Gerhard P. Woeckel
Die Anton Braunsche
Rechenmaschine in Wien
(1727) und ihre
Gehäuseverzierung durch
Johann Baptist Straub
Gerhard P. Woeckel
Die Anton Braunsche
Rechenmaschine in Wien
(1727) und ihre
Gehäuseverzierung durch
Johann Baptist Straub
Anmerkungen 1-5
'R. Johnen, Roman Anton Boos. Kurfürstlidier Hofbild-
houer zu München 1733-1810 in: Münchner Jahrbuch der
Bildenden Kunst, N. F. 1937l3B, XII, S. 2817282.
"Ex. der Bayerischen Staatsbibliothek München (Rar.
1351023.) Der andere Titel lautet: Akademische Kunst-
Jkelilhlengeiiiiehlitsziiftrsgche Leipzig 1883,
B. Straubs sind:
S. 35l736.
'Di_e_ Lebensdaten dieser Brüder J.
Philipp Jakob (1706-1774), täti in Graz, Johann Georg
(1723-1773), im. in Radkers urg, Joseph (1712-1756),
tätig in Laiba (Lubliana) und Später in Marburg
(Maribor). Vgl. S. Jriser, Josef Straub - ein Künstler
der slowenisdien Steiermark in: Alte und moderne
Kunst, 76, 1964, S. 19-21 - M. G, Agghazy, Steirische Be-
ziehungen der Un arldndischen Barockkunst in: Acta
Historiae Artium, urig. Tom. Xlll, Fasc. 4, 1967, S.
313-352.
fP. Mathias Fuhrrnann, Historische Besüireibung und
kurzgefaßte Nachricht von der Römisch Kaiserl. und
köni lictien Residenzstadt Wien, und ihren Vorstädten,
ll_, d. li, Wien 1767, XXIV Cap., S. 496 ff. Darnach
hieß die Kirche und „Abbtey" St. Mariä de Monte
Serrato. Die Grundsteinlexgung erfolgte im Jahre 1690
durch Kaiser Leopold ll. gl. vor allem S. 504: „Es ist
um dieses ein nadi den Bau Regeln schönes und ganz
neu nutgeffihrtes Kirchen- und Closter-Gebüu; werzu der
letzt verstorbene Herr Prälat Antonius durch unver-
drossenen Fleiß das meiste beygetra en . .. wird dieses
würdige Gans-Haus Wegen" innerlic - und äußerlicher
Zierlichkeit unter die schönsten Kirchen zu Wien mögen
gezehlet werden... Über sich pronget sie durch aus
mit denen schönsten Mahlere en des berühmten venetiani.
_sche_n Künstlers und rnalers ifaiiarin. und allerseits herum
ist sie mit fürtreftlichen Altdren ausgezieret."
Biographie, 1B,
Für drei der bedeutendsten Münchener Bild-
hauer des 18. Jahrhunderts ist ein längerer
Studienaufenthalt in Wien bezeugt, ein Zeichen
für die große Anziehungskraft, welche die Kai-
serstadt auf dem Gebiet der Plastik damals auf
iunge Münchener Künstler ausübte. Durch gut
beglaubigte Angaben ist der Wiener Studien-
aufenthalt ebenso für Johann Baptist Straub
(1704-1784) wie für seine Meisterschüler Franz
lgnaz Günther (1725-1775) und Roman Anton
Boos (1733-1810) belegt'. Jüngst angestellte
Recherchen im Archiv der Akademie der bilden-
den Künste in Wien ergaben zwar, daß der
Name Johann Baptist Straub weder in den
Schülerlisten noch in den ebenfalls vollständig
erhaltenen Verwaliungsakten aufscheint. Da J. B.
Straub aber nach seinen eigenen Angaben die
Akademie besuchte, war er - vielleicht auf eine
besondere Vergünstigung hin - Hospitant, der
sich nicht zu inskribieren brauchte. Bisher unbe-
kannt ist, daß Johann Baptist Straub zur gleichen
Zeit mit seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder
Philipp Jakob (1706-1774), dem sogenannten
„Grazer" Straub, in der Werkstatt von Christoph
Mader (1691-1761) tätig war. Dieser war Hof-
bildhauer des Prinzen Eugen von Savoyen von
1725-1736. Philipp Jakob Straub war einge-
schriebener Schüler der Wiener Akademie von
1730-1733. Die bereits genannten Schüler J. B.
Straubs: Franz lgnaz Günther und Roman An-
ton Boos besuchten die Akademie in den Jahren
1753 und 1763. Ihre beiden Namen sind in den
Schülerlisten der Akademie verzeichnet. Von
grundlegender Bedeutung für die Kenntnis der
in Wien verbrachten Wanderiahre ihres ge-
meinsamen Lehrers ist ein Artikel, der noch zu
Lebzeiten des kurbayerischen Hofbildhauers ver-
faßt wurde. Am 31. Juli 1772 erschien im Augs-
burgischen monatlichen Kunstblatt (3. Jahrgang,
Vll. Stück, p. 53-64)t aus der Feder des nach-
maligen kurbayerischen Geheimen Rates Johann
Kaspar von Lippert (1724-1800)" eine kurze
Biographie über Johann Baptist Straub. Wie
man seit A. Feulner annimmt, gehen die darin
enthaltenen Angaben auf persönliche Mitteilun-
gen des Künstlers zurück. Sie sind - und das ist
das Überraschende daran - von einer erstaun-
lidwen Zuverlässigkeit. Daß sie tatsächlich Quel-
lenwert besitzen, wird der nachfolgende Beitrag
erweisen. Damit werden die eben genannten
Mitteilungen J. B. Straubs an J. K. v. Lippert über
die von ihm im Laufe einer langen Tätigkeit ge-
schaffenen Werke aufs vollkommenste bestätigt.
Der von J. K. v. Lippert verfaßten Kurzbiogra-
phie entnehmen wir folgende Sätze (p. 53-55):
„Der Geburtsort unseres Herrn Straubens ist das
im Schwäbischen Kreise und dem durchlauchtig-
sten Churhause Baiern zugehörige Städtchen
Wiesensteig. Sein Vater, Johann Georg, war
Bildhauer daselbst, der aus zweyerley Ehen viele
Kinder, und unter diesen fünf Söhne erzeugte,
die er alle der Bildhauerkunst widmete, und
ihnen hierin so getreuen Unterricht gab, daß sie
in verschiedenen Orten ihren standsmäßigen und
guten Unterhalt fanden. Philipp kam nach Gratz
in Steu(d. i. : i)ermark; Joseph nach Marburg
(d. h. Maribor), eben daselbst; Johann Georg
nach Radkersburg, auch daselbst, und Franz,
nach Agram (d. h. heute Zagreb) in Kroatient.
Unser Künstler ist den 25. Junius 1704 gebohren.
Die Anfangsgründe seiner Kunst lernte er bey
seinem redlichen Vater, der ihn nach glücklich
überstandener Lehre nach München zu seinem
Freunde, dem churfürstlichen Hofbildhauer, Ga-
briel Luid(e)l.. mit der väterlichen Ermahnung
abschickte, daß er zu noch besserer Erlernung
der Kunst den erforderlichen Fleiß anwenden,
und sich wohl aufführen solle... Hierauf nahm
er von München seinen Abschied, und richtete
sein Augenmerk nach Wien: von welcher Haupt-
stadt ihm nicht unbekannt war, daß daselbst
die Künste, sonderlich die Bildhauerey, in gro-
ßem Flore stehe, und er vor anderen Orten eine
Condition allda finden würde. Er erhielt in
Wien anfangs bey Herrn lgnaz Gunst, nochmals
aber bey dem Prinzeugenischen Hofbildhauer
Christoph Mader Arbeit, bey welchen Meister er
drey Jahre lang aushielt, und ihm verschiedene
schöne und kostbare Arbeiten machen half.
Um eben diese Zeit wurde daselbst von dem
damaligen Prälaten des Klosters, de Mbnte-
serrato genannt, mit dem neuen Kirchen- und
Klosterbau der Anfang gemacht, und Herr
Straub im 26. Jahr seines Alters zu der dazu
erforderlichen Bildhauerarbeit bestimmet. Er
machte auf dem Hochaltar eine Madonna in
der Größe derienigen, welche in Spanien zu
Monte serrato verehre? wird, ferner die Ora-
torien; die sehr schäne Kanzel, und andere er-
habene Arbeiten und Verzierungen, die in dieser
Kirche noch heut zu Tage zu sehen sind. Er-
wähnter Herr Prälat verfertigte zwo kunstreiche
mathematische Maschinen (Abb. 1), die er nach-
hero Sr. Maiestät Kaiser Karl VI. in allerhöchst-
dero Cabinet verehrte. Unser Künstler genoß
die unerwartete Ehre, die vielen Figuren und
Verzierungen dazu zu machen. Durch diese
und obige Arbeiten verschaffte er sich Ansehen,
und die ihm sehr nüzliche Bekanntschaft mit dern
kaiserlichen Hofbaumeister Freyheirn von Fi-
scher, und mit dem berühmten Architekten Bi-
biena, aus welchem Unterricht in Kunstsachen er
großen Nutzen sdiäpfte, den er durch fleißige
Besuchung der übrigen geschickten Leute, und
der Kunstakademie daselbst noch zu erweitern
suchte." Soweit J. K. v. Lippert.
Aufgrund dieses mit erkennbarer Sorgfalt zu-
sammengestellten Berichts, der mit einem bis
zum Jahre 1772 reichenden Werkverzeichnis
verbunden ist, stellt man sidi selbstverständlich
mit Recht die Frage, ob und in welchem Umfang
nach einer zeitlichen Differenz von rund 250
Jahren noch Arbeiten von Johann Baptist Straub
in Wien nachzuweisen sind. Man muß dabei
berüdcsichtigen, daß infolge der Josephinischen
Reform, welche vor allem den klösterlichen Be-
sitz betroffen hat, man von vornherein mit einer
besonders hohen Verlustquote zu rechnen hat.
Obwohl Carola Giedion-Welcker in einer Münch-
ner Dissertation (1921) die Frage nach in Wien
verbliebenen Kunstwerken Straubs rundweg ver-
neint hat, trifft nach unseren Recherchen über-
raschenderweise das Gegenteil zu. Wie in eini-
gen zukünftigen Beiträgen festzustellen sein wird,
handelt es sich sogar um mehrere in Wien bzw.
im Umkreis der Stadt erhaltene Werke J. B.
Straubs. Dieser erste Aufsatz beschäftigt sich mit
einem Gegenstand, der zweifellos nicht durch
sein Format, sondern vor allem durch die Be-
sonderheit der Form sowie durch die originelle
Ausführung auffällt. Thematisch bezieht sich der
Beitrag auf eine der beiden von J. K. v. Lippert ge-
nannten „mathematischen Maschinen". Richtig-
zustellen ist iedoch bei dieser Gelegenheit, daß
der damals amtierende Prälat Anton Vogl von
Krallern die Maschinen selbstverständlich nicht
selbst konstruiert hat, wie - vermutlich infolge
eines Mißverständnisses - dort irrtümlich berichtet
wird. Dieser Anton Vogl von Krallern (gest. 1751)
war der Prälat des in Wien, 9. Bezirk, in der
Schwarzspanierstraße Nr. 15 gelegenen Schwarz-
spanierklosters Monte Serratoi. Nach J. K. v.
Lippert wurde der Dekor der beiden Maschinen
von der Hand J. B. Straubs ausgeführt (Abb. 21.
ln dieser Gestalt wurden sie durch den Prälaten
Anton Vogl von Krallern in „allerhöchstdero
19