Christian Theuerkauff
Jacob Dobbermann und
Joachim Hennen -
Anmerkungen zu einigen
Kleinbildwerken")
') Vorbemerkung
Nach Abschluß dieses Manuskriptes im Sommer 1978 konnte der Ver-
fasser dank freundlich-kollegialer Hille der Kepenhagener Kollegen
Dir. Dr. H.D. Schepelern und seines Vorgängers. Dr. e. Boesen. auf
Schloß Rosenborg ganz kurz Kenntnis nerlmen von Th. Faaborgs vor
1934 beendstem. unveröffentlichten Katalog-Manuskript der Elfen-
beinsammlung. Faaborg hat offenbar den größten Teil der seit
1673174 existierenden Kunstkammer-lnventare durchgesehen und
viele Elfenbein-Stücke der Königlich-Dänischen Sammlung auf R0-
senborg identifizieren konnen. Er hat in unserem Fall als erster nach
A. Rohde fast alle von Joachim Hennen stammenden Statuetten und
Reliefs auf Rosenborg zu einem Werk-Katalog zusammengestellt. so
u.a. die hiererstmals abgebildeten Büsten des Gdndrrer Herzogspaa-
res und der danischen Könige (Abb. 10, 12. 13. 14-15).
Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der Königlich-Dänischen
Kunstkammer. daran Elfenbeine 1824, wie alles anderaZJ. an diaver-
schiedenen Museen abgegeben Wurden, von WO sie, Wie etwa 1857
vom Nationelmuseum. Zum großen Teil nach Rosenborg zunickka-
men, zu beschreiben. Doch wäre eine Auswertung des Faaborgschen
Manuskriptes unter Einbeziehung erneuten Archivstudiurns höchst
wünschenswert. Ich habe dieses Manuskript im Folgenden nicht be-
rücksichtigen können und wollen, habe außerdem aus sicherheits-
technischen Gründen die Elfanbeine weder entrahmt untersuchen
noch aus Zeitgründen die Inventars voll auswerten können.
Meinem Kollegen Dr Jessen und auch J. Hein auf Rosenborg denke
ich für alle Hilfe und Unterstützung.
Anmerkungen 1-11
Zuletzt Ausst. Ket. Barockplestik in Norddeutschland. Museum fur
Kunst und Gewerbe, Hamburg 1977(bearbeitet von J. Flasmussen),
S. 5061., Kat. Nr. 198, Abb.
2 W.F. Volbach. Die Ellenbelnbildwerke. Berlin und Leipzig 1923
(Sieetl. Museen zu Berlin. Die Biidwerke des Deutschen Mu-
seums, l), S. 71, lnv. Nr. J 7033. Abb.
M. Rooses, L'0euvre de P Rubens, I. Antwerpen 1885. S. 15011.,
Nr. 122, Tefelband l, Tal. - C.G.V. Schneevogt. Catalogue des
Estgrräges Greves däpres F. Rubens. Haariem 1873, S. 711., Nr. 51
J. von Schlosser, Werke der Kleinpiastik in der Skulpturensemm-
lung des A.H. Kaiserheuses. 2 Elildwerke in Holz. Wachs und Elfen-
bein, Wien 1910. S. 14. Abb. S. 13. -Zuletzt C. Theuerkauff, Zu Ge-
org Pfründt, in' Anzeiger des Germ. Nat. Mus Nürnberg 1974.
S. 8B, Abb. 51.
5 W. Kitliischka. Rubens und die Bildhauerei.
1963, S. 23011., Abb. 116.
c. Theuerkauff. Unrecognized lvory Carvings by Jacob Dobber-
mann, in: Ths Burlington Magazine, CVlll, N0. 755, 1966. S. 7211..
Anm, 1. B. fig. 19f. 7 ln Kassel z.B. lnv. Nr. B VI, 54, S. 34, Allegorie
auf Hessen und Hanau.
im für 1979lBO geplanten Katalog der Berliner Eifsnbeinsammlung
(nachmittelalterliche werke) der Skulpturengalerie.
Barockpfastlk, Hamburg, 1977, Kat. Nr. 202. - u.a. In einer deut-
schen Privatsammiung, deren Katalog in Vorbereitung ist, eine
Darstellung Herkules und Omphale mit Begleitfiguren.
lnv. Nr. Da. 7-26, 15,4 x 25.5 cm. Der Relieigrund stellenweise
durchscheinend dünn.
m Theuerkauff. Dobbermann, 1966 (s. Anm. 6), S. 74. tig. 21.
" _Verlgl._u.a. Tardy. Les lvoirss. Paris d. J.. Taf. H9. Hsrkules und De-
ianira in Kessel, sowie die dortige lnv. Nr. Vl. 20, und Barockpiastik.
Hamburg. 1977, Kat. Nr. 202.
. . Diss. phil. Wien
an
Die Kleinbiidwerke und i-Kunststückeii des aus
Danzig stammenden, seit 1716 mit 200 Talern Jah-
resgehalt am Hof des Landgrafen Carl von Hessen
in Kassel tätigen Jacob Dobbermann sind biswei-
len von höchst unterschiedlicher künstlerischer
Qualität. Gegenüber manchem zwar trocken-
nüchternen, doch in der Charakterisierung zutref-
fenden Bildnis - wie z.B. dem Ovalmedalilon
Karls Xil. von Schweden von nach 17181 - ent-
behrt das bildmaßlge, kastenförmig gerahmte El-
fenbeinrelief des Urteils Salomos in der Skulptu-
rengalerie Berlin (Abb. 1) feiner Nuancierung in
Reliefstil und kunstfertiger Materialbehandlung.
Das von W. F. Volbach? als deutsche Arbeit aus
der Mitte des 17. Jahrhunderts bestimmte Täfel-
chen setzt - typisch für eine Seite von J. Dobber-
manns Arbeitsweise - ein Gemälde, Peter Paul
Rubens' bühnenhafte Kopenhagener Komposition
desselben Themas von etwa 1615120, ziemlich ge-
nau in das dreidimensionale Relief um. Dabei be-
nutzt er sicherlich eine der Wiederholungen oder
einen der zahlreichen Kupferstlche (hier abgebil-
det der von Boetius a Bolswerth (Abb. 2)! Auf dem
Relief fehlen der Baldachin und die Reliefs an den
Säulen, ergänzt ist u.a. der Körper der Alten
rechts. Trotz der engen motlvlschen Anlehnung
bzw. Übernahme wirkt das Relief weniger raurn
lich frei in die Tiefe führend als z. B. das Wiener
Relief nach demselben Vorbild aus dem Kreis des
Georg Pfründt (1603-1663)', das W. Kitlitschka
Lucas Faydherbe zuweisen wollte5.
in der Proportionlerung der Figuren mit relativ
kleinen Köpfen, ihrer Projektion auf den quadra-
tisch gemusterten Grund und in den durch die
Säulenstaffelung geschaffenen Reliefraum, in der
biidparallelen Ausbreitung der schwer fallenden,
dellenreichen Draperien und stockend-unbeholfen
wirkenden Gesten sowie in der stegartigen Ka-
stenrahmung erinnert das Relief an das feinere
der wHommage a Venus-i Im Victoria and Albert
Museum, London, und an die Kasseler Herr-
schaftsallegorlenß. An deren Signatur nJ. D. lZn
schließen auch die auf der Rückseite des Berliner
Täfelchens erkennbaren, mit Tinte geschriebenen
Initialen wJDu an. Zu dem Datierungsvorschlag
"vor 1716-, also vielleicht vor der Niederlassung
Dobbermanns in Kassel, mochte ich an anderer
Stelle Gründe anführen7.
Das Werk Jacob Dobbermanns wird sich bei ge-
nauerer Durchsicht der großen öffentlichen
Sammlungen und - mit etwas Glück - auch an
anderen Stellen, wie zuletzt die bedeutende Ham-
burger Barockplastik-Ausstellung von 1977 zeig-
teß, vergrößern lassen, ohne daß dabei neue Stil-
richtungen oder Anwendungsbereiche für diesen
Kleinkunstler zu erwarten wärenß.
An dieser Stelle mochte ich nur mit allem Vorbe-
halt das mit 15,4 x 25,5 cm relativ große Elfenbein-
relief der bühnenhaften Szene der Auferweckung
des Lazarus nennen, das sich in De danske Kon-
gers Kronologiske Samling auf Schloß Rosenborg
in Kopenhagen befindet (Abb. BP. Die offensichtli-
che Umsetzung einer - noch nicht nachgewiese
nen - Vorlage, Rellefform und Rahmen, die Gs
sichtstypen mit allerdings teilweise schärfer ge
schnittenen Augen, der gesamte Figuren- und Ge
wandstil ähneln den Arbeiten Jacob Dobber-
manns. Die gleiche kleintelllg kläublerische Be
handlung des von Biattpfianzen und Gras bestan-
denen Bodens findet sich beispielsweise am WJD"
bezeichneten, vor 1730 entstandenen Reiterbild-
nis König Friedrichs lV. von Dänemark in Rosen-
borgw, das rissig scheinende Mauerwerk auf dem
Londoner Venus-Relief und die typische Wolken-
bildung auf glattem Grund sowie das kleinblättri-
ge Baum- und Buschwerk an manchem mythologi-
schen Relief und den Elfenbelnvasen in Kassel".
So wie sich einerseits der Stil von Joachim Hen-
nens figurengefulltem und -bewegtem Elfenbein-
reiief der Grablegung Christi in Schloß Rosen
unterscheidetlz, so nah scheint ihm die große
Landschaft panoramahaft einbeziehende Gi
tha-Darstellung, ebenfalls auf Rosenborg ir
penhagen, zu kommen (Abb. 4)13, deren lnvei
sicherlich - ähnlich wie Christoph Angerr
Münchener Tafel von 1631 (nach Tintoretto) -
Malerei entlehnt ist. Auffallend besonders die
nen Figürchen unter dem weiten Himmel mi'
schwimmenden Haufenwolken zwischen S
und Mond und das abrupte Anstoßen der Kl
an die Reliefkante, was alles für eine Vo
spricht, die wohl auch den weich-teigigen
wandstil z. T. mitbestimmt.
Exkurs: in diesem Zusammenhang ist es von l
esse, daß sich die rubeneske Figurenkompos
des meiner Meinung nach eher pfründtschei
liefs mit Bacchus und Ceres vor Venus im Kur
storischen Museum, Wien", in einem nord
schen (?) hochiormatigen Elfenbeinrelief in
penhagener Statens Museum for Konstß -
tenverkehrt - und in einem zweiten Relief al.
senborglß wiederholt, das in Einzelzügen i
falls Werken Jacob Dobbermanns vergleil
ist. Ein Paris-Urteil ebenda scheint zu dersl
Gruppe zu gehören, erinnert in manchem an c
fenbeinkunst des Magnus Berg".
Zu den relativ wenigen Statuetten und Gru
von der Hand Dobbermanns möchte ich vers
weise die vielleicht eine Komposition aus
Kreis der französischen Akademie in Paris"
ierende Elfenbeingruppe von Venus und .
(Abb. 5) setzen, die das Berliner Kunstgew
museum In Charlottenburg aufbewahrtß.
vollwanglg-rundliche Gesichtstypus mit ge
Nase, kleinem Mund und schartrandigen Li
die weich-vollen, gleichsam knochenlosen l
maßen mit großen Händen und Füßen, die g
ten Bewegungsmotive der Frauengestalt um
Faltenbehandlung finden sich u.a. an der
steinernen Cieopatra und der ElfenbeIn-Ma
Kasselm bzw. an der kleinen Gewandfigu
Kestner-Museums Hannover". Für den Ami
auf die entsprechende Figur der Gruppe im L
haus in Frankfurt a. M. und auf das Kas
Herkules-Dejanira-Flelief verwiesenzz. Die Be
Venus-Amor-Gruppe entbehrt - wohl ihrem
unbekannten Prototyp entsprechend - der r
mental wirkenden statuarischen Geschlo
heit, wie sie z. B. die von Jörg Rasmussen z
wohl zu Recht als der r-Große Condeu bestii
Statuette In London (Abb. 6) repräsentiertü
ses whistorischek Portrat von etwa 1730140 w
um und die zu derselben Serie gehörigen St:
ten Henris lV. und - vielleicht - J.F. P. de
dls, Kardinal de Retz, in London bzw. deuts
Privatbesitz" auf ihren Zusammenhang mit
zösischen oder eher noch niederländischen i
plastiken, u. a. von Francois Dieussart und Ba
lcmaus Eggers, zu untersuchen, bleibt weil
noch eine Aufgabezä. Von ihren Werken bi
sich eine Reihe schon seit 1652 bzw. Efidi
Jahrhunderts in Berlin!
im Anschluß an meine lange vor 1977 ausge
chene vorsichtige Zuschreibung einer elfenb
nen Statuette des hl. Johannes im Museui
Kunst und Gewerbe, Hamburgzö, an Joachim
nen (um 1640? - nach 1707) hat Jörg Rasml
zu den schon bekannten, von Alfred Ftohde
veröffentlichen Aktennotizen, Reliefs und Bl
medailions eine lange Reihe von Holz- und l
beinarbeiten, auch Statuetten und Gruppen,
nem imponierenden Werk zusammengestellt
konnte außerdem auf eine ganze Reihe vor
cher Werke aus Malerei und Plastik in Flai
und Süddeutschland für die komplexe Stilbi
Hennens hinweisen. - Aus dem seit einem
pen Jahrzehnt - im Hinblick auf eine Mor
phle - gesammelten Material sollen an r