4 Karl Mediz. Blumenwiese in den Voralpen, ÖlILeinwand
80 X 60 cm. Privatbesitz
gern Kleide, mit dem nellgrünen Paletot aus ruppigem
Tuch darüber und weißen Spitzenarmeln und -krausen,
und jede eine Vorsteckmasche mit lang niederhangen-
den Enden aus schwerem, buntgeblümten Seidenband,
und jede einen Lilienstengel in der Hand. Dazu blondes
Haar, helle Gesichter, blaue Augen. Die Figuren selber
haben die Farben der Landschaft. und die schlanke
Birke, die zufällig in ihre Reihe geraten, scheint fast als
zwölfte mitzugehen. Es ist ein Kirchgang in Gottschee.
jenem krainschen Ländchen, dessen Herzöge die Für-
sten Auersperg sind; des Malers Vater war ein deut-
scher Gottscheer. Der Kirchgang ist natürlich nur
gedacht; Giotto hat in der Arena zu Padua so einen
Brautzug gemalt und Mediz sich ihn gemerkt. Aber jede
der lebensgroßen Gestalten ist vorn Scheitel bis zur
Zehe Bildnisstudie. ln Dresden war es eine starke helle
Freskowirkung mitten unter geheiligtem Staffeleilon;
das fiel unverträglich heraus, so daß die Leute sich
schon vomahmen, es nicht vertragen zu können.
Solche lebensgroße Gestalten in urwüchsiger Volks-
tracht hat der Künstler immer wieder gemalt. Ein sol-
ches Mädel. nMiederlevi genannt, sitzt vorelner grauen
Bretterwand. zwei dunkle Hände im Schoße der weißen
Spitzenschürze. Sie tragt das Fronleiohnamskostüm.
dessen eigentlich ungeschickte Farbe-das rotbraune
Mieder und das rosa Gürtelband und dergleichen -
doch so unbefangen zusammengehen. Flosmarin hat
sie im Haar, man glaubt. es herausziehen zu können.
wie diegrcßen grünen Eichenblätter und Tannenzweige
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aus dem Hutband jenes Windisch-Matreier Gebirgs-
bauern. an dessen Tracht den Maler das Schwarz. Rot
und Grün so gereizt hat. Diese groben Tirolerloden und
Wollsamte. Leinen und Seiden. Borten und Hefteln. und
die Augenwimpern und der Zug der Schere im iahlblon-
den Haar - man hatdiese Dinge erst seit Leibl so gese-
hen. Und seit Van Eyck allerdings. Frühe Volksfiguren
Mediz' haben diese Art Wahrheit noch nicht, Die alte
Frau. die er wDie Wifweu nennt (von 1892) und die mlt
gefalteten Händen auf ihrerTruhe sitzt. ist inToksva bei
Tokaj gemalt und trägt eine ungarische wBundau. näm-
lich einen braunen Schafpelz mit farbiger Lederzier und
gestickten Wollblumen. Das ist nun warmer Münchner
Lederton von anno dazumal. jener spezifische. die
ganze braune Skala herunterspielende Lederhosenton.
der aus dem bayerischen Oberland nach München her-
eindrang und i-Paletteu wurde. Es klingt drastisch. aber
der Lederhose des Holzknechts verdankt Neu-Mün-
chen seinen ersten bodenständigen Kolorismus,
Auch Frau Mediz hat in älterer Art Treffliches gemalt:
das Bildnis ihrer Mutter zum Beispiel (wPortrat in Blauu,
1891). Die Zeit änderte sich. Luft und Licht wurden frei.
die Farben und Formen verschummerten sich nicht
mehr im Helldunkel. sondern gaben ihren Naturlaut von
sich. Das war noch schöner; im Freien gibt es nichts
Grelles. weil der Raum sich mit den Farben mischt; als
ware schon Luftperspektive mit in die Tube gesperrt.
Aber auch ihre Formen änderten sich. In diese bringt
das scharfe Sehen beider Mediz gleichsam eine eigene
5 Emllle Mediz-Pelikan. Blühende Glyzinie, 1906. Mischtechrii
(Buntstift. Kohle. Kreide. DeckweiByPapierIKarlon, 51 X6
cm. Slgn. und dat. wE. Pelikan Krems Mai 190641