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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 133)

Hermann Spies, der es, wir wissen nicht wie, 
kennenlernte und es auch erwähnte, freilich 
wenig ausführlich und nur in größeren Zusam- 
menhängen". Ob und was damals mit ihm ge- 
schah, erfahren wir nicht. Der unerfreuliche Zu- 
stand des Instrumentes hat Spies wohl zurück- 
schrecken lassen; hinzu kam die Tatsache der 
Deponierung im (von Spies so bezeichneten) 
„Museum in St. Peter". Dieser - für den Nicht- 
einheimischen mißverständlichen - Fundortan- 
gabe dürfte es auch zuzuschreiben sein, daß 
wenig später gute Kenner der Salzburger Ver- 
hältnisse, wie Constantin Schneider, Karl Gei- 
ringer und in iüngster Zeit Walter Senn, an 
dem „seltenen Stück" vorübergegangen sind, 
obwohl letzterer es (Spies zitierend) erwähnte". 
So konnte es geschehen, daß das Instrument 
erst bei den mit größter Sorgfalt durchgeführ- 
ten vorbereitenden Arbeiten für das Dommuseum 
und die Wiedererrichtung der „Kunst- und Wun- 
derkammer" im Herbst 1972 zum Vorschein kam. 
Nach dem Öffnen des völlig verstaubten Dek- 
kels wurde mit der Signierung und dem umlau- 
 
fenden Text des 150. Psalms in Gold auf schwar- 
zem Grund die übermalte Inschrift vor der Jah- 
reszahl auf der Deckleisle des Spinetts sichtbar: 
„SIC TRANSIT GLORIA MUNDI""'. 
Gegenüber dem auf der Innenseite des Vorsatz- 
brettes sich selbst nennenden Erbauer des Salz- 
burger Claviarganums „Jos. Pack" erhebt sich - 
in Salzburg - zunächst die Frage nach einer 
möglichen Verwandtschaft mit dem bekannten 
damaligen Salzburger Hoforganisten Kaspor 
Bockh, der hier auch als Orgelbauer, zumindest 
als Orgelrestaurator, tätig war. Identisch sind 
„Joseph (sic) Bock" und „Kaspar Bockh", wie 
man noch Constanlin Schneider annehmen möch- 
te", sicher nicht gewesen. Aber auch eine nä- 
here verwandtschaftliche Beziehung scheint zwi- 
schen dem vermutlich aus Bayern (Passau?) stam- 
menden Salzburger Hoforganisten Kaspar Bockh 
und dem „Orglmacher zu lnsprug" Jos. Pock 
nicht bestanden zu haben. Allerdings erschwert 
die variable Namensschreibung in beiden Fällen 
alle genealogischen Nachforschungen. Hält man 
sich bei dem Erbauer des Salzburger Clavior- 
ganums an Salzburger Belege, so findet man als 
Signierung im Instrument selbst die Angabe 
16 
„Jos. Pock", während die Namensschreibung im 
Taufbuch des Salzburger Dompfarramtes (an- 
läßlich der Taufe eines Kindes am 3. April 1593) 
„Josua Bockh" lautet". Wir halten uns im fol- 
genden an die Schreibweise der Signierung und 
lesen den hier abgekürzten Vornamen nach dem 
Taufeintrag: J o s u a P o c k. 
Das Geburtsjahr von Josua Pock kann nur ge- 
schützt werden. Da er in den Jahren 1578-1582 
als Geselle des Innsbrucker Orgelbauers und 
Organisten Servatius Rorif (1- 1593) nachgewie- 
sen ist und sich dann, nach einem Zerwürfnis mit 
Rorif, nicht gleich selbständig machte, sondern 
beim Tischlermeister Michael Ziegler weiterar- 
beitete, dürfte Pock zwischen 1550 und 1560 ge- 
boren sein. Das Jahr 1582 brachte - neben dem 
offenbar sehr unerfreulich verlaufenen und an- 
haltenden Streit mit Servatius Rorif - für Josua 
Pack auch die Verleihung eines Wappenbriefes 
mit Lehensartikel. Am 29. Juli 1585 erhielt er 
dann von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol den 
Freibrief als „OrgeI- und Instrumentenmacher"" 
mit der Genehmigung und Verpflichtung, „daß 
er sich mit Weib und Kind alhir in unserer Statt 
YnsPrugg haußhältlich niederlassen, auch wah- 
nen, und seine erlernete Handwerkh und Khünste 
des Orgl und Instrumentenmachens, wie auch 
zuegleich des schreiner und Dischlerhandwerkhs 
erbar auch aufrecht treiben" möge, daß er aber 
auch selbst Gesellen beschäftigen und versorgen 
müsse. Vorangegongen waren diesem volle mei- 
sterliche Selbständigkeit gewährenden Freibrief 
sehr bemerkenswerte Dienstleistungen für seinen 
Innsbrucker Landesherrn. 1584 hatte Josua Pock 
ein Instrument, „so der zue Brichsen gemacht"", 
wieder hergerichtet. Dabei handelte es sich 
vielleicht um ein 1580 von Casletanus an Erz- 
herzog Ferdinand geliefertes Instrument, das als 
Kombination eines zweimanualigen Cembolas 
mit einem Regal (und Positiv?), alsa als ein Cla- 
viorganum, beschrieben wird. Und im selben 
Jahr (1584) hatte Josua Pock selbst dem Erz- 
herzog einen Schreibtisch mit einer eingebauten 
Orgel (also wohl mit einem kleinen Positiv, 
vielleicht auch mit Regalstimme) geliefert und 
dafür 400 Gulden erhalten". Spätestens seit die- 
sem Jahr also beschäftigte sich Josua Pock mit 
den Problemen einer Kombination sowohl von 
Saitenklavier und Orgel als auch von Ti 
instrument und Wohnmöbel. Reizvoll dürft 
beides erschienen sein; als besonders re 
empfand er dabei vermutlich den Uberrascf 
effekt, der beiden Kombinationen zugrunde 
Seine Fähigkeiten als Schreiner, Tischler, ( 
und Instrumentenmacher kamen ihm bei sr 
Überlegungen und Arbeiten sehr zugut- 
verwundert es nicht, daß Pock nach bzw. 
verschiedenen Orgelarbeiten (Neubau der 
im Damenstift Hall i. Tirol, vollendet Fri 
1588; Reparatur der großen Orgel der Sch 
Pfarrkirche, 1588-1590; Reparatur der Ori_ 
der Innsbrucker Pfarrkirche, 1589-1591) v 
ein Claviorganum begann, das er 1591 
endete. Als er für ein anderes, vielleicht 
ches Instrument, das er als Geschenk für H 
Vincenzo I. Gonzaga von Mantua" ar 
Innsbrucker Hof geliefert hatte, seiner Me 
nach zuwenig Geld bekam, muß es zu Spc 
gen zwischen Pack und dem Erzherzog g 
men sein. Eine Nachforderung vom 23. J 
1592 - mit der Bitte um eine „Ergötzlichk 
scheint keine Reaktion oder nur einen al: 
gigen Bescheid ausgelöst zu haben. Wahrs 
Iich war dies für Josua Pock der Anlaß, 
bruck zu verlassen und nach Salzburg zu g 
wo Erzbischof Wolf Dietrich (Abb. 15) s 
seine Hofmusik neu organisierte. 
Vielleicht ist Josua Pock im Sag des 1589 
Anfang 1590) von Innsbruck nach Salzburg 
gewechselten Tiburtio Massaina an der 
Wolf Dietrichs gezogen. 
Tiburtio Massaina" (1 vor 1550 zu Cre 
1' nach 1609 vermutlich in Lodi oder Piac 
als Nachfolger von Mathias Schwertfürl 
zweite Kapellmeister, den Erzbischof Wolf 
rich in seine Dienste nahm, war bald nach 
Ankunft in Salzburg von Innsbruck aus mit 
Nachrede bedacht und „der Sodomitteri 
zichtiget" worden. Ob nun aus Rache Odl 
in der Absicht, die Salzburger Hofkapelle 
und gut aufzubauen, Massaina hat ganz 
sichtlich bei den Mitgliedern der Innsb 
Hofkapelle Erzherzog Ferdinands massiv 
werbungsversuche unternommen und ve 
wie es in einem darob erbosten Brief aus 
bruck am 24. Juni 1590 heißt, „uns fas 
unsere Capellsinger aufwiglich und von Ul 
Diensten abwendig zu machen, sonder 
der Mainung, die in Euer Libden Diens 
bewegen". Zweifellos hat Josua Pock von 
Werbetätigkeit Kenntnis gehabt, und er is 
leicht in sie hineingezogen und selbst angi 
chen worden. Wie dem auch gewesen sein 
1592 (vermutlich schon im Frühjahr) erschiei 
in Salzburg. Hier durfte er sich für einen 
mit seinen Fähigkeiten ein gutes Wirkun 
erwarten. Und er kam nicht mit leeren H4 
nach Salzburg. Vielleicht war es sogar d 
strument, das er mitbrachte - [enes schc 
wähnte, 1591 fertiggestellte Claviorganum 
ihm den Weg nach Salzburg ebnete. Wirt 
nicht, ob Josua Pock schon von Innsbrur 
vorgefühlt hatte, ob bei dem weltlichen 
liebenden Salzburger Erzbischof lnteres: 
diesem besonderen Instrument bestand, da: 
nun in Innsbruck nicht mehr an den 
bringen konnte. Vielleicht hat Pock dama 
glaubt, man müsse die „Widmung" an Erzh 
Ferdinand - die in Gold vor die Jahresza 
setzte kaiserliche Devise „Sic transit 
mundi" (Vgl. Abb. 14) durch Übermalun 
decken, verbergen. Jedenfalls kam diese 
der Inschrift erst bei der Restaurierung v 
deutlich zum Vorschein, während die ar 
Teile (Signierung, Psalmtext) ihren alten 
gen Goldglanz behalten hatten. Das in d
	        
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