sidi und den Wunsch, solche zu besitzen. In
allen europäischen Galerien kann man daher
Bilder finden, die irgendwann einmal Dürer zu-
geschrieben waren. Ebenso findet man solche,
die vielleicht in fälschender Absicht, vielleicht
auch nicht, Teile aus Bildern oder Stichen
Dürers zu neuen Kompositionen kompilieren.
Und selbstverständlich gibt es, wie schon an-
fangs erwähnt, die Kopie. Es gab im süddeut-
schen Bereich eine ganze Reihe von mittel-
mäßigen Malern, deren Hauptbeschäftigung im
Kopieren bestand. Übrigens war der ideelle und
daher auch der finanzielle Wert solcher Kopien
zur Zeit ihrer Entstehung ein weit höherer,
als man es sich heute vorstellt, denn in erster
Linie war es immer noch die Bild-Idee, die
Erfindung, die zählte. Daher konnte eine gute
Kopie das Original unter Umständen ersetzen.
Nur ausgesprochene Kunstkenner, wie z. B.
Rudolf II., legten Wert darauf, ein Bild von
der Hand eines bestimmten Malers zu besitzen,
also das, was heute als „Original" bezeichnet
wird. Wenn es ihm allerdings trotz größter
Anstrengungen nicht gelang, ein Bild zu be-
kommen, das er unbedingt besitzen wollte,
ließ er sich eine Kopie davon anfertigen.
Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Mu-
seums besitzt eine Anzahl von Kopien und
Kompilationen nach Dürer. Zwei Bildergrup-
pen heben sich ab: die religiösen Bilder und
die Porträts. Sehr typisch sind die zwei oben
halbrund abgeschlossenen Flügel eines Altars
- das Mittelstück fehlt -, auf denen Einzel-
figuren aus dem "Allerheiligenaltar" und aus
dem „Helleraltar" verwertet sind. Mittelstück
wäre die Anbetung der Dreifaltigkeit durch
Maria und Johannes, den Kaiser und den Papst
gewesen. Die Tafeln wurden dem Nürnberger
Hans Hofmann zugeschrieben, der I-Iofmaler
Rudolfs II. und ein I-Iauptvertreter der späten
Dürer-Nachahmer warf. Ob nun die beiden
Tafeln wirklich von ihm stammen, ist nicht er-
wiesen. Wäre nicht die Landschaft, die übrigens
auf kein Vorbild Dürers zurückgeht und deut-
liche Merkmale der späten Entstehungszcit zeigt,
so könnte man sich fast versucht fühlen, den
Maler im unmittelbaren Umkreis Dürers zu
suchen; manche Gesichtstypen erinnern fast an
Kulmbach. Die Tafeln stammen aus dem Besitz
Erzherzog Leopold Wilhelms, in dessen Inven-
n Daniel Frosthel, Madonna mit Kind. Äqtlllell luf Pergamenl
11
tar von 1659 sie als Originale von Dürer ver-
zeidmet sind.
Neben dieser Kompilation sind drei vollkom-
men getreue und original große Kopien vorhan-
den. Zunächst die des „Rosenkranzfestes" aus
den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts
von einem unbekannten Maler. Es zeigt das
Bild in noch unbeschädigtem Zustand. Vielleicht
verdankt es seine Existenz überhaupt dem
Umstand, daß entweder Rudolf oder einer
seiner nächsten Nachfolger ein unzerstörtes
Exemplar des „Rosenkranzfestef besitzen
wollte. Oder man wollte ein Abbild dieses sehr
berühmten Bildes, das sich ja in Prag befand
und wohl wegen seines schlechten Zustandes
von den Schweden nicht entführt worden war,
in Wien haben. Übrigens befindet sich noch
eine veränderte hochformatige Kopie des Ro-
senkranzbildes im Besitz der Gemäldegalerie.
Sie ist von sehr geringer Qualität und ihrer-
seits die Kopie einer anderen Fassung, die
ebenfalls alter kaiserlicher Besitz war, aber
noch seit dem napoleonischen Bilderraub in
Lyon verblieben ist.
Erstaunlich spät sind die Kopien des „Aller-
heiligenaltares" und der „Marter der 10.000
Christen", beide von Johann Christian
Ruprecht, der von Kaiser Ferdinand III. von
Nürnberg nach Wien berufen worden war. Die
eine Kopie ist 1654 datiert, die „Marter" 1653.
Auf beiden Bildern ist die Signatur Dürers fort-
gesetzt durch die ausführliche Signatur des
Kopisten „ad imitationem Düreri". Warum der
Kaiser die beiden Kopien bestellte, kann höch-
stens vermutet werden. Die beiden Originale
befanden sich schon längst in der Wiener
Schatzkammer, es ist also kaum anzunehmen,
daß Ferdinand III. außerdem noch Wert auf
den Besitz der Kopien legte. Vielleicht aber
wollte er sie seinem Bruder Erzherzog Leopold
Wilhelm für seine Brüsseler Galerie, die freilich
wenig später nach Wien kam, zum Geschenk
machen. Die beiden Kopien blieben also in
Wien und kamen ebenfalls in die Schatzkam-
mer. Erst 1748 wurden sie in die Gemälde-
galerie übertragen.
Von dem Augsburger Daniel Frösdiel (um
1572-1613), also aus rudolfinischer Zeit, ist
die „Madonna mit Kind", eine goldgehöhte
Aquarellkopie auf Pergament nach einer 1512
12 Im; Bauern Im Gespräch. Holz, 24X18 cm
u
datierten Kohlezeichnung Dürers (Albertina).
In der rechten unteren Edte ist anstelle einer
Signatur das Abbild des jungen Dürer, 1484
datiert, dem Entstehungsjahr dieser Zeichnung;
an der Rückseite ist das Bild „Daniel Freschel"
bezeichnet. - In dieselbe Kategorie gehört das
kleine Täfelchen mit den „Drei Bauern im Ge-
spräch", nach dem Stich Dürers (um 1493).
Auch in diesem Fall wird die graphische Vor-
lage ins Bild umgesetzt. Es stammt ebenfalls
aus der rudolfinischen Zeit.
Außer den angeführten Bildern sind drei Por-
träts von Kaisern vorhanden. Zunächst zwei
Kopien nach den großen Nürnberger Kaiser-
bildnissen des Sigismund und Karl des Gro-
ßen. Sie sind nicht ganzfigurig, sondern zeigen
nur die Köpfe. Die beiden Bilder stammen
wohl auch aus der Zeit um 1600. Qualitativ
sind sie weit besser als zwei ganzfigurige Ver-
sionen der Nürnberger Kaiserbilder, die zum
Bestand der Wiener Schatzkammer gehören.
Die beiden Köpfe sind offenbar genaue Wie-
derholungen der beiden Kaiscrbilder in Züricher
Privatbesitzi.
Das dritte Kaiserbild stellt Maximilian I. dar.
Das Bild geht zurück auf den Holzschnitt von
1518. In beiden Porträtaufnahmen ist die Kette
ganz gleich. Hingegen hat der Pelzkragen sein
Vorbild im berühmteniBildnis des Kaisers in
der Gemäldegalerie.
Zum Sehluß ist noch eine Holztafel zu erwäh-
nen, „Herkules und die stymphalischen Vögel",
nach dem Leinwandbild in Nürnberg. Der Hin-
tergrund der Kopie entspricht nicht ganz dem
Original. Das Bild zeigt deutliche Einschläge
der niederländischen Malerei um 1600. Es
ist übrigens die einzige Kopie mythologischen
Inhalts.
So sehr man an diesen Bildern die hohe Wert-
schätzung der Kunst Dürers ermessen kann und
wie deutlich auch die unterschiedliche Verwert-
barkeit Dürerscher Vorbilder wird, so liegt
doch in ihrer Existenz etwas zutiefst Unkünst-
lerisches und Zukunftsloses. Der Wert der Imi-
tation besteht nur in der Gegenwart, eine
künstlerische Entwicklung ist aus ihr allein
heraus nicht möglich, nicht einmal wenn es ein
Dürer ist, der seine Reichtümer zur Verwertung
anbietet.
(Anmerkungen a-s i. s. m
13 Hetkules und die stymphaliwhen Vögel. Hol1,90 X11) cm