wirkung erlaubt. 
Raumandeutungen entstehen, als Flächenräurne oder Raumflächen gleir 
Die großen Formate bestimmen das Bild der Ausstellung. Kleinere l 
kleine Kostbarkeiten, manchmal mit Goldgrund, sind da und dart zwisch
	        
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