chitekturrahmen der Spätgotik. Sie präsentiert
sich beispielhaft im rechten Flügel des Miraflores-
Altars (Abb. 8): Das Bildthema - Christus er-
scheint seiner Mutter - findet seine Fortsetzung
in den Skulpturgruppen des Portaibogens, die je-
weils von Baldachlnen überdacht werden. Auf der
Seite Marias beginnend, sind in chronologischer
Folge Szenen aus ihrem Leben dargestellt: Mariae
Verkündigung, Mariae Tod, Mariae Himmelfahrt;
diese Sequenz wird auf der Seite der Christusfigur
fortgeführt mit dem Besuch der drei Marien am
Grabe Christi, Christi Himmelfahrt und Pfingsten.
Den Abschluß der Archivoltengruppen bilden die
Skulpturen der beiden Evangelisten Markus und
Lukas, die in einem präfigurativen Sinne an die
Auferstehung und das Leiden Christi anknüpfen.
Drei Hauptmerkmale erscheinen, insgesamt be-
trachtet, für die Rahmenarchitektur R. v. d. Wey-
dens typisch:
1. die präparative Funktion
Die Rahmenarchitektur hat den Zweck, den Be-
trachter in das Bildgeschehen einzuführen, d.h.
ihn auf die Bildthematik einzustimmen;
2. die formale Funktionl"
Die Rahmenarchitektur als dekorative Randzone;
3. die syntaktische Funktion
Die Rahmenarchitektur zielt darauf ab, eine the
matische Verknüpfung ihrer Motivinhalte mit dem
zentralen Bildthema herzustellen.
Wie bereits erwähnt, bleiben Meister wie Dirk
Bouts oder Petrus Christus dem Vorbild Rogiers
aufs engste verbunden. Erst mit Hans Memling er-
folgt in der Präsentation des Architekturrahmens
ein richtungweisender Wandel. Das beste mir be
kannte Beispiel, das diesen Wandel demonstriert,
ist der Floreinsaliar, namentlich die Seitenflügel
(Abb. 9). Noch fühlt sich Memling ganz dem For-
menrepertoire der Spätgotik verpflichtet - iedoch
gerade in solcher Reduzierung auf das rein Forma-
le wird die Distanz zur Rahmenarchitektur v. d.
Weydens sichtbar.
ln der Übergangsära zwischen Spätgotik und
Frührenaissance spiegeln sich Faszination und
Freude am Detail in der Überbetonung des Deko-
rativ-Ornamentalen. Wir erleben dies spontan bei
Jan Gossaer! z. B. im Malvagna-Alrar (Abb. 10), wo
spätgotische Formen mit solchen der Frührenais-
sance" zu einem gigantischen, bildfüllenden Rah-
menwerk verschmelzen. im Gegensatz zur Rah-
menkonzeption v. d. Weydens, wo die Rahmenar-
chitektur stets die Grenzzone zwischen Bild und
Betrachter darstellt, wird die Geschlossenheit des
Rahmens hier durch iigürliche Szenen unterbro
chen: die Rahmenarchitektur wird so zur Trennzo-
ne innerhalb des Bildes.
Mit dem Bekanntwerden der maßgeblichen Schrif-
ten findet die Formenwelt der italienischen Re
naissancearchitektur rasch Eingang in die flämi-
sche Malerei der Frührenaissance. Von Pieter
Koeckel? ist bekannt, daß er jene beiden Bücher
ins Flämische bzw. Französische übersetzt hat,
die von den Kennern und Verehrern der italieni-
schen Renaissance am höchsten eingestuft wur-
den: den 4. Band der Regeln der Architektur von
Vitruv und die Archlrekturthecretischen Schriften
von Serlio. In seinem Gemälde Szenen aus dem
Leben Mariae hat die Rahmenarchitektur die Ge
stalt eines reichgeschmückten Triumphbogens.
Der Rahmen dient hier primär der Einfassung der
verschiedenen Simultanszenen: Christus er-
scheint seiner Mutter, Mariae Himmelfahrt, Ma-
riae Verkündigung und Mariae Heimsuchung. Hin-
ter der Fassade des Rahmens sind in einer felsi-
gen Landschaft noch zwei weitere Themen ange-
schnitten: die Anbetung der Könige und die Anbe-
tung der Hirten. Zwischen beiden Bildzonen be-
steht eine thematische Beziehung, so daß der Ar-
chitekturrahmen eher vermittelnd und verbindend
als isolierend und trennend wirkt.
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Wir haben bisher die Rahmenarchitektur a
was Gemaltes, d. h. nur dem Bildraum Zug)
ges, behandelt und dabei konsequent vernai
sigt, daß auch der äußere Rahmen Träger
tektonischer Gestalt sein kann. Gerade in d
felmalerei der Frührenaissance wurde der ä
Rahmen ebenso wie der in den Bildraum eir
gene als unverzichtbarer Teil des Bildganzen
funden und deshalb vom Künstler selbst er
fen. Mit Recht hat Zaloscer" darauf hingewi
daß die formbildende Bedeutung des Rah
bis heute vor allem deshalb nicht erkannt Vl
weil einerseits .die Tafelbilder der Renais:
nur noch vereinzelt im Originalrahmen err
sind, weil aber andererseits sich die Unsittee
bürgert habe, Gemälde in toto rahmenlos zu l
duzieren.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich die V
und Affinität der Rahmenarchitektur bei J.
saert in seinen späten Jahren. ln seinem Gel
Venus und Amor (Abb. 11), das um 1521 en
den ist, setzt sich die Bildarchitektur stili:
konsequent im äußeren Rahmen des Bilde:
Der Rahmen wirkt auf den Betrachter gewiss
ßen als architektonisches Fenster, das den
freigibt in den gemalten Raum, um diesem
und Tiefe zu vermitteln. Um 1527 ist Jan
saerts Madonna mit dem Kinde entstanden
bildet der formal vergleichbare, aber gemal
chitekturrahmen den hinteren Abschluß de
des, wobei eine analoge raumerzeugende Wi
erzielt wird.
Schließlich können durch die bloße Kontu
Rahmens Assoziationen an bestimmte Arc
turformen hervorgerufen werden, wie z.B. ll
narr van Orleys Hieb-Altar (Abb. 12), indei
Rahmen die Kontur einer Renaissancefa
vorgibt.
Zur Bildarchitektur als Bedeutungsträger
Die Gedankenwelt der Spätgotik wird maßgi
noch von der religiösen Grundhaltung des r
alterlichen Menschen geprägt. Über das Mr
des Symbolischen findet sie umfassend Eir
in die flämische Tafelmalerei. Die Bildarchi
übernimmt in diesem Übertragungsprozeß
sowohl repräsentative wie auch vermittelnd
le. Die mittelalterliche Grundkonzeption, all
ge primär in ihrem Sinnzusammenhang unc
Beziehung zum Ewigen zu sehen, läßt sie zur
zentralen Bedeutungsträger werden.
Wir erleben die Übertragung der Idee ins Bilt
beispielhaft im Oeuvre van Eycks, wo sich
thematisierenden Darstellung des Leben:
nens die Sehnsucht des mittelalterlichen
schen nach ewigem Leben" spiegelt. Darübt
aus wirkt die Bildarchitektur in indirekterl
signalisierend, nämlich als Träger von Schri
Bild im weitesten Sinne. Noch herrscht in d
mischen Malerei der Spätgotik die Forn
Schriftbandes vor; aufgrund des stark ausgi
ten Ornamentalsinns löst es sich jedoch vo
genständlichen. Dieses frei schwingende S
oder Spruchband finden wir nahezu bei alle
mischen Meistern, bei Jan van Eyck ebene
bei R. v. d. Weyden, dem Meister von Fle.
Dirk Bouls oder Hans Memling. Es ist nicht
gewisse Anklänge an die Bildarchitekturß
aber mit dieser keine direkte Bindung ein. Ei
ter dem zunehmenden Einfluß der italieni
Renaissance wird die Schrift stärker in die l
chitektur eingebunden. Wir sehen dies kl:
Beispiel von J. Gossaerts Maria mit dem i
wo der Maler auch im Schriftcharakter an di-
ke Tradition anknüpft.
Intensiver und differenzierter als die Schrift
der flämischen Tafelmalerei der Spätgoti
Bildhafte in der Architekturdarstellung in Er
nung. Über die Bedeutung der plastischen l