29
Jahrhunderts hergestellt, die in Wien so ausge-
zeichnet vertreten sind: La Pierre, Kitzen, Cleu-
ter, Beckers, Barroy, dazu iener „Galopin", des-
sen Signatur zweimal in Wien vorhanden ist,
der nachher als „rnonsü Galuppino" in Florenz
für den Großherzog von Toskana tätig ist. Er
muß aus jenem Dorf stammen, das flämisch
Gulpen am Flüßchen Gulp, Wallonisch-franzö-
sisch iedoch Galope genannt wird. Der Ort liegt
genau auf halbem Wege nach Aachen, 14 Kilo-
meter östlich von Maastricht.
Der älteste Sohn Kaiser Ferdinands lll., der
29
18
1653 zum römisch-deutschen König gekrönte
Ferdinand IV. (1633-1654), starb vor seinem Va-
ter und hinterließ so die Kaiserwürde seinem
jüngeren Bruder Leopold l. (16401165811705).
Von seiner Krönung zeugt seine auf 1653 wohl
datierbare prunkvolle Radschloßbüchse von der
Hand des Prager Meisters Johann Stifter d. Ä.
Eine gerade Linie führt von Max Wenger zu
dieser späteren Prager Produktion, wie sie von
einem Michael Speckhle etwa zu ienen Augsbur-
ger kostbar-seltenen Hinterladern von etwa
165011660 führt.
30
Noch wissen wir im einzelnen nicht Bescheid,
für wen solche Hauptwerke aller Büchsenmacher-
kunst gefertigt sind, wie Torniers von Mas-
münster Radschlaßflinte von 1646, wie der
Brescianer elegante Schnapphahnschloß-Karabi-
ner mit der ganz seltenen dreifachen Signatur
G. B. Francino d. Ä. auf dem Lauf, M. Fantoni
auf dem Schloßbiech, B. Rosini am Schaft, wie
schließlich die unüberbietbaren elfenbeinge-
schöfteten Steinschloßpistolen des Augsburgers
Christoph Treffler. Alle sind sie eines bekannt
kunstsinnigen Kaisers wie Ferdinand lll. würdig,
in dessen letztem Lebensiahrzehnt der düstere
Ernst der vergangenen Kriegsiahre, der sich auch
in seinen Jagdwaffen, vor allem der Wiener
Schule (der Faschang, Baier, Schaller, Gull) aus-
drückt, einer helleren, fraheren Farbgebung und
einer verbindlicheren Formgestaltung weicht.
Von den Blankwaffen, Degen und Dolchen des
Zeitraumes etwa 1620-1660 ist außer dem blauen
Degen leider keine einzige für einen bestimmten
Besitzer gesichert. Es befinden sich darunter et-
wa die Gruppe der facettiert geschliffenen Korb-
degen, die auf einen oberitalienischen Meister
zurückgehen müssen. Das linke der drei abge-
bildeten Rapiere wiederholt bis in Einzelheiten
den Aufbau des geschnittenen Prunkdegens,
den Pietro Ancini in Reggio-Emilia 1641 bezeich-
net und offenbar an Großherzog Ferdinand ll.
von Toskana nach Florenz geliefert hat.
Der Eisenschnitt erlebt damals überhaupt eine
hohe Blüte und kulminiert in Werken wie dem
Wiener Herkulesdegen von 165011660, der, wenn
von Gottfried Leygebe in Nürnberg geschaffen,
dessen Stil unserem Degen noch am nächsten
steht (man vergleiche das entsprechende Degen-
gefäß aufSchloßSkokloster bei Upsala), in derTat
sein unüberbotenes Meisterwerk darstellen würde.
Dieser kurze Überblick über die repräsentative
fürstliche Waffe aus einer der schwersten und
geföhrdetsten Epochen der österreichischen Ge-
schichte erweist, daß Kunstfertigkeit und Kunst-
Verständnis damals nie erloschen waren. Der
Spruch „inter armas silent musae" gilt nicht für
den Bereich der Waffenschmiedekunst, die auch
in Zeiten größter Bedrohung sich zu Höchstlei-
stungen aufzuschwingen imstande war.
28 Drei facettiert geschnittene Degen mit flachem,
diamantiertem Gefäß bzw. in Form von Scha-
len- oder Glockendegen. Oberitalien, um 16401
1650 (A1635, A1606, A1463).
29 Prunkdegen, Hauptwerk der Eisenschneidekunst,
mit den Taten des Herkules, Frauenakten und
Granatapfelranken auf dem Gefäß. Art des
Gottfried Leygebe in Nürnberg, um 165011655
(A1633).
30 Zeremonienschwert, der Griff ein aufrecht sit-
zender Löwe, die Parierstangen in Löwenköpfen
endigend, auf dem Faustschutzbügel ein lor-
beerbekrönzter lmperatorenkopf. Gottfried
Leygebe in Nürnberg, ab 1658 in Berlin, um
165011660. Die ältere Klinge persische Arbeit
aus der Zeit der Mongolenherrschaft, 15. Jahr-
hundert (A1103).
Ü UnserAutor:
Hofrat Dr. Bruno Thomas,
Direktor der Waffensammlung
des Kunsthistorischen Museums in Wien
und auf Schloß Ambras,
1010 Wien, Neue Burg