Alois Vogel
Die Landschaft des
österreichischen Donauraumes
in der Graphik von heute
Ein Versuch an Hand von Beispielen
Das Eigentliche willst du sagen?
Schau: Berg und Wolke. Baum und Tler:
In Bildern nur spricht sich das Leben aus.'
Rudolf Felmayer
Das Eigentliche war schon immer das, das uns die
Künstler sagen wollten. das Eigentliche des Menschen.
der Natur, des Kosmos. Und je nach dem Weltbild, das
der Künstler hat. das die Zeit in der er lebt prägt, wird er
dieses oder jenes in den Mittelpunkt seines Schaffens
stellen. je nach seinerWeitanschauung wird seine Aus-
sage sein. Es ist kein Zufall. daß der Wiener Dichter Ru-
dolf Felmayer den oben zitierten Dreizeiler schrieb. Bei
iiSchau: Berg und Wolke, Baum und Tier l in Bildern nur
spricht sich das Leben ausii steht das Bild einer Land-
schaft vor uns wie sie die chinesischen Rollbilder zei-
gen. Berg und Wolke. Baum und Tier, Luft dazwischen,
Raum, frei aller perspektivischen Spekulationen, Da-
sein im Bild. Felmayer liebte fernöstliche Dichtung und
fernöstliches Denken und ist im Laufe seines Lebens
selbst zur östlichen Weisheit gelangt. Das Eigentliche
schauteerinderSchöpfung. inallenGeschöpfemvorai-
Iem in der natürlichen Kreatur.
Das war im Laufe der Geschichte des Abendlandes
nicht immerso. DasEigentlicheunddamitdasAussage-
würdige war der König. der Gottkönig, die Götter. der
Held, der Mensch, derGottmensch. Erst allmählich ka-
men die Schöpfung. die Natur und die Landschaft wie-
der in das Bild. Eine Preisung der brüderlichen Sonne.
eine Fisch- und Vogelpredigt lassen wieder eine umfas-
sende Fülle des Lebens, alles Lebens der Darstellung
würdig sein. Allmählich dringt durch Fenster undTüren.
durch Baulücken und Abbruchstellen die Landschaft
wieder in den Bildraum.
Schon bald hatdie Donaulandschaft in diesem Zusam-
menhang Eingang in die Kunst gefunden. Aufden Tafeln
des Albrechts- und des Schottenrrieisters können wir
realistische Wiedergaben des Wiener Umlandes erken-
nen. Die Flügelbilder eines Leopoldaltares von Rueland
Frueauf aus dem Jahre 1505 zeigen typische Land-
schaftsfcrmationen wie wir sie im nördlichen Wiener-
wald und noch mehr. heute nördlich der Donau immer
wiederantreffen. Bei Frueaufkündigisichan.wasinvie-
len WerkenderDonauschuledann immerwiederzu ver-
zeichnen ist: Eine aktive Rolle der Landschaft im Bild,
und ebenso was viele Graphiken. die meist Studien für
Bilder waren, überliefern: reine Landschaftszeichnun-
QGFI.
Es ist aberkeine reinetopographische Erfassung,wenn
wir immer wieder auch bestimmte bekannte Örtlichkei-
ten wiedergegeben finden, etwa iiDie Donau bei Sar-
mingsleinti (151 1) von Albrecht Altdorfer, die ßAÜSiChi
von Urfar bei Linzrr (1512), das nDcnautal bei Kremsu
(1529). die nBurg Aggstein in der Wachaur (1542), alle
von WolfHuber,soisttrotzeinergewissen ldealisierung
eine allgemeine Erfassung der Landschaft dieses Rau-
mes damit angeschlagen. Und noch in den Hintergrün-
den der Tafeln des iiGedersdorfer Aitaresrt
(1515 - 1520) finden wir die Wiesen- und Waldrücken
des donaunahen Waldviertels.
Einer der ersten. der nach dem Krieg sich in seinen Bil-
dern und Graphiken wieder mit der Landschaft ausein-
andersetzte - und zwar sehr intensiv - war Anton
Lehmden. Alfred Schmeller schreibt über ihn: nln Anton
Lehmdens Schaffen steht die Landschaft im Mittel-
punkt; aber er ist weit mehr als ein Landschaftsmaler.
in seinen Bildern ist die Trauer um die Zerstörung der
Landschaft, der Natur, er ist ein Schmerzensmann ei-
ner berstenden Landschaft. . ß Lehmden (und in ganz
frühen Bildern auch A. Brauer) schließt in seinen Land-
schaftswiedergaben auch unmittelbar an Vorbilderder
Donauschule an. Wir finden sowohl in dem Motiv des
einzeln stehenden Baumes. als auch im Formaten. bei
der Strichführung in der Graphik eine starke Parallele.
Deutlich ist das etwa zu sehen, wenn man die Feder-
zeichnung "Fische und VÖgelit (1954) von Lehmden mit
1 Karl Korab, wNiederösterreichische Landschatta. Schwarze
Kreide. 425 x 623 mm
2 Linde Waber, i-Waldviertela, 1979. Zeichnung, laviert. Feder
und Pinsel
3 Wolf Huber, Voralpenlandschaft. 1522
Albrecht Altdorfers iwAlpenlandschafl mit Weidenbäu-
menri (um 151 1)vergleicht. Hier wie dort sind es harte,
schwungvolleStrichediedieAbbrücheimGelande fest-
halten. DieWeite des Blickes, die Tiefe des Raumes fallt
bei Lehmden sofort auf. das Verfilzte im Graswuchs im
Kontrast zu den vertikalen Einschnitten in das Gelände
bietet Vergleiche an. Ein sehrschones Beispiel ist dafür
auch ein Ausschnitt aus dem iiKriegsbild lllii (1954).
ist es bei diesem Künstlerein bewußtes Anschließen an
ehrwürdig erkannte Überlieferungen, so scheinen uns
die frühen Blätter des Kremser Graphikers Leo Zog-
mayer einfach durch die landschaftlichen Gegebenhei-
ten und deren Festhalten. mit ihren geschwungenen
Hügelformationen und Buschsäumen der Wiedergabe
eines Rueland Frueauf verwandt und dokumentieren
gerade dadurch diejeweilige Erfassung des Charakteri-
stischen.
Eine nicht ganz unähniiche Ausgangsposition wie bei
Lehmden finden wir bei Karl Korab. Seine Bezugsper-
son war ursprünglich Hieronymus Bosch, dessen phan-
tasievolle Ungetüme und dessen weite Landschaften
beeindruckten ihn, und wir finden sie in eigenen Vorstel-
iungen umgesetzt in Korabs Bildern wieder. Er selbst
sagte: nln den Bildern von Bosch ist verwirklicht, was ein
Großteil der heutigen Künstler schmerzlich vermissen
laßt: Ein ganzes Universum und komplettes Welt-
bild . . xi: Und können wir bei frühen Bildern Korabs die
Verbundenheit mit Bosch eindeutig einsehen. so wer-
den wir im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung im-
mer mehr eine eigene Formensprache gewahr, die
letztlich zu den einfachen Dingen findet.' Wie sehr er-
innert uns Korabs Suche nach dem iikompletten Welt-
bildii an das unseren Ausführungen vorangestellte Mot-
to von Felmayer! Und siehe. Korab findet mit seinen
Graphiken zu wBerg und Wolke. Baum und. . w, Gerade
seine Zeichnungen nachderNatursind es dannwieder,
die das Eigentliche dieser Landschaft. es ist jene nord-
lich der Donau gelegene. ausdrücken.
Mit vielen feinen Strichen sammelt Korab den Blick des
Betrachters auf einen Waldrücken oder. noch häufiger,
auf eine Talmulde, in der. wie es für den Landstrich so
charakteristisch ist. ein Dorf versteckt ist. von dem man
nurDachersieht. Rundumistviel Freiraum, Himmelund
Ackerland, oft einzig das leere Papier. Nur mit wenigen
Linien ist der nächste Hügelrücken angedeutet, die Be-
grenzung der Felder. ein Weg in die Senke. über die der
rauhe Wind der Hochfiächen streicht. Das Auge ruht
einzig auf dem Streifen in der Mitte des Blattes, wie es
auch in der Natur ein bestimmtes Objekt genauer sieht
und alles Umliegende eher wissend erfaßt. Es ist inter-
essant. daß auch der Dichter Adalbert Stifter. der als
Maler vielfach unterschätzt wird, etliche Zeichnungen
hinterlassen hat. die in ebendiese Richtung tendieren.
Besonders die Blätter nWaldrückenii der Sammlung
Dr. Franz Glücks weisen. wie viele andere Studienbiät-
ter dieses Künstlers. eine Gestaltung auf. die uns heute
sehr anspricht, die das Wesentliche erfaßt und der
Phantasie des Betrachters viel Raum zum Mitgestalten
läßl. Ahnliches sehen wir bei dem schon genannten
Kremser Leo Zogmayer, bei seinen in der ersten Hälfte
der siebziger Jahre entstandenen Federzeichnungen
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