Notizen
Aachen - Neue Galerie
Ein Aussfellungsdoppel bildeten zwei Künstlerinnen
der Gegenwart: Ulrike RosenbachlFoto-Video-
Aktion und Annette PfaulTextsdlränke-Zeichnungen.
Beide umgehen bewußt mit ihren gleichzeitig
entstandenen Werkgruppen Zwänge konventioneller
Kunstpraktiken, die Starre ästhetischer Konven-
tionen. Beider Werk legt die Fesseln, die der
Emanzipation entgegenwirken, bloß, läßt die
Anstrengung, diese zu überwinden, erkennen. Rosen-
bachs modernes Medium Video macht ihr Werk
zu Protokollen der Gegenwart, Annette Pfaus in der
Sprache der Kinder erstelltes Werk ist Botschaft. -
Mehr denn ie scheint die „Neue" ihr Publikum zu
aktivieren, zwingt es geradezu, freudig im Kunst-
betrieb mitzumachen. Burgi Kühnemann stellte
mit Kindern Linolschnitte her - H. U. Aschenborn
karikierte Besudler - B. Stirnberg ließ die Besucher
schnell Plastiken formen - I. Krause-Rau aqua-
rellierte inmitten und mit dem Publikum, dem
L. Skodowsky und F. Buchholz den Siebdruck
anschließend demonstrierten. Und zu guter Ietzt
gaben Künstler einen aus! Wenn das nicht Schule
machen sollte?!
Bonn - Rheinisches Landesmuseum
Hier präsentierte man Ende l976lNovember-
Dezember als Ergebnis archäologischer Unter-
suchungen durch 15 Jahre „Vindonissa" - ein
römisches Legianslager in der Schweiz - und über-
nahm von Berlin die Ausstellung „Holzschnitt im
Neuen China". Am 24. November 1976 feierte man mit
einem Vortrag von Chlodwig Plehn „Das goldreiche
Mvkene" seitens des Deutsch-Griechischen Vereins
das Jubiläum „100 Jahre deutsche Ausgrabungen
in Mykene".
Cape Town - South African National
Gallery
Jansie Wissema, eine südafrikanische Fotografin,
fand mit ihrem künstlerischen Werk Aufnahme in
die hiesige National Gallery. Angesehen, eine
Lokalgröße in Kapstadt, verstarb sie vor kurzem
relativ früh - 1920 in Holland geboren - und
hinterließ ein reifes, reiches Werk. Von seltener
Einfühlungskraft, mit hohen menschlichen Quali-
täten ausgestattet, sah Wissema in der großen
„Family of Man" ein überreiches Feld, um ihre
fotografische Kunst in deren Dienst zu stellen.
Als Mitglied einer Gruppe iunger Intellektueller und
Künstler formte sie nach dem zweiten Weltkrieg
entscheidend mit an Cape Towns „Avant-garde"
(Abb. l).
Düsseldorf - Hetiens-Museum,
Galerie Vömel,
Galerie an der Düssel
Das im Herzen der Altstadt gelegene Palais
Nesselrode beherbergt seit dem Jahre 1909 die
Stiftung von Lclurenz Heinrich Hetiens. Als
„Hetiens-Museum"lDeutsches Keramikmuseum-
Institut für Geschichte und Technologie der Kunst
der Keramik. Mit der Präsentation des Gesamt-
kunstwerkes der Keramik aller Kulturen aus 8000
Jahren in erlesensten Obiekten, ist das „Hetiens"
sowohl ein Hort hochherziger Stiftung wie auch
intensivster Forschungstätigkeit, dem ein weltweiter
internationaler Ruf vorangeht. Schlechthin als
Prototyp der gesunden, stets lebendigen und sich
stets erneuernden Museumsinstitution geltend,
bleibt es mit seinen Aktivitäten seinem Rufe nichts
schuldig. Vor allem seine Bemühungen um die
keramische Kunst der Gegenwart sind vorbildlich.
Mit der Zeitschrift „Keramik-Freund", vom Hetiens-
Museum ediert, hat man sich ein entsprechendes
Organ auf publizistischer Ebene geschaffen, in
dem alle bedeutenden Anliegen und Komplexe
zur Sprache kommen. Die ersten beiden Präsen-
tationen moderner Künstler 1977 sind Otto Lindig
(Jänner-Februor) und Siegmund Schütz (März-April)
vorbehalten. Die Ausstellung „Keramik aus dem
Mittelmeerraum" wurde wegen des starken
Publikumsinteresses bis Anfang 1977 verlängert. -
In der „Vömel" präsentierte man aus dem Werk
der Patriarchin der deutschen Malerei, lda
40
Kerkovius. Die große Baltin, 1879 in Riga geboren,
arbeitete bis zuletzt mit ungeheurem Schaffens-
drang. Ihre Landschaften mit idyllischen, märchen-
haft-mythischen Zügen, sagen stärkstens über ihr
Wesen aus, sind voll beriihrendem Zauber. Bis ins
hohe Alter auch agiert die Kerkovius in völliger
Frische ihrer malerischen Empfindung, sich der ihr
eigenen bildnerischen Sprache bedienend, einem
starken inneren Gesetz folgend.
Robert Ederer, Einzelgänger, als Maler eines
„visionären" Realismus bekannt, war in der Galerie
an der Düssel Dezember 1976 bis Jänner 1977
mit 90 Originalen präsent. Der 1920 geborene
Österreicher, auch Lyriker und Essayist, letztens
Verfasser einer Romantrilogie „Zeiger", 6 Bände,
3000 Seiten, sieht sich selber als „Nonkonformist
im Einzelgang". Ederer distanziert sich damit bewußt
als Separatist von den „friihen" Zehn der Wiener
Schule (Abb. 2a, b).
Frankfurt - Deutsch-lbero-Amerikanische
Gesellschaft
„Sonnenhengste und Pampadrachen" von Jutta
Waloschek waren im Vorwinter 1976 Gegenstand
einer Exhibition von Wandteppichen und Zeich-
nungen der Künstlerin. An den Akademien in
Buenos Aires und Wien ausgebildet, arbeitet
Waloschek in Zyklen, welche den doppelten
Ursprung, das doppelte Schicksal, das Europäische
und das Amerikanische zum Thema haben. Der
Mensd-l wird bewußt zum Mitdenken aufgefordert
mit diesem „gleicherweise unheimlichen wie magi-
schen" Werk, aus dem Phantasie und Wirklichkeit
gleichwertig stark visuell einwirken.
Karlsruhe - Badisches Landesmuseum
Die römische Sammlung des Karlsruher Kabinetts
kann eine echte Bereicherung verzeichnen: die
Neuerwerbung einer goldenen Revolutiansmünze
der Römer, in Gold geprägt, 68 n. Chr. Neros
grausame Herrschaft wollten aufrechte Männer
in Gallien und Spanien, unter dem späteren Kaiser
Galba sich erhebend, beenden. Adelige Revolutio-
näre, die Vermögen und Hab und Gut opferten,
um Münzen prägen zu lassen, mit denen sie ihre
Truppen bezahlten. Mit der abgekürzten Inschrift
„Roma Renascens" dokumentierten die Aufstän-
dischen, daß sie an den guten Ausgang ihres
Unternehmens, eine Wiedergeburt Roms, glaubten.
Die Goldmünze ist eine echte Rarissima von großer
historischer Bedeutung, als seltene Prägung, die
nur in zwei! Exemplaren erhalten geblieben ist.
Vorderseitig ist personifiziert der Bonus Eventus,
der für den Aufstand gegen Nero erhofft wird,
rückseitig Roms Stadtgöttin mit Victoria, den Sieges-
kranz entgegenstreckend, in der Rechten (Abb. 3).
Köln - Kunstgewerbemuseum Overstolzen-
haus
Mit Emil Lettre und Andreas Moritz konnten hier
zwei Silberschmiede, deutsche, des 20. Jahrhunderts
einmal mehr demonstrieren, daß auch die Gegen-
wart dem Eigenschöpterischen, „Hand"-werklichen,
individuellen, Platz einräumt. Beiden Künstlern
ist die strikte Konzentration auf das Handwerkliche
eigen. Neben dem Massenfabrikat wieder das
durchgeformte vollendete Unikat als gleich-
bedeutende Alternative. Das bewies diese bis
13. Februar 1977 laufende Doppelpräsentation.
London - The Alpine Club
Unter dem Titel „Pavel Tchelitchew" (1898-1957)
lief im Dezember des Voriahres die Exhibition einer
Collection von 54 Theater-Designs, arrangiert von
Richard Nalhanson. Tchelitchew, der große Inno-
vator des Bühnenbildes, dessen Werk voller
Originalität, Vitalität und Humor ist, ist ein Magier
des wahren Theaters, des aroßen russischen,
romantischen Theaters (Abb. 4).
MünchenfLinz a. d. Donau -
Staatliches Museum für angewandte Kunst-
Nordico
lm Voriahr etablierte sich in der Neuen Sammlung
des Staatlichen Museums für angewandte Kunst
in München eine interessante Schau: „Kalender-
bauten". In Teil lllndien und Teil lllPräkolumbische
Anlagen in Mittel- und Südamerika gegliedert,
verfolgt sie das Vorhaben, astronomische Geräte
von enormer Größe, ortsfest, vorzustellen. Bauten,
die als Raum-Zeit-Kontinuum, als gebaute, geformte
Zeit, als Zeitgestalt, als „Kalenderbauten" ein
Stück Himmelsmechanik reflektieren, in kosmische
Zusammenhänge einbezogen. Nach München war
die Schau auch im Stadtmuseum Linz-Nordico zu
sehen (Abb. 5).
München - Bayerisches Nationalmuseum
Aus Anlaß des Erscheinens von Veröffentlichungen
zu den Sammlungsbereichen des Museums baten
gegen Ende des Variahres das Bayerische National-
museum, München, der Verlag C. H. Beck, München,
und der Deutsche Kunstverlag, MünchenlBerlin,
zu einer Präsentation. Vorgestellt wurden die
Publikationen: lngolf Bauer, Hafnergesdlirr aus
Altbayern - Klaus Maurice, Die deutsche Räderuhrl
Zur Kunst der Technik des mechanischen Zeitmessers
im deutschen Sprachraum und Brigitte Volk-Knüttel,
Wandteppiche für den Münchner Hof von Peter
Candid.
New York - Austrian Institute
Im Neuberger Museum der State University of
New York in Purchase, N. Y. lief vom 10. Dezember
1976 bis 14. Jänner 1977 die große Retrospektive
„Joseph Binder - A retrospective of Poster Art,
Painting, Pastels". Parallel zur Ausstellung des
Künstlers „Amerikanische Impressionen 1933-1935"
(s. S. 50) im Österreichischen Museum für
angewandte Kunst in Wien.
Zur Ausstellung in New York erschien ein von der
Witwe Carlo Binder ediertes Buch. Joseph Binders
Rolle als führende grafische Personalität, Schüler
Rollers und Hoffmanns, tätig in den zwanziger
und dreißiger Jahren in Österreich wie später in
Amerika, ist allgemein anerkannt. Wie tief er
aber, besonders durch sein exzellentes Können
als Plakatkünstler, am „äußeren" Bild Amerikas
mitprägte, dieses mitprofilierte, vermag man kaum
zu ermessen. Binders Plakate besonders offen-
baren selbst Jahrzehnte nach ihrer Entstehung
das unübertreffliche Know-how eines Künstlers,
der spontan eine Idee in den entsprechenden
Bildkern umsetzte, perfekt im Technischen, in der
Reduktion. Aus der Hektik des gebrauchsgrafischerl
Produzierens fand Joseph Binder in seinem Alters-
werk zur „Nonobiective Art". Allein die Farbe,
gesetzt in reinsten Proportionen, in feinst aus-
gewogener Gesamtkomposition ließ Werke reinel
Kunst entstehen, die tief in den kontemplativen,
den meditativen Bereich führte (Abb. 6).
Nürnberg - Albrecht-Dürer-Gesellschaftl
Kunsthalle
Gegen Ende des Voriahres eröffnete man im
Studio der Kunsthalle die Ausstellung „Graphische
Miniaturen" - Europäische Druckgraphik im
Kleinformat. Zwei weitere Ausstellungen in der
Kunsthalle: „Walter Gropius" und „Johannes
Molzahn". Frau llse Gropius stellte erstere Schau,
die Bauten und Proiekle Walter Gropius' von 190!
bis 1969 präsentierte, zusammen, das Bauhaus-
Archiv in Berlin zeichnete für Organisation und
Verleih verantwortlich. Von Johannes Molzahn
zeigte man in Bildern die „Melodie einer Land-
schaff".
OttawalWien - Canadian Embassy Vienna
Mittels eines Kataloges machte das kanadische
Außenministerium auf eine Wanderausstellung
„Hard-Edge Collection" aufmerksam. Diese soll
auf ihrem Weg großen Anklang finden und auch
in Europa Station machen. Es handelt sich um eine
Kollektion von Drucken, 1970-1973 entstanden,
unter dem Titel „Hard-Edge" (auch „Minimal-Art"
zusammengefaßt, vorwiegend von kanadischen
Künstlern. „Hard-Edge", schlecht mit „harte Kante'
tradiert, ist, wenn man versucht zu klassifizieren,
dem ästhetischen Formalismus zuzuordnen. Man
kann gespannt sein, wo die Schau in Europa zuers