Jahre in finanzielle Bedrängnis. Auch Cassirer scheint
nicht mehr in der Lage, den Vertrag mit Kokoschka
zu erneuern. Er zieht sich 1931 wieder nach Wien in
sein Haus im Liebhartstal zurück. Die Stadt Wien
beauftragt ihn, ein Stadtbild zu malen, und es ent-
steht das im Historischen Museum der Stadt Wien
verwahrte Gemälde „Wien vom Wilhelminenberg".
Aus der Schar der spielenden Kinder im Vordergrund
des Bildes sucht sich Kokoschka das etwa zwölf-
iährige Mädchen Trudl, das ihm in diesen Jahren zu
zahlreichen Studien, Lithographien und Gemälden
als Modell dient. Eine zeitweilige Unterbrechung
seines WienerAufenthaltes in Paris und in derSchweiz
bringt ihm ebensowenig den erhofften Erfolg. Wie-
der nach Wien zurückgekehrt, befindet sich Ko-
kosdika am Tiefpunkt seinerwirtschaftlichen Situation.
Im Frühsommer 1934 besuchte ich Kokoschka in
seinem Hause im Liebhartstal und fand ihn tief
bedrückt von der politischen Entwicklung in Deutsch-
land und Österreich. Unsere Unterhaltung dauerte
stundenlang. In unerhört lebendiger Art sprach er
von der düsteren Zukunft und von seinen Plänen,
Österreich wieder zu verlassen. Diese Absicht ver-
wirklichte er nodi im Sommer desselben Jahres und
übersiedelte nach Prag. Dort fand er bald Kontakte
zu einflußreichen Persönlichkeiten. Fünfzehn groß-
artige Stadtansichten, zahlreiche Porträts waren das
Ergebnis seiner Prager Jahre. Eines der bedeutend-
sten Gemälde war das im Jahre 1935 begonnene
und erst nach einem Jahr vollendete Porträt des
tschechischen Staatspräsidenten Thomas G. Masaryk,
das Kokoschka im rechten Hintergrund mit einer
Ansicht von Prag und links mit einem imaginären
Porträt des möhrischen Humanisten Jan Amos
Comenius allegorisch verband. Comenius wurde von
Masaryk und Kokoschka gleichermaßen verehrt, und
diese Verehrung führte zu einer engen freund-
schaftlichen Verbindung der beiden Männer.
Unter dem Eindruck der Ereignisse in Deutschland
steigerte sich die Depression Kokoschkas, insbeson-
dere durch die Nachricht, daß vierhundert seiner
Werke, Gemälde und Zeichnungen aus den öffent-
lichen Sammlungen als „entartete Kunst" entfernt
werden mußten. Kokoschka malte als eines seiner
letzten Bilder in Prag das „Selbstbildnis eines
entarteten Künstlers".
In den Prager Jahren lernte Kokoschka Olda
Palkovska kennen, die ihm für sein ganzes Leben
die treueste Gefährtin werden sollte.
Vor dem drohenden Einmarsch deutscher Truppen
in die Tschechoslowakei flieht Kokoschka mit Olda
Palkovska mit dem letzten Flugzeug, fast ahne
Gepäck, nach London. In England beginnt für beide
das Leid und Elend der Emigration. Ohne Mittel,
ohne Freunde - Kokoschka ist damals in England
noch wenig bekannt - fristet er mit Frau Olda ein
mühseliges Dasein. Zeitweilig scheint die Lage ver-
zweifelt. Frau Olda überbrückt die schwerste Not
durch Verkauf van Prager Spezialitäten, die sie
selbst zubereitet. NarJi einem Aufenthalt in Polparro
in Cornwall, wo er eine großartige Küstenlandschaft
malt, kehrt Kokoschka wieder mit Frau Olda nach
London zurück, wo er sich im Laufe der nächsten
Jahre entsprechende Reputation und Aufträge ver-
schafft. Es entstehen die politischen Allegorien „Das
rote Ei", „Anschluß", „Loreley", „What we are
fighting for" und „Morianne". 1943 vollendet
Kokoschka das Porträt des russischen Botschafters
Ivan Maisky, dessen bedeutenden Erlös er dem
russischen Roten Kreuz für die verwundeten russi-
schen und deutsdien Soldaten von Stalingrad über-
Iäßt. Eine Reihe von Porträtaufträgen folgt. Er reist
nach Schottland, wo im Hochland und an der Küste
einige Landschaftsbilder entstehen.
Nach Beendigung des Krieges betätigt sich
Kokoschka in steigendem Maße humanitär. Er stiftet
1000 Pfund Sterling für notleidende Kinder und
finanziert eine Werbeaktion für den gleichen Zweck.
Das berühmt gewordene Plakat „Der Gekreuzigte
hilft den hungernden Kindern", das ursprünglich als
Lithographie geschaffen wurde, läßt er in einer Auf-
30
Oskar Kokoschka, Das Weib den Mann führend, 1914
[aus im „iaaei-Kuiiiisis"). Lithographie, 64,4 x 43 cm
Oskar Kokoschka, Pegasus, ms. Lithographie,
92,7 x 63,3 CITI
Oskar Kokoschka, Die Flehende (aus der „Bach-
Kantate"), 1914. Lithographie, 64,4 x 43 cm
tiet gerührt, daß viele verloren geglaubte
Deutschland - nun in Schweizer Besitz -
geblieben sind. In der Folge entstehen e
Schweizer Gebirgslandschaften „Tourbillon
„Montana", zwei Fassungen des „Mr:
„Leuk im Rhonetal" und abermals Porträts.
Die alte Reiselust Kokoschkas wird wieder
Er malt Venedig, Florenz und Rom, kl
London zurück, kommt im Frühiahr 1949 H4
Jahren wieder nach Wien, um den (
Bürgermeister und späteren Bundespräsid
Theodor Körner zu porträtieren.
Die Beziehungen Oskar Kokoschkas zu
begannen im Frühjahr 1950. Damals luc
Künstler ein, seine alten Kontakte zu mi
Jahr 1934 zurückreichen, wieder aufzunehm
Das Verhältnis des Meisters zu Osten
vorher nie besonders gut gewesen. Sein
von Wien im Jahre 1910 war umdüstert
Bitterkeit des Mißverstehens des Wiener
und der Anfeindungen, denen er sich v
und Öffentlichkeit in Wien stets ausges
Kurze Perioden der Rückkehr nach Wie
vier Jahrzehnten von 1910-1950 konnten d
timents der traurigen Jugenderfahrungen n
Unter diesen Voraussetzungen schien es
leicht, Kokoschka zur Rückkehr nach Ost
bewegen, um nach den Wirren des Krieg
engere Beziehungen zu seiner Heimat zu k
Ich regte in meinen Schreiben wiederho
Städtebild von Salzburg zu malen und
Stadt eine internationale Sommerakade
seiner Leitung zu gründen.
Erstmals im April 1950 stellte mir Koko:
Kommen in Aussicht. Bereits im August
er mit seiner Frau Olda in Salzburg ein
heitlich etwas angegriffen von der eben
fertiggestellten Arbeit an dem Triptychon
metheus-Saga", entschloß sich Kokoschka
Aufenthalt in Salzburg zu nehmen, be
Gelegenheit das berühmte Stadtbild vom I
berg aus entstand. Versuche, Salzburg
schönsten Dokumente der modernen Lc
malerei zu erhalten, scheiterten an der U
lichkeit der Mittel. Kurze Zeit später v
Gemälde von den Bayrischen Staatsgemä
lungen erworben.
Der dreimonatige Aufenthalt in Salzbui
dem - bisher noch immer mehr odz
heimotlosen - Künstler den Entschluß r
für ständig in Salzburg anzusiedeln. Zu
am Heuberg bei Salzburg ein Bauernhof
worden, der Kokoschkas Entzücken wachrii
rigkeiten beim Erwerb sollten durch verstc
Hilfe der Salzburger Behörden beseitig
Leider erkannte man den Prestigegewinn,
burg durch die Ansiedlung eines der bed
Künstler der Gegenwart erfahren hätte
vollem Umfang.
Kurz nach seiner Abreise schrieb Kokoschki
Suche nach Bauernhof soll intensiv weiter
will in Salzburg oder dort in der Umgebu
Und in einem folgenden Brief vom 20.
1950 „... mir war oft Heimweh nach St
Ich verlasse mich ganz auf Sie für d
Suche."
Schon bei seinem ersten Aufenthalt i
Gründung einer Sommerschule eingehen
Es war eine besondere Freude, festzust
Kokoschka sogleich für diese Idee entflc
ihre Verwirklichung mit Eifer verfolgte. I
handlungen mit dem damaligen Landesl
Dr. Klaus, der sich als Förderer der Schult:
führten schließlich im Herbst 1952 zu den
daß entsprechende Räumlichkeiten auf d
Hohensalzburg für diese Sommerkurse i
gestellt wurden. Im November 1950 kL
Landeshauptmann anläßlich der Salzburg
woche im Festspielhaus die Gründung I
nationalen Sommerakademie für Bilden
unter der Leitung Oskar Kokoschkas an.