Jahrhundert (Johann Franz Schwanthaler) vor
und wurde unter anderem noch 1966 als „fal-
sche" Vergaldung am Hochaltar Thomas Schwan-
thalers in Münsteuer entfernt". Weitere vom
Vergolderhandwerk längst vergessene Feinhei-
ten zeigen die nie überdeckten Glanzpoliment-
Vergoldungen der bezeichneten Gruppen Jo-
hann Peter d. Ä. Schwanthaler in der Rieder
Stadtpfarrkirche, Anna und Maria von 1784 (Kot.-
Nr. 177, Farbabb. 7) und die Pietd von 1785
(Kot.-Nr. 178, Farbabb. 6,15): alle Staßfugen der
Goldblättchen in Faltentiefen und Rändern sind
mit einer „Vermeil" genannten goldgelb ge-
färbten Gummiharzlösung zur Erzielung perfek-
ter Übergänge bestrichen (Watins 16. Haupt-
verrichtung der Vergoldung 1). Dazu kommen be-
wußte Variationen im Feingehalt. Sa verwen-
dete der Lambacher Maler Heupl 1665 für die
Fassung der Seitenaltäre Veit Adam Vogls in
Zell am Pettenfirst drei verschiedene Goldsorten
(aus Augsburg, Nürnberg und Regensburg), zwei
Arten Blottsilber sowie „Zwischgold" (nach Anm.
10). Die Farblüster bestimmen zur vorwiegenden
Vergoldung der Außenseiten die Unterkleider
und Innenseiten (Umschläge) des Gewandes der
meisten Schwanthaler-Figuren. Die Tonskolo be-
herrschen im 17. Jahrhundert „vergulaender Fir-
nis über Silber und Stanniol" (nach Anm. 7),
Krapprot, Grün und seit der Mitte des 18. Jahr-
hunderts auch das 1704 entdeckte Berlinerblau.
Die gegenüber mittelalterlichen Lüstern vorwie-
gend auf Weichharzen basierende Bindung ist
Ursache von Sprödigkeit und leichter Löslichkeit
dieser Farblüster, die denn auch bei den bisher
üblichen Freilegungsmethoden zumeist schwer
beschädigt werden, obwohl makellose Abdek-
kung möglich ist (Abb. 23, Farbabb.l). Ähnliches
gilt für die „Damaszierung" oder „Musierung"
genannten aufgemalten Farbmusterungen auf
Silber, die nach 1650 im allgemeinen aufhören
(z. B. noch an den Zürn-Altören von St. Geor-
genlMattig 1645 und 1649 vorhanden) und im
18. Jahrhundert im süddeutschen Rokoko - aller-
dings nicht bei den Schwanthalern - auf Silber
wie auf Gold wieder auftreten (z. B. Figuren Jo-
seph Anton Feuchtmayrs oder Anton Sturms).
Die Firnisfrage, die für die Beurteilung der ur-
sprünglichen Erscheinung sehr wesentlich ist,
kann am schwersten genau beantwortet wer-
den. Die Archivalien zu Altären verraten nur,
daß als Überzug der gebeizten oder gemalten
Schwarzfassungen der Architektur im 17. Jahr-
hundert stets „Florentinerlack" (ein dunkelrot-
brauner Rotholz- oder Karminlack) Anwendung
fand, der als Kugellack oder WienerlarJr bis ins
19. Jahrhundert bekannt war". Im 18. Jahrhun-
dert sind die zumeist wäßrig ausgeführten Altar-
marmorierungen vorwiegend mit wohl farblo-
sem „spanischem Firnis" überzogen worden, des-
sen Rezeptur uns noch fehlt. lnkarnatfirnisse ge-
hen aus den Quellen nicht hervor und waren
auch analytisch nicht zu erfassen. Überzüge auf
Metall gehören zu der bereits oben erwähnten
Lüsterproblematik.
Angesichts dieser diffizilen Fassungsstrukturen
und dem ihnen zukommenden Wert als untrenn-
barer Bestandteil des „Originals" sind für ver-
antwortungsbewußte Restaurierungen nur zwei
Alternativen möglich. Die der Konservierung des
zuletzt bestehenden Zustandes oder einer bes-
ser erhaltenenfilteren Renovierungsphase oder
die Freilegung der Erstfassung mit allen uns
heute zur Verfügung stehenden Mitteln und größ-
ter, vielfach nur unter ständiger mikroskopi-
scher Kontrolle erzielbaren Arbeitsgenauigkeit.
Die jeweiligen Umstände von Erhaltungszustand,
derzeitiger Funktion, Umweltbedingungen bis zur
Kostenfrage und der spezifischen Erfahrung der
verfügbaren Restauratoren sind dafür bestim-
12
mend. Natürlich auch die Relation von Aufwand
zu erzielbarem Resultat und der damit verbun-
denen noch viel zu wenig beachteten Wertstei-
gerung oder -minderung. Für umfangreiche Re-
staurierarbeiten an einer mittelgroßen Skulptur
unter Freilegung und Erhaltung der Originalfas-
sunlgen sind Arbeitszeiten von einem halben Jahr
und mehr durchaus realistisch. Ein normaler Ba-
rodraltar mit etwa fünf Skulpturen und der üb-
lichen Dekoration ist bei derzeitiger Kostenlage
sicher kaum unter einer Viertelmillion Schilling
richtig freizulegen. Die andere Alternative, die
der Bewahrung von Zweit- und Drittfossungen,
wurde über Weisung der Denkmalpflege in zwei
Fällen (Lochen, St. Florian bei Helpfau) in letzter
Zeit mit Erfolg praktiziert. Je nach dem Zustand
ist aber dabei auf möglichste Zusammengehö-
rigkeit der einzelnen Teile und Schichten zu ach-
ten, da sonst wieder ein Pasticcio verschiedener
Zustände entsteht. Nötige Teilerneuerungen von
Fassungen, vor allem, wenn sie das Aussehen
authentisch nachweisbarer Zustände bewahren,
widersprechen der geforderten Einheitlichkeit
keineswegs, erfordern aber entsprechende Do-
kumentation der getroffenen Maßnahmen (Abb.
26). Damit bleibt auch der Anteil des Vergol-
der- und Staffierergewerbes erhalten, nämlich
Erneuerung im Rahmen des unbedingt Nötigen
und Bewahren der übrigen Substanz. Schnell-
restaurierungen oder Neufassungen kosten zwar
relativ wenig Geld, zerstören aber dafür um so
mehr Originalwert, vom historischen Standpunkt
der Unersetzlichkeit ieder überlieferten Quelle
ganz abgesehen. Abschließend sei an einem
Beispiel illustriert, daß unter den gegebenen
Umständen stets das Weniger ein Mehr bedeu-
tet und daß der Ehrgeiz nach Gewinnung des
ursprünglichen, mit der Aura des „Originals"
umgebenen Zustandes entweder in realistischer
Einsicht der Problematik gezügelt oder aber mit
der Konsequenz erhöhten Zeit-, Geld- und Ar-
beitsaufwandes durchgestanden werden muß. ln
der Wallfahrtskirche Maria Plain bei Salzburg,
einem der schönsten Barockensembles des Lan-
des mit sieben Altären (drei mit Skulpturen von
Thomas Schwanthaler), hat man im letzten Jahre
eine vollständige lnnenrenovierung durchgeführt.
Obwohl für die Fassung der einheitlich Ende des
17. Jahrhunderts entstandenen Altarkörper eine
um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datierende
Blaufassung" rekonstruiert werden mußte, da
schwarze und rotbraune Spuren der Erstfassung
zu gering waren, hat man dennoch die fast
50 Skulpturen aller Altäre und weiteres lnventar
in etwa Jahresfrist mit bedeutenden Verlusten
auf die Erstfassung freigelegt (Abb. 25), lasie-
rend ergänzt und die Vergoldungen auf stärk-
sten Hochglanz poliert, was nicht nur technisch
bedenklich ist, sondern auch im Widerspruch zu
den unleugbaren Alterszeichen der Oberfläche
steht (Abb. 22). Eine verlustfreie Abnahme der
drei Ubermalungen an einem Engelputto Tho-
mas Schwanthalers aus Maria Plain (Kat.-Nr. 36)
erforderte zum Vergleich etwa sechs Wachen
und sonst aber fast keine Retuschen (Abb. 24).
Dem vielfach geäußerten bequemen Einwand,
daß nicht im freien Handel befindliche Kunst-
werke, die wie das Kircheninventar zudem dem
staatlichen Denkmalschutz unterliegen, totes Ka-
pital darstellten, sei entgegengehalten, daß die
in entscheidendem Maße van der Kunstfülle des
Barock bestimmte Kulturlandschaft Österreichs"
über den Fremdenverkehr sehr wohl auch in der
Wirtsdwaft unseres Landes zu Budie schlägt. Es
bleibt zu hoffen, daß zufolge der Einsicht in
diese, freilich von vielen für sich reklamierte Um-
wegrentabilität in Zukunft von allen Seiten mehr
als bisher für richtige Erhaltungsmaßnahmen ge-
tan wird.
26
26 Florianialter Thomas Schwanthalers der Rieder
Stadt farrkirche von 1669: fotogrammetrischer
Aufri und Zustandsplan 1974 (schwarz I in
Holz und Fassung ergänzte Teile, kariert I
1973174 erneuerte Vergoldungen, punktiert I
konservierte Vergoldungen und Farblüster von
1842, weiß I 1972-1974 freigelegte originale
Farbfassungen).
Anmerkungen 14-16
" gßrauiiierte" {ergeblldunygergawäädeäla iügzdiedAussäellurg
it tw-rrt. nsina
4529351912?" ist. rGeorgenlMattig) Wieufür Guggldn-
bictllers (Hocttaltar Mictlaelbeuern) oder Wolf Weissen-
kirdlners (Kanzel Straßwaldten) Arbeiten belegt bzw.
ßgrrttstaltsutsabsrllegerg B. "n l A 7]
ezept z. . in ar e- eustigung zit. nm. .
Florentinerlack war bis ins 19. Jahrhundert zu vielfältigen
(audt _Ha_us-)Anstr_ichzwecken üblich, vgl. c. F. o. Ttlon,
Vollstandlge Anleitung zur Lackirkunst, Weimar 1835.
" Zur_ Blaufassung von Altären ab 1700 siehe den techno-
n logischen Kalalogbeltrag. _ _
Vgl. o. Prettere nur, Drel Wallfahrtsort: an der Pll er-
Straße im Mnttigtal, in: Oberösterreich, 24, 1974, S. 3 (f.
Ll Unser Autor:
Dr. Manfred Koller
Oberrestauratar am Bundesdenkmalamt
1030 Wien, Arsenal