Christoph Bertsch
Das lndustriebild in der
Malerei der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts am
Beispiel eines Gemäldes
von J.K. Rick
1 Johann Kaspar Fiick, "Spinnerei Juchen derTextilwerke
Herrburger B. Flhombergri, um 1850. OllLeinwand,
48 x 63 cm. Privatbesitz Dornbirn
Anmerkung 1- 6
l Seemann Lexikon der Kunst. au. 2, Leipllg 197a. s. 392
' Matis Herbert, Osterreichische Wirtschaft 154571913, Berlin
1972. S. 22l23
' Vgl. Scheuch Manfred, Geschichte der Arbellerschait Vorarl-
bergs bis 1918, Wien 1961,S. 11
' Uber die soziale Situation irl Vorarlberg im 19. Jahrhundert vgl.
Scheuen Manfred, 15,05 Wanner Gerhard, Kinderarbeit in VOY-
arlberger Fabriken im 19. Jahrhundert, Feldkirch O.J.; Tiefen-
thaler Melnrad (Hrsg), Die Berichte des Kreishauptmanns
Ebnet, Dornbirn 1951
5 Seemann Lexikon der Kunst, a.a. 0., S. 392
' Uber Johann Kaspar Fiick, einen Dornbirner HlsIorien-, Genre-
Llrld Portratmaler, der an der Akademie in München Seine Aus-
blldung erhalten hat, vgl.: Thieme-Becker (Hrsg), Allgemeines
LBXIKOVI der bildenden Kunstler, 5a. 23, Leipzig 1934, s. 303;
Busse Joachim, internationales Handbuch aller Maler und erla-
nauer des 19 Jahrhunderts, Wiesbaden 1917, s. 1047; Fuchs
Heinrich, Die Oslerreichischen Maler des 19. Jahrhunderts,
so. a, Wien 1973, K. 120. (Angaben stimmen mit ierlen bei
Thlerrle-Eeckar und Busse nicht überein.)
nDie Geschichte des lndustriebildes ist die Ge-
schichte der gestalteten ästhetischen Verhältnis-
se der Menschen zu ihrer eigenen Produktion und
materiellen Vergegenständllchung...rr'
Die Industrie hat seit dem Ende des 18. Jahrhun-
derts einen entscheidenden wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Wandel herbeigeführt. Von
England ausgehend, hat die dynamische indu-
strielle Arbeitswelt des Fabrikzeitalters weite Ge-
biete der Erde erobert. "Der österreichische Aus-
gangspunkt zu Beginn des Jndustriellen Zeital-
ters' war an sich nicht ungünstig; es entfaltete et-
wa um die gleiche Zeit wie Frankreich und Preu-
ßen sein Manufakturwesen und aufgeklärte Mo-
narchen wie Maria Theresia und Joseph ll. betrie-
ben eine weitreichende Förderung der gewerbli-
chen Produktion. Nach 1800 trat von der Textilin-
dustrie ausgehend auch im Habsburgerreich die
Maschine ihren Siegeszug anß Eines der Kernge-
biete der Textilindustrie wurde Vorarlberg.
Schon im Mittelalter war das Bodenseegebiet füh-
rend in der Leinenerzeugung und im Leinenhan-
del. Städte wie Konstanz, St. Gallen oder Ravens-
burg bildeten die Zentren. Um die Mitte des
18. Jahrhunderts hatte das Spinnen von Garn in
Vorarlberg weite Verbreitung erfahren. Zu Beginn
des 19. Jahrhunderts weist die Beschäftigungs-
zahl des bis dahin durchwegs manufakturistisch
geführten Textilwesens in Vorarlberg die beachtli-
che Höhe von 2074 Webern und 14180 Spinnern
aufß Mit der Eröffnung der Spinnerei Juchen der
Textilwerke Herrburger St Rhomberg in Dornbirn
im Jahre 1813 fand Vorarlberg Anschluß an das
"Maschinenzeitalterii. 1841 waren bei einer Ge-
samtbevölkerungszahl von 100.975 Personen über
15.000 in der Industrie tätig! Diese Zahlen zeigen,
daB Vorarlberg bereits zu Beginn des 19. Jahrhun-
derts wie kaum ein anderes Bundesland von der
Industrie geprägt wurde. industriegeschichte ist
daher ein wesentlicher Teil der Geschichte dieses
Raumes. Dies drückt sich nicht zuletzt in der bild-
nerischen Darstellung des Themas aus. Denn ge-
rade das lndustriemotiv als ikonographisches
Thema zeigt, daB neues gesellschaftliches Sein
und Bewußtsein sich in neuen Themen und Moti-
ven ausdrückt.
Das Interesse am lndustriebild gewinnt in der
kunsthistorischen Forschung immer mehr an Be-
deutung. Wegbereitend waren Selbstdarstellun-
gen der Industrie: so 1958 in Dortmund, wo mit der
Unterstützung des Bundesvorstandes der Deut-
schen Industrie "Das Bild der Industrie 1800 bis
1850rr vorgestellt wurde, oder 1969 in Duisburg r-ln-
dustrie und Technik in der deutschen Malereitr an-
läßlich des 150jährigen Jubiläums der dort ansäs-
sigen Demag AG. Diese und ähnliche Ausstellun-
gen führten auch zu einem vermehrten Interesse
der Kunstwissenschaft an dieser Thematik. Es
wurde zur Kenntnis genommen, daß durch die in-
dustrialisierung des 19. Jahrhunderts auch neue
lkonographische Themen entstanden sind: der
arbeitende Mensch, das lndustrieinterieur und die
industrielandschaft, welche "das Äußere indu-
strieller Anlagen, Arbeitsmittel, Gebäude - und
Gefäßsysteme unter freiem Himmel, vielfach in
ihrem besonderen Verhältnis zur umgebenden
Landschaftiri zeigt. Dieser Aufsatz wird sich an-
hand eines lndustriebildes von J. K. Flickß auf letz-
teres beschränken.
Diese Darstellung zeigt die Spinnerei Juchen der
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