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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 141)

 
Vision sechsfacher Betonbahnen und frei schwe- 
bender Kurven beschert hat, die in das Reich der 
höheren Mathematik gehören, demonstriert jene 
Kurzlebigkeit, iene frustrierende Unmenschlich- 
keit, an der die industrielle Gesellschaft krankt 
und - gar nicht mehr so unbewußt - leidet. Der 
Materialismus, den ein offensichtlich atavisti- 
scher Selbstzerstörungstrieb im Menschen be- 
wußt (noch) nicht zu hemmen vermag, scheint 
sich freilich, manche Anzeichen sprechen dafür, 
selbst ad absurdum zu führen. Es könnte durch- 
aus sein, daß wir in nicht ferner Zeit unsere 
Landschaften durchstreifen, auf denen nichts ge- 
schieht, wohl aber ein Stück tragischer Archäolo- 
gie zu enträtseln ist in Form van Betonböndern 
und Kurven, die Wälder durchschneiden und 
Berge durchbohren, weil entweder der geheime 
Zeitgeist, der diese Maschinen bewegt, erloschen 
ist, oder das Öl. Die Sehnsucht nach dem Irra- 
tionalen, nach dem Mythos, nach der künstleri- 
schen Durchdringung des Lebens, nach Illusionen 
und Träumen ist längst da, ist wohl mit einer der 
tieferen Gründe der Auferstehung einer Kunst, 
die ganz ungebrachen und unreflektiert solchen 
Idealen huldigte. 
Was beim Publikum unbewußte Neigungen, un- 
bewußtes Anklingen eines von der Gegenwarts- 
kunst, soweit sie sich avantgardistisch gebördet, 
 
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F. Fock: „Guguck!", Reproduktion, Entstehung 
und Besitzer unbekannt 
Hans Mukart: Skizze zum Jubilöumstestzug 
[Eisenbahn], 1879, Wien, Historisches Museum 
der Stadt Wien 
Ccspcr David Friedrich: „Der Wanderer über 
dem Nebelmeer", vor 1818, Hamburg, Kunsthalle 
Hotzstich nach dem Gemälde „Das elektrische 
Licht" von Ludwig Kandler (1884) 
 
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Wilhelm Kray, Lorele 
Ccspur Ritter; „Bccc antin" 
Holzstich nach der Skulptur „Geruubt" von Em- 
mclnuel Fremiet, um 1887188 
Johann Heinrich Füssli: „Die wahnsinnige Kute", 
1806107, Frunkturt a. M., Goethe-Museum 
 
brachbelassenen Nervs ist, beginnt gelegentlich 
auch schon in wissenschaftlichen Auseinander- 
setzungen durchzuklingen. 
Die Pariser Schau „Van David bis Delacroix" 
etwa inaugurierte nicht nur eine historisch-kriti- 
sche Umbewertung der Kunstgeschichte - wie sie 
auch die vielen anderen Ausstellungen, die nun 
mit der Kunst des 19. Jahrhunderts in ihrer plura- 
listischen Vielfalt konfrontieren, erkennen las- 
sen -, sie ist ganz deutlich auch zur angewand- 
ten Kunstideolagie mit unijrbersehbarem Gegen- 
wartsbezug geraten; die Klage über den Abbau 
des lnhaltlichen, über die Entwertung der kodi- 
fizierten Gattungssysteme (Historienmalerei, Por- 
trät, Landschaft, Genreszenen) durch die Gegen- 
wartskunst, über die Einengung des künstlerischen 
Blickwinkel: auf vorwiegend formalistische Pro- 
blemstellungen, deren Aussagewert und gesell- 
schaftlicher Bezug gering, die oft genug nichts 
anderes sind als kombinatorisches L'art-pom- 
l'art, wird da in den Katalogvorworten mächtig 
angestimmt. Es ist durchaus evident: hier wurde 
mit einer Ausstellung Kunstpolitik betrieben, 
wurde ein kräftiger Hebel angesetzt, mit dem die 

	        
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