Richtung der 1939 in Wiener Neustadt
geborene Maler tendiert: Die Fläche
des Tatelbildes wird immer mehr
gesprengt, die oft mit kostbaren
Inkrustationen bedeckten, das übliche
Geviert verlassenden Lappen, Bahnen,
plastischen Arme lassen die
Gestaltung, die im Ansatz fast überall
vom Viereck des traditionellen Bildes
herkommt, zum dreidimensionalen
Obiekt werden. Die Linie Rotterdams
erinnert, ebenso wie manche Cauleurs,
an Klimt. Freilich zeigte gerade diese
Grazer Schau, wie sehr eigenständig
der iunge Maler alle Erfahrungen
einsetzt. In einem 1969 geschaffenen
Triptychon, das eine horizontal
ausladende Ergänzung zu den
vertikalen Bildflächen hat, gelingt es
Rotterdam, das besonders eindrucks-
voll zu dokumentieren. Von eigenem
Reiz sind auch des Künstlers
Graphiken. In den 37 Kohlestift-
zeichnungen, Ausschnitten vergleich-
bar, baut er ein solches Spannungs-
feld auf, wie es nur wenigen mit
so wenigem zu realisieren möglich ist
(Abb. 17).
In GRAZ, wieder in der NEUEN
GALERIE, waren die Arbeiten zum
KUNSTPREIS 1970 des Landes
Steiermark vom 12. Dezember 1970
bis 10. Jänner 1971 zu sehen. Die Jury,
der Aleksander Gassin, Liublicina,
Dr. Boris Kelemen, Zagreb, Dr. Walter
Koschatzky und Prof. Otto Mauer,
Wien, sowie Dr. Wieland Schmied,
Hannover, angehörten, erkannte den
Kunstpreis DRAGO J. PRELOG zu.
Den Förderungspreis erhielt ERWIN
SOMMER, zum Ankauf wurden Werke
van JORRIT TORNQUIST,
CORNELIUS KOLIG und GUNTHER
LEITNER empfohlen. 131 Exponate
gelangten zur Ausstellung, wobei sich
der Bogen von FRIDRICH ADUATZ bis
ROSA ZlEGER-BANO spannte. Es
ist eindeutig, daß hier wie auch auf
anderen Gebieten die steirisdte
Hauptstadt den aktuellsten
Strömungen die größten Chancen
einräumte (Abb. 18).
Im GRAZER Rathaus, in der GANG-
GALERIE, waren im November 1970
phantasmagorische Graphiken von
WILFRIED MAYRUS zu sehen.
PERCHTOLDSDORF in Nieder-
österreich hat mit der GALERIE
ROMANUM eine sehr aktive und
nachahmenswerte Einrichtung. FRANZ
BAYER stellte vom 2. Dezember 1970
bis 4. Jänner 1971 in den Räum-
lichkeiten dieses Lokals aus.
Bleistift- und Federzeichnungen sowie
Radierungen zeugten sowohl von der
akkuraten Arbeitsweise als audi von
der großen Phantasie des Künstlers.
Aus der Schule des Phantastischen
Realismus kommend, bevölkert Bayer
die Erde, das Wasser und die Luft
mit einer Fülle von Mischwesen, wie
wir sie ähnlidt seit Hieronymus Bosch
kennen. Mytholagische Vorwürfe
Laiben in der Wachau geboren
wurde, hatte erst einige Wochen
vorher eine sehr eindrucksvolle
Graphikousstellung in der Wiener
Secession, im Ausstellungsraum
des Landesmuseums waren von ihr
ausschließlich Ulbilder, die in den
letzten zwei Jahren entstanden sind,
zu sehen. Sind bei den Bildern aus
Frankreich mit ihren weichen, licht-
durchfluteten Konturen nach die
Gegenstände nahe, so werden in
den späteren Arbeiten die Farben
abgesetzt und konkreter. Die
Künstlerin erzählt direkt mit Fläche
und Linie. Caufal hatte eine Anzahl
neuer Bronzekleinplastiken und drei
größere Steinskulpturen aufgestellt.
Die Bronzen, Unikate, die im
Ausschmelzverfahren zustande
gekommen sind, zeigen durchwegs
bewegte, grazile Farmen. Manche
wirken allerdings blechern. Auch ist
die Patinierung nicht van Vorteil. Die
Steine sind eine gelungene Fortsetzung
Coufals Bestrebungen, eine Symbiose
von eckigen und runden, von
statischen und dynamischen Formen
zu finden. Erosiansartige Durchbrüche,
senkrecht und waagrecht, verstärken
den Gegensatz van naturhaft
gewachsenen und behauenen eckigen
Farmen. „Chimisdies Gestein" fordert
mit seinem Aussehen, den Rundungen,
zum Unterschied von dem seltsamen
Namen, zur Haptik heraus
(Abb. 20, 21).
In HANNOVER wurden in der
GALERIE CHRISTOPH KÜHL die
Metallplastiken STEPHAN PRALS
vorgestellt. Seine von der Technik
geprägten Symbalfiguren wollen die
technisierte moderne Welt mit nahezu
archetypischen Formgebungen
vereinen. Die 17 gezeigten Arbeiten
entstammten alle den letzten drei
Jahren, in denen Pral entscheidende
Fortschritte gemacht hat. Diese
Plastiken sind, ebensowenig wie alles ' A } _
' Immer ist Lipchitz engagiert, immer hat sein Werk mythische oder allg
andere Seiende, unwirklich, und es ist
daher durchaus nicht einzusehen,
warum sie, wie in dem Katalog der
Schau steht, „die Verzweiflung
angesichts der Kluft zwischen
Künstler und Menschen und der
Realität der Gesellschaft wachrufen'
sollen (Abb. 22).
In ERLANGEN wurden im STADT-
MUSEUM vom 8. Juli bis
2. November 1970 Kupferstiche und
Radierungen des Tiroler Künstlers
HARALD PICKERT gezeigt. Die
Ausstellung lief unter dem
problematischen Titel „Naturnahe
Kunst - heute". Die Schau war in drei
Teile gegliedert: „Architektur und
Landschaft", „Festliche Kleingraphik"
und „Exlibris, Bucheinerzeichen".
Schon aus dieser Aufstellung ist
ersichtlich, welches Heute der
Aussteller meint. Im ganzen waren
169 Objekte zu sehen, wovon viele nur
wenige Zentimeter hoch und breit
waren. In diesen Größen anb es
I
2a Jac ues
Lipchitz, Große FIgL
bis oao. Bronze, H 213,2 w.
23a Klaus Jürgen-Fischer, Liquite.
160x130 cm
Jacques Lipchitz und Klaus Jürgen-Fischer in Baden-Baden
In der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ist eine große Ausstellung VOt
ken des Bildhauers Jacques Lipchitz zu sehen, die umfassendste, die in I
ie gezeigt worden ist. Lipchitz, ein Klassiker der modernen Kunst, wurd
in Litauen geboren und hat in Frankreich studiert, wo er sich viele Jahr
aufhielt. Seit 1942 lebt Lipchitz in Amerika. Mit Picasso bekannt (d
erste „kubistische" Plastik schuf, den „Frauenkopf" von 1909), mit Jua
befreundet, ist er um 1913 - und das bedeutet: nur wenig später als Du:
Villon, Bocciani, Oto Gutfreund, Archipenko und Laurens - einer der
Bildhauer des Kubismus geworden.
Die Schau präsentiert ihn vorzüglich. Seine klassischen Anfänge, die in dei
von Maillal liegen. Seine ersten prismatisch-kubistischen Versuche, bei den
bekleidete Figur eine Rolle spielt. Seine „abstrakte" Zeit um 1915, wo alle
dige Farm in exakte, wenn freilich auch immer stereometrische Forme
wandelt wird. Die Serie der „Badenden" macht einen Höhepunkt aus.
Um 1920 kommt eine Schwere und Wucht in die Figuren und Reliel
Lipchitz, die sich über die Mitte des Jahrzehnts hinaus ständig steig
solchen mächtigen und förmlich sigelhaften Konzentraten kubistischer Bildh
wie „Ploumanach" von 1926. Dem Werk liegt eine Erzählung der Bibel zug
Der Engel Pli hat Manaach einen Sohn von ungewöhnlicher Kraft und W
verheißen. Als Gedanke lebt Samson nun im Haupt seines Vaters, der
beinig und voller Selbstbewußtsein dasteht. Die „Große Figur" (1924
hat etwas von der Suggestivität afrikanisdwer und indianischer Totems.
In den frühen dreißiger Jahren beginnt der „barocke" Bildhauer Lipchitz
zugleich malerische und bewegte, zum Teil auch durchlöcherte Form
angestrebt, die in späteren Jahren zu einem teigigen Brei ausarten
Inkonsequenz macht sich zuweilen bemerkbar. So, wenn der Künstler ein
einzelne gehenden Detailnaturalismus mit mehr oder minder abstrahierte
' men oder impressionistischer Auflösung im gleichen Werk kopuliert. N
großen und ziemlich gedrängten Skulpturen des Iitauischen Bildhauers sir
aus schlauchartigen Gebilden zusammengesetzt. In der barock aufschöurr
Apotheose „Frieden auf Erden" (1967) hält eine Taube eine große Herzfor
mit der Spitze nach oben steht und ein Frauenwesen beherbergt, im Schnal
menschliche Inhalte. Eine tolpatschige Turbulenz kann zu den Charakte
gehören.
Ein Reich der Stille betritt, wer in die anderen Ausstellungsräume der
Iichen Kunsthalle kommt. Dort zeigt Klaus Jürgen-Fischer, einer der wesen
modernen Maler Deutschlands, neue Bilder. Er war von Paul Klee bee
1 und ist ein Schüler von Willi Baumeister gewesen. Max Ernst war eine Zr
i Leitstern für Klaus Jürgen-Fischer. Das alles, und noch einige Eigenheiten
die seine früheren Entwicklungsphasen charakterisieren, kann man in
Ausstellung der Galerie Cornels in Baden-Baden studieren.
Immer hat Klaus Jürgen-Fischer seine Bilder mit Sorgfalt gemalt. Das Spo
das Peitsdiende und Wirbelige der informellen Kunst, die ihn gleichwohl
' essierte, war nie seine Sache. Manche seiner Bilder wurden, mehr oder r
zu Recht, mit Tobeys und mit Darazios Farbgeflechten verglichen.
' Was Klaus Jürgen-Fischer nun in der Kunsthalle zeigt, stellt ihn als eine
artige und eindrucksvolle Künstlerpersönlichkeit vor Augen.
. Seine Gemälde sind von einer großen Einfachheit. Ein wappenartiges Ze
in dem sich Vegetabiles, Strähniges, Zellen- und Wachstumartiges bei
i kann, hebt sich von einer Fläche ab, deren Struktur mit der größten Akkur
gemalt ist, Strich neben Strich, Schicht über Schicht, in einer Lasurentechni
eine volle, satte, aber auch eine schattige, stille, geheimnisvoll tönende
wirkung erlaubt.
Raumandeutungen entstehen, als Flächenräurne oder Raumflächen gleir
Die großen Formate bestimmen das Bild der Ausstellung. Kleinere l
kleine Kostbarkeiten, manchmal mit Goldgrund, sind da und dart zwisch