Wohl ieder Kunsthistoriker ist sich heute über
die Bedeutung, die der Erforschung von Licht
und Farbe in der Malerei zukommt, im klaren.
Aber nur wenige Bemühungen sind über das
Standardwerk W. Schönes „Über das Licht in der
Malerei" und die „Koloritgeschichtlichen Unter-
suchungen" von E. Strauß hinausgegangenL
Schönes Buch schließt mit einem großen Frage-
zeichen, was das Licht im 19. und 20. Jahrhundert
anlangt. Wenige Forscher aber haben seither
das Problem angegangen; für das 19. Jahrhun-
dert, in welchem die Epoche des Hell-Dunkels,
das seit dem Trecento bestimmend war, zu Ende
geht und das „Naturlicht" in die Bilder einzieht,
gibt es nur wenige Einzeluntersuchungen. Eine
zusammenfassende Studie, die dort ansetzt, wo
Schöne aufgehört hat, ist, so scheint es, derzeit
nicht zu erhoffen.
H. Sedlmayr regte an, man „sollte versuchen,
dem Bildlicht nicht so sehr von der Seite des
Betrachters als von dem ,Machen' des Bildes
beizukommen". Was liegt da näher, als sich
Skizzen zuzuwenden?
Die Schwierigkeiten liegen offenbar darin, daß
der Komplex Licht-Farbe eine schwer reflektier-
bare Schicht bildet, eine selbst nicht direkt be-
fragbare „Ganzheit", aus der sich Raumkon-
struktion, Mativwahl, lkonographie und formale
Eigenheiten methodisch entschlüsseln lassen; „lch
habe", schreibt Schönei, „bemerkt..., daß die
Frage nach dem Licht in der Malerei die Frage
nach sämtlichen anderen Phänomenen aufruft,
Bildform und Bildgegenstand eingeschlossen . . ."
Was das 19. Jahrhundert anlangt, wird es wenig
fruchtbar sein, nach einer kontinuierlichen Ent-
wicklung zu suchen - zu vielschichtig sind hier
die Phänomene. Mehr als in früheren Epochen
steht hier der einzelne Künstler im Zentrum der
Diskussion.
Hans Makart eignet sich besonders für eine
Kolorituntersuchung. Seit ieher hat man sein
spezifisches Farbentalent erkannt und meist über-
schwenglich gepriesen. An Hinweisen auf das
österreichische Spütbarock, die Venezianer, Ru-
bens und Rembrandt fehlte es nicht - damit
wird aber wenig erklärt, es sei denn, man zeigte
zugleich die Unterschiede auf. Der Versuch,
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durch allgemeine, die Farbgebung der Gründer-
zeit betreffende Beobachtungen Makarts Kolo-
rit zu erhellen, blieb zu oberflächlich und zeig-
te manche Eigenheiten auf, die denen Makarts
entgegengesetzt sindt.
Die folgenden Beobachtungen ersetzen eine tie-
fergehende Untersuchung nicht, sie sind vor
allem aus den Skizzen gewonnen.
„DER SIEG DES LlCHTS"
Dieser Entwurf für das Deckenbild im Stiegen-
haus des Kunsthistorischen Museums in Wien
(Abb. 1) ist zeitgenössischen Berichten zufolge
das wahrscheinlich letzte Werk, an dem Makart
bis kurz vor seinem Tode 1884 gearbeitet hat.
Wie für Makart auch bei anderen Werken die
Bildtitel nicht wichtig waren, so ist bei diesem
170x184 cm großen Entwurf auch von „Apollo,
der die Unwissenheit in den Abgrund stößt", der
„Apotheose der Kunst" und dem „Sieg der Ge-
sittung über die rohe Gewalt" gesprochen wor-
den?
Seit Hevesit angesichts dieser monumentalen
Skizze von einer „lichtstrotzenden Studie" ge-
sprochen hat, ist immer wieder bedauert wor-
den, „daß Makart nicht mehr dazu kam, das
Deckenbild zu malen". Denn „nur der Tod
hinderte ihn, den größten und seinem Talent
gemößesten Auftrag seines Lebens zu voll-
enden". Und noch Frodl fühlt sidt in der Farbig-
keit an Deckenbilder des Hochbarock erinnert,
und auch „Delacroix' Plafond in der Gallerie
d'Apollon im Louvre 1850151 darf hier nicht
unerwähnt bleiben". Erst iüngst ist V. Ober-
hammer in seiner Arbeit über das Deckenbild,
das nach dem Tod Makarts M. Munkäcsy gemalt
hat, von dem Klischee eines „lichtdurchfluteten
Himmelsraumes" abgegangen und hat festge-
stellt, daß die „Art des Vortrages . .. in farbiger
Hinsicht auffallend zurückhaltend ist""'.
Ansonsten ist das Bild nicht sehr beachtet wor-
den. Gerade an einem Lichtthema kann das Ko-
lorit Makarts untersucht werden, wobei die Fra-
ge zu stellen ist, wie fast zwei Jahrzehnte nach
dem Tod F. G. Waldmüllers, der das sommer-
liche Mittagslicht, eine der intensivsten Ausprä-
gungen des natürlichen Freilichtes im 19. Jahr-
hundert, in seinen Landschaften darstellte, der
Versuch, das Licht zu remythologisieren, durch-
geführt wird.
Nimmt man den Hinweis auf Delacroix auf, so
zeigt bereits ein erster Vergleich große Unter-
schiede. Delacroix' Apoll (Abb. 3) platzt in vol-
ler Fahrt auf dem Wagen hinter den vorpre-
schenden Rössern in die Mitte des Bildgesche-
hens; die anderen Formelemente, ob verdunkelt
oder aufgelichtet, zersprengen in alle Richtun-
gen. Vor seinem „stürmischen Auftauchen als
Kämpfer (weicht) alles an die Bildränder zu-
rück. Hier haben wir das, was Badt festver-
wurzelte Bewegung nennt"". Das Licht hinter
Apoll gehört zu ihm, gewinnt eine dynamische
Kraft durch seine Verbindung mit ihm, selbst
seine eigenen Rösser scheinen davor zu fliehen.
Gegenüber diesem kraftstrotzenden lichthaften
Zentrum, zu welchem alles andere im Bild Di-
stanz hält, wirkt Makarts Komposition wie in
eine leere ikonographische Formel zusammen-
getragenes, dissonantes Motivmuster. Während
Delacroix' Gott gegen Python unter Anspannung
aller Kräfte kämpft, posiert Makarts verschaf-
teter „Lichtgott" mit dem zerbrechlichen Bogen
in der erhobenen Linken, von seiner Rechten
flattert der rote Königsmantel. Die Pferde brem-
sen iäh vor der ihnen voraneilenden Aurora mit
dem Phosphorus. Den Helligkeitskranz um das
Zentrum, der sich von Aurora über den Tier-
kreis zu den „Tugenden" und über die Wolken
zurückspannt, durchbrechen an zwei Stellen zwei
Begleiter der davoneilenden Nacht. Dieses
amorphe Dunkel im linken unteren Teil flieht
nicht, sondern bäumt sich auf, das Tuch des
einen, der emporragende Arm mit dem Schild
des anderen verbinden vielmehr das Dunkel mit
dem Zentrum. Wie sich Apoll formal nicht durch-,
sich nur in Szene setzt, so überzeugt auch das
Licht nicht, das etwa bei den vier „Tugenden"
rechts wesentlich heller aufblitzt. Das scheinbare
Aufstrahlen um den Kopf des Gottes taucht erst
als Reflex der Beleuchtung im Foto auf und hat
keine eigene Kraft; hier finden sich nur mit dem
Pinselstil geritzte „haptische" Strahlen, denen die
Farbe nicht zu folgen vermag. Oberhammer
spricht daher nicht zu Unrecht angesichts dieses
ikonographischen Lichtzentrums wenig begei-