setzungen gegeben, nicht nur in formaler Hin-
sicht, sondern darüber hinaus im geistigen An-
spruch. Seiner Meinung nach zeigten Farbfigura-
tionen eine Bewegung und Dynamik an, die im
Licht wurzeln, „welches die einzige Wirklichkeit
ist"". Lassen sich demnach die Farbkreise und
-rhythmen als sekundäre Epiphänomene eines
ursprünglichen lichthaften Impulses verstehen,als
simultane Bewegungsfelder, die sich aus einem
Urgesetz entwickelt haben, so sind die zwei
tantrischen Bilder in gleicher Weise farbliche
Artikulationen, ia Illustrationen eines kosmischen
Spiels der Evolution. Auch hier besteht die An-
sicht, daß der ursprüngliche lmpuls lichthafter
Natur ist.
So überzeugend die Analogien in formaler und,
in Grenzen, in ikonographischer Sicht auch sein
mögen, so falsch wäre es, hier wirklich Parallelen
sehen zu wollen. Die Unterschiede liegen ge-
nauso im Formalen wie im Bedeutungsmäßigen.
Während die tantrischen Bilder die Entwicklung
des ganzen Kosmos mit festgelegten Farbkreisen
illustrieren und sich die Bedeutung aus iedem
Detail, jedenfalls für den Leser des dazugehöri-
gen Textes, ergeben, hat es für Delaunay keine
ändernde Rolle zuweisen. Es geht bei diesen
Versuchen, vereinfacht ausgedrückt, nicht nur
darum, festzustellen, ob der Kosmos sich seit
einem hypothetischen Urknall ausdehnt, oder ob
die Massen stetig entstehen, sondern um die Ein-
sicht, daß ieglicher Deutungsansatz notwendiger-
weise das Gegebene interpretiert. Darüber hin-
aus hat die mit der Vorstellung eines vierdimen-
sionalen Raum-Zeit-Kontinuums zusammenhän-
gende Relativierung meßbarer Größen, d. h. der
Ausdehnung von Körpern und Geschwindigkei-
ten, eine ie nach Bewußtseinslage variierende
Ansicht des Kosmos mit sich gebracht. Da hierin
neben der ästhetischen Ähnlichkeit eine kosmo-
logische auftritt, möchte ich kurz darauf ein-
gehen.
Das Wichtigste der tantrischen Sicht von der
kosmalogischen Entwicklung liegt in der Einbe-
ziehung des Bewußtseins. Dieses wandelt sich in
andere Realitätsbereiche, wobei auch der Cha-
rakter der Welt sich ändert. Bei anderer Be-
wußtseinslage schaut die Wirklichkeit anders aus.
ln ähnlich scheinender Weise wandelt sich die
Sicht der Welt, wenn man in die Problematik
vierdimensionaler Verhältnisse einsteigt. Selten
zi Phasen des Srishti (Weltentstehung), West-
ien (18. Jh.?).
. wenigen Urelementen (Farbkreisen) entfal-
sich in mehreren Schritten der Kosmos.
auna s vergleichbare Farbkreise sind ikono-
phisc offen und nicht eindeutig determiniert
nuskript, Nepal 18. Jh., Gouache.
meditativen Pranapratishta lBelebung) wer-
t Gottheiten in Yantras gebannt. Hier sind
Göttinen Chinnamasta und Dhumawati in
etisch beeinflußten) Flammenaureolen über
t (hinduistischen) Yantras abgebildet
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farblichen Gesetze im Sinne einer ikonographi-
schen Einschränkung gegeben. Die Bedeutung
eines Bildes folgt assoziativ aus der künstleri-
schen Darstellung. Er hat die Möglichkeit, völlig
Verschiedenes in formal ähnlicher Weise, eben
in seinem „Personalstil", darzustellen. Der Illu-
strator des tantrischen Manuskriptes hat keine
Freiheitsgrade in der formalen Durchbildung sei-
nes Themas. Eine andere Form, eine auch nur
geringfügige Abweichung, verwirrt und verfälscht
den „Text" im weitesten Sinn.
Die heutige Kosmologie ist wie eh und ie von
Spekulationen abhängig, die auf verschieden-
ste Weisen mit den Beobachtungen operieren.
Während die Theorien von der Entstehung des
Universums auch heute meist von der Möglich-
keit ausgehen, zu deuten, wie sich das Weltall
entfaltet, unabhängig vom ieweiligen Betrachter,
gibt es eine Reihe erkenntnistheoretischer An-
sätze, die dern Subjekt eine wirklichkeitsver-
hat ein Naturwissenschaftler das so konsequent
formuliert wie Jean Charon": „Der Raum ist
nicht absolut. Wir beobachten von der Erde aus,
daß Andromeda zwei Millionen Lichtiahre von
uns entfernt ist. Aber diese Distanz ist nicht
absolut. Sie hängt von der Geschwindigkeit des
Beobachters ab, der die Messung in bezug auf
die Erde und Andromeda vornimmt. Und wenn
ich mit zwei Dritteln der Lichtgeschwindigkeit auf
Andromeda zufahre, wird diese Entfernung um
ein Viertel verkürzt. Erreiche ich dann die Grenze
der Beschleunigung und bewege mich auf An-
dromeda mit voller Lichtgeschwindigkeit zu, so
wird die Entfernung zwischen Erde und Andro-
meda gleich Null." Dasselbe gilt konsequenter-
weise für iede Distanz, d. h. bei der für dieses
Gedankenexperiment hypothetisch erreichbaren
Lichtgeschwindigkeit schrumpft das Universum
auf einen Punkt.
Die Hypothese, daß das ganze Universum für
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