schehen in Berlin und München interessierte er sich
sehr. Auch die von ihm in 14 Bildern illustrierte Ge-
schichte Ludwig Thomas vom "Münchner im Him-
mei", jenem Dienstmann Alois Hingerl, wurde be-
rühmt. Gulbransson wurde 1929 Professor an der
Bayerischen Akademie der bildenden Künste. Er ist
1958 auf seinem Hof am Tegernsee gestorben.
Karl Arnold. 1883 in Coburg geboren, zeichnete für
die Berliner "Lustigen Blätter", die "Jugend" und ab
1907auch fürden "Simpl". Überdie"Karriere" einer
jungen Dame keifen zwei alte Weiber: ". . . und neu-
lich is' in an Automobil g'fahren, dös Mensch. dös
schlechte!" (1907) - "Bei der Masseuse" (1908)
meint derKunde recht kläglich: "Entschuldigen Sie.
daB ich Ihre Erfahrung in Anspruch nehme-aber ich
bin Gymnasiallehrer und habe morgen von drei bis
vier Uhr sexuelle Aufklärung zu geben." - Zwei so-
genannte Kunstbeflissene sind in der Zeichnung
"Münchner Malstudien" (1911) beim Fachsimpeln
festgehalten. Der ältere sagt: "So, bloß zwei Seme-
ster wollen Sie auf die Akademie? Da lernen Sie ja
kaum das Guitarrespielen!" - ln der Wahlnummer
des "Simpl" (1. 1. 1912) politisieren zwei Arbeiteram
Biertisch. Ein besonders Gescheiter erklärt: "Was
verstehts denn os von Politik? Linksliberal, sag i,
dös is, wann oaner grad so schimpft wia mir - aber
danach do no Hurra schreit!" Wie Heine und Engl
schrieb auch Arnold durchwegs die Texte zu seinen
Karikaturen selber. Die Einheit von Bild und Wort ist
unverkennbar. Besonders treffend sind seine Beob-
achtungen zur "Vorstadthochzeit". Der Titel eines
Auswahlbandes seiner besten Zeichnungen, von
Hans Dulk 1952 herausgegeben. ist bezeichnend für
Arnolds Karikaturen: "Der Mensch ist gut- aber die
Leut san a G'sindel!" Als Arnold 1953 in München
starb. würdigte Walter Foitzick in der "Süddeut-
schen Zeitung" den bedeutenden Karikaturisten:
"Ein erfolgreiches Leben ist zu Ende gegangen.
Man verlieh dem ungezogenen Zeichner den Pro-
fessorentitel. Jüngst machte ihn die Akademie der
bildenden Künste zu ihrem Ehrenmitglied. Sie ehrte
damit einen der großen Zeichner unseres Jahrhun-
derts, dem es gelungen war. seiner Linie Witz zu ver-
leihen, der manchmal spitz und manchmal breitbe-
haglich über die kuriosen Zeitgenossen lächelte.
Eine Kulturgeschichte über dieses halbe Jahrhun-
dert wird man immer mit Zeichnungen von Karl Ar-
nold illuminieren müssen."
Keine Teilhaberjener "Simpl-GmbH", aber doch ge-
legentlich Mitarbeiter waren Max Slevogt, Käthe
Kollwitz, Heinrich Zille, Ernst Barlach, Theophi-
le-AlexandreSteinlemJulesCheret,Julius Mordecai
Pincus, Byrnolf Wennerberg (ersolltedie Nachfolge
Rezniceks antreten), Marcello Dudovich, Ernst Hei-
lemann, Henry Bing. Ragnwald Blix, Richard Graef,
Ludwig Kainer. Carl Olof Petersen, Ferdinand Spie-
gel. Erich Schilling und O.L. Naegele. der1911 "Vom
Bayrischen Gymnasium" aus dem Kreis der Profes-
soren Erfreuliches berichten kann: "Die Oberklasse
ist heuer wieder sehr gut, wir haben darin acht aus-
gebildete Ministranten."
ln Schallmoos bei Salzburg wurde 1867 Josef Bene-
dikt Engl geboren. Die Mutter kam aus dem lnnvier-
tel, der Vater war Lokomotivheizer bei der königlich
bayerischen Staatseisenbahn und Altbayer. Engls
"Milieu" war Münchens Schwanthalerhöh; dort
verbrachte er seine Jugendzeit. Über das Witzblatt
"Fladfahr-Humor", den "Süddeutschen Postillon"
und die "Fliegenden Blätter" kam er 1896 zum
"Simpl". Nach seinem frühen Tod (1907) schrieben
die "Münchner Neuesten Nachrichten": "Engl war
einer der treuesten Mitarbeiter des "Simplicissimus"
und ist vor allem durch seine derbe. aber ungemein
treffsichere und scharf charakterisierende Darstel-
lung ländlicher und großstädtischer Volkstypen be-
kannt geworden. Der Münchner Hofbräuhäusler,
der bäuerliche Protz. der Landpferrer in seinen ver-
schiedenen Variationen, Ftomeo und Julia auf dem
Lande. vor allem aber die "Creme" der Münchner
Vorstadt waren seine Spezialität, er bot darin durch-
aus Originelles von selbständiger Auffassung und
Darstellungsart." Engls Stärke waren die kleinen
und schmalformatigen Karikaturen in den Beiblat-
tern und Anzeigeteilen. Hier leistete er Herausra-
gendes. Der bayerische Historiker Benno Huben-
steiner schrieb in seiner Engl-Monographie: "Bei
Engl waren Zeichnung und Witz stets eine pralle. le-
bensvolle Einheit, konnte auch die prächtigste
Zeichnung erst entstehen, wenn ihm vorher der Witz
dazu eingefallen war. Freilich. es war immer der ty-
pisch altbayerische Witz, etwas schwerfällig im An-
lauf, grob geschrotet, stark gebeizt, aber dafür voll
breitem Lachen und souverän in der Kraft und Farbe
des Dialekts." - Das "Standesvorurteil" in einem
Bauerngasthaus wird decouvriert: "Du. warum rauft
der Martl net mit?" fragt ein Musikant seinen Kolle-
gen. "Ja woaßt. der derf nimmer, seitdem er Reser-
veleutnant ist!" (1896) - Besonders treffend charak-
terisierte Engl die Bauern aus der DachauerGegend
und die Münchner Brotzeitmacher: "Vieles dürfen
wir ihm nachrühmen: behaglichen Humor, tiefgrün-
dige Kenntnis der Heimat, ein scharfes Auge für alle
7 Eduard Thöny, "im Kunstsaion" (1900) - "Was machst
du denn hier?" - "Ja. was macht ihr denn hier?" e "Na.
wir sind doch wenigstens zwei!" Druckfarben: Blau,
Rot. SimpL: Jg. 5. Nr. 1, S. 9, ganzseitig
8 Bruno Paul. "Unangenehm" (19001- "Platteln Sie auch
Schuh, Herr Baron?" - "Nein. bei dem ekligen Getänze
platzen einem fortwährend die Nähte an den Glace-
handschuhen." Original 57 x 33 cm, Tusche, Pinsel, Fe-
der, Deckweiß. Kohle; Druckfarbe: Braun. München,
Staatl. Graphische Sammlung. Simpl.: (ohne Nr.).
SimpL: Jg. 5, Nr. 26, S. 209. ganzseitig
s Bruno Paul. "Am Ziel" (19011- "ich glaube. ich habe
bald ausstudiert. ich werde von nichts mehr besoffen "
Original 52,5 x38,5 cm. Tusche. Pinsel, Feder, Deck-
weiß, Bleistift. Raster; Druckfarbe: Olivgrün. München,
Staatl. Graphische Sammlung. slmpl. 1307. SimpL:
Jg. 5, Nr. 42. S. 340, ganzseitig
großen und kleinen Schwächen unserer altbayeri-
schen Landsleute. dazu echte Persönlichkeit".
schrieb L. Thoma im Nachruf des "Simplicissimus".
- Den grantelnden Münchner mochte Engl beson-
ders gern. Die "Sittlichkeit auf dem Lande" (1907)
wird vorbildlich erklärt. Ein Dirndl sagt zum Buam:
"Woaßt, Toni, was mei Muatta heit zu mir g'sagt hat:
Bai i noch amal a Kind kriagn tat von dir, hat s'
g'sagt, na müaßt i doch den damischen Wasinger
Sepp heirafn. hat s' g'sagt!" - Der Ftaufbold als un-
gehobelter Lackl rumpelt in die Amtsstube des ver-
schrecklen und schmächtigen Schreibers: "Wie
können Sie sich erfrechen, den Stock mit in die
Kanzlei zu nehmen? Wollen Sie vielleicht raufen?"
"Flaffa? Mit mein Steckerl? War ma scho z'dumm,
wenn's wos gibt, nacha stich i!" ("Zur Beruhigung",
1901) - "Im Hofbräuhaus" (1900) diskutieren drei
Stammgäste über die fürchterlichen Auswirkungen
der Flottenpolitik des preußischen Kaisers: "Des is
amal a richtig's Wort g'wen. Was hamm den mir
Bayern von der preißischen Flotte? Höchstens, daß
's Bier teurer wird!"
Zum politischen Selbstverständnis des "Simpl"
Obgleich sich Langen mehr eine literaturkritische
Zeitschrift vorgestellt hatte, war der "Simplicissi-
mus" von Anfang an ein Blatt, das sich engagiert
und intensiv mit den Zuständen in Gesellschaft und
Politik seiner Zeit auseinandergesetzt hat. Langen
forderte 1896 programmatisch (Heft 13). nicht län-
ger unbeteiligt zuzuschauen, sondern sich endlich
mit dem Zeitgeist auseinanderzusetzen. Eine neue
Moral des öffentlichen und privaten Lebens mußte
entwickelt werden. Die Aufgabe der Kunst habe zu
sein, die gesamte klägliche Erbärmlichkeit aufzu-
zeigen. "in der unsere Gesellschaft versinkt, jene
Tiefen des sozialen Lebens, absterbende Vorurteile,
zerbröckelnde Grundsätze, der Kultus des Golde-
nen Kalbs, die lähmende Macht des Elends". In der
Nachfolge der theoretischen Forderungen des Na-
turalismus suchte der "Simpl" -ähnlich wie es auch
die "Jugend" hätte tun wollen und sollen - um ur-
sprüngliche Wahrheit und echte Sittlichkeit. Die
Generation derJungen versuchte, sachlich, kritisch
und dem Verstand vertrauend. die bestehende mor-
bide und selbstzufriedene Gesellschaft mit ihrer
doppelbödigen Moral aus den Angeln zu heben. Die
neue Bewegung hatte viel Dynamik. "Kraft, Natür-
lichkeit und wahrhafte Frische werden dem "Simpli-
cissimus" sympathischer sein als krankhaftes Zagen
und peinliche Nervenkunst; wo ein Dichter oder ein
Künstler die scheinheilige Decke von Mißständen
und gesellschaftlichen Abgründen zieht, wird der
"Simplicissimus" um so freudiger applaudieren.
wenn dem Künstler dabei die Kunst nicht abhanden
gekommen ist". tönte Langen.
Der "Simplicissimus" betonte, unpolitisch zu sein.
Darunter verstand man. da!) man zwar nicht hinter
die eigenen Grundsätze zurückgehen wollte. aber
auch auf keinen Fall sich parteipolitisch zu binden
gedachte. im "Simpl" vertrat man offenbar ein uto-
pisch-optimistisches Wunschdenken, demzufolge
die Kunst ihre Unabhängigkeit gegenüber allen
Zwängen und Mächten dann bewahren könne, wenn
sie nur im Freiraum ihrerVorstellungen von Sittlich-
keit und Wahrheit schaltet und waltet. Diese Haltung
wurzelt fest im bürgerlichen Kunstverständnis des
19. Jahrhunderts. Nach 1813 und 1848 hatte sich das
Bürgertum bitterenttäuscht von der "garst'gen Poli-
tik" zurückgezogen. Wer sich zugute hält, politisch
"unabhängig" zu sein. dokumentiert damit seine
Zugehörigkeit zu einer bürgerlich-liberalen Gesell-
schaftsschicht. DerHinweis aufwahre Individualität,
Realität und Sachlichkeit ist der tragische Beleg für
den freiwilligen Verzicht auf Mitverantwortung und
Mitsprache. Die Trennung von Politik und Geist
wurde in Deutschland im vergangenen Jahrhundert
vollzogen,
Durch Mitarbeiter wie Ludwig Thoma schuf sich die
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