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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 145)

I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich 
 
Wien 
Museum des 20. Jahrhunderts 
Walker Evans 
Ein Fotograf, dessen Bilder, entstanden in einer 
Zeitspanne zwischen den späten zwanziger Jahren 
bis zum Beginn der siebziger Jahre, uns außer- 
ordentlich viel über Amerika sagen. - Die ein 
Amerika zeigen, fern der Reiseprospekte und Film- 
leinwand. Es sind auch nicht so sehr vom 
künstlerischen Standpunkt ausgewählte Fotos - 
obwohl man gerade bei solchen simplen Motiven 
wie dem Zaun des Old Wallabout Market etwa 
sehr genau sieht, welch Auge der Fotograf für 
Komposition und Linienführung hat -, sondern sie 
sind in ihrem fotografischen Realismus die soziolo- 
gischen, politischen, bildungsmäßigen und 
ökologischen Verhältnisse in den USA iener Jahre 
beleuchtende Ausschnitte. Erschütternde Einblicke 
in die Hinterhöfe einer Nation. Die Ausstellung 
wurde vom Museum of Modern Art, New York, 
arrangiert. 
(21. 1.-8. 2. 1976) - (Abb. 1) 
Claes Oldenburg 
Eine sehr gute und informative Schau von 
Zeichnungen, die freilich den Künstler nur von einer 
Seite zeigt und von dem großen Obiektemacher 
und Aktionisten nur Entwürfe und Skizzen brachte. 
Trotzdem waren auch daraus seine phantastischen 
Einfälle und gewissermaßen die Keimzellen 
seiner plastischen Durchführung ersichtlich. Die 
frühen Zeichnungen, von 1953 bis 1959, zeigten 
den Werdegang seiner graphischen Entwicklung. So 
sind besonders die Blätter mit Pat zu erwähnen, 
wo wir einen außerordentlich sicheren expressiven 
Strich feststellen können; in manchen Blättern 
an Kakoschka erinnernd. Ebenso sind die locker 
gezeichneten Landschaften iener Jahre prachtvolle 
Studien, die eine sichere Hand verraten. Es folgten 
in der Manier von Kinderkritzeleien gehaltene 
Arbeiten, schließlich „Anti"-Plakatentwürfe und die 
schon genannten zahlreichen Entwürfe für seine 
„Weichen Monumente". 
(21. 1.-29. 2. 1976) - (Abb. 2) 
Wiener Secession 
Polnische Kunst 1900-1975 
Die Exponate kamen aus zwei polnischen Museen, 
vom Museum von Masovien in Plock und vom 
Bezirksmuseum von Torun. Warum nur diese 
beiden Museen die polnische Kunst dieser Zeit und 
Strömung vertreten ist unersichtiich, denn abgesehen 
von einigen sehr typischen und gut gemachten 
Bildern des Jugendstils, wie „Der Hof in Gruszka" 
von N. Tymon oder die Bilder von C. Rzepinski, 
war wenig von besonderer Qualität zu sehen. 
Außerordentiich groß war der Einfiuß vom Ausland, 
hier besonders von Frankreich, auf die polnische 
Malerei zu vermerken. Die Beispiele gehen bis zu 
den letzten Jahren, und gerade aus dieser Zeit, 
also nach dem zweiten Weltkrieg, sind schon viele 
stärkere Arbeiten außerhalb Polens von polnischen 
Künstlern bekannt geworden. 
(9. 1.-8. 2. 1976) - (Abb. 3) 
Österreichische Architektur 1945-1975 
Eine Dokumentation. Montiert auf große Tafeln 
sind Fotos und Risse von Bauwerken, die in dem 
genannten Zeitraum entstanden sind. Es ist 
sonderbar, daß Architekten eine Ausstellung, bei 
der es um ihre eigenen Anliegen geht, nicht 
lebendiger zu gestalten verstehen. Abgesehen 
davon, daß man vielen Fotos anmerkt, daß sie aus 
einem Obiekt mehr machen als es in Wirklichkeit 
ist (kommt doch gerade bei einem dreidimensionalen 
Gebilde viel auf den Blickwinkel an!), so muß 
man auch feststellen, daß die Reihung der Bilder, 
besonders der vielen kleinen, für den Betrachter 
außerordentlich ermüdend ist. Weiters muß man es 
bedauern, daß diese Ergebnisse nicht anders 
präsentiert wurden, gab es doch auch unter anderem 
neben protzigen Wirtschoftsbauten eine Menge 
gute und ehrliche Lösungen. Daß der soziale 
Wohnhausbau fast ganz leer ausging, ist in einer 
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Stadt wie Wien, die gerade auf diesem Gebiet 
in der Ersten Republik so hervorragende Leistungen 
aufzuweisen hatte, mehr als traurig, scheint aber 
mit der geistigen Einstellung des Nachwuchses der 
Architekten zusammenzuhängen. 
(9. i.-8. 2. 1976) - (Abb. 4) 
Akademie der bildenden Künste 
Herbert Boeckl 
In den Ausstellungsräumen waren fast alle wichtigen 
Bilder und eine Menge Entwürfe zu den Fresken 
und Gobelins. Der große österreichische Maler 
wurde mit so vielen Bildern das letzte Mai in 
Wien im Jahr vor seinem Tode präsentiert, damals 
im Museum des 20. Jahrhunderts. Viele Werke, 
die heute zu unserem „Boecki-Bild" gehören, waren 
nun hier zu sehen, auch einige ältere, wie das 
Porträt Bruno Grimschitz', das sein Herkommen von 
Schiele und Klimt zeigte. Die Hängung war leider 
so unübersichtlich, daß man ieweils durch alle Räume 
gehen mußte, wollte man die zeitlich zusammenv 
gehörigen Bilder nacheinander betrachten. Für 
iemanden, der den Maler nicht konnte, war es 
nahezu verwirrend. Zum Teil waren die Exponate so 
schlecht gehängt, daß man Bilder mit einem 
diffizilen Farbauftrag nicht gut betrachten konnte, 
da sie an der Wand mit den Fenstern placiert waren 
(20. 1.-22. 2. 1976) - (Abb. 5) 
Alte Schmiede 
Egon Haug 
Ein unbequemer Maler, dessen Acrylbilder man 
nicht gut in ein vorgegebenes Fach einreihen kann. 
Großfiächig, mit starker Leuchtkraft, steilen sie 
an den Betrachter die Anforderung des Einsehens. 
Wer sich aber einmal zurechtgefunden hat, der 
wird von der Kraft der Gestaltung gepackt. Die 
Graphiken zeugen von einem unglaublich sicheren 
Strich aus der bewegten Hand. Es ist erstaunlich, 
daß von diesen Bieistiftzeichnungen, anspruchslose 
Landschaften, überhaupt noch weiche im Besitz 
des Künstlers sind. Blätter, die man noch einmal 
suchen wird. 
(Februar-März 1976) - (Abb. 6) 
Galerie Spectrum 
Bernhard Hollemann 
Fast alle Bilder in Mischtechnik, hauptsächlich 
großformatig. Die Zyklen „Homa animaiis" und 
„irgendwer, irgendwo, irgendwann" dominierten. 
Drei große Uibilder in sehr kräftigen signalisierenv 
den Farben neuesten Ursprungs setzen das Thema 
fort. immer wieder bringt Hollemann filmartige 
Abfolgen, immer wieder Anthropomorphes. Diese 
Ausstellung bewies, daß das Guvre dieses Malers 
so reich und reichhaltig ist, daß er auch eine große 
Galerie mit Leichtigkeit füllen kann. Verschiedene 
Graphiken und Mappenwerke ergänzten die Schau. 
(20. 1.-20. 2. 1976) - (Abb. 7) 
Museum für Völkerkunde 
Gold aus Peru 
Die Ausstellung zeigte allein Exponate aus der 
Sammlung Miguel Muiica Gallo, Lima. Über 
250 außerordentlich hochkaratige Objekte aus einem 
Zeitabschnitt, der mit 300 v. Ch. beginnt und mit 
der Eroberung durch die Spanier beendet wurde. 
Eine Zeitspanne, die also lange vor den lnkas 
einsetzte und mit ihrer Herrschaft schließt. Gefäße, 
Lippenpflöcke, Nasenschmudt, Halsketten, Ringe, 
Totenmasken und schließlich aud1 kleine Plastiken 
(Tiere und Menschen) zeigten reiches ornamentaies 
Muster, über dessen Sinn uns nur Vermutungen 
bleiben. Da die Völker, die diese außerordentlich 
feinen Goldarbeiten durchführten, keinerlei Schrift 
kannten, sind wir nur auf Kombinationen und 
Vermutungen über ihr Weltbild angewiesen. Die 
Motive der Treibarbeiten weisen wieder Menschen 
und Tiere auf, dabei ist der Jaguar sehr häufig 
anzutreffen. Viele komplizierte Bearbeitungs- 
techniken wurden von den Meistern iener Zeit 
einwandfrei beherrscht. Man verstand die 
Edelsteine, wie Türkis, Lapislazuli, Bergkristall, 
Rosenquarz, Smaragd, Amethyst, Topas und 
Karneol, zu fassen, das Metall wurde fein gelötet 
und zu Filigranierungen bearbeitet. Besonder 
Prunkstücke der Schau waren die Kronen, Mo 
Zeremanienmesser und die „Totenhandschuhi 
über deren Sinn man auch nichts weiß. Es gal 
einen schönen Katalog mit farbigen Abbildur 
der sich allerdings beim drei- oder viermalig 
Uffnen in einzelne Blätter auflöste. 
(22.1.-31.3.1976)-(Abb.8, 9) 
Atelier in der Biiirothstraße 
Wolfgang Haidinger 
Der Bildhauer, der mit einigen guten Arbeiti 
denen Fotografien gezeigt waren) beim Sym) 
Lindabrunn Aufmerksamkeit erregte, stellte h 
Bronzen und kleinere Skulpturen aus. Die Gi 
sehr bewegt. Gut sind iene, bei denen sich d 
Künstler bemüht, großzügige klare Formenel 
durchzuziehen, weit weniger gut sind aber (e 
zwei oder drei Bronzen, bei denen die Forn 
sehr zu flimmern beginnen, daß keine Ordnu 
mehr durchbricht. Die Steine zeigen eine so 
Linienführung, hier ist wieder geformte Bews 
spürbar. 
(26. 2.-25. 3. 1976) - (Abb. 10) 
Galerie Wolfrum 
Heinz Kummer 
Mit den „Absonderlichen Huldigungen an Pc 
Cezanne" unter dem eigentlichen Titel „Paul 
bei Wolfrum der Bernsteiner Kunsterzieher L 
kunstthearetische Publizist Heinz Kummer rn 
Zyklus einer Bildgroteske eine Kurzausstellui 
Kummer warnt in einem Werktext vor einer 
deutigen Klassifizierung desselben ins „Ne 
„Abnorme" und „Pathologische". Eine Warr 
derer man bedarf, denn ohne Zweifel gerät 
unbefangene Beschauer wie von selbst in dil 
abtrögliche Wertung. Es ist der Versuch, du: 
Bauschema des Cezanne-Biidnisses mittels V 
zerrung eine konstante formationelle Basis i 
dieser Paul-Variationen zu schaffen. 
(26. 1.-31. 1. 1976) - (Abb. 11) Alois 
Salzburg 
Großari, Pfarrkirche 
Erich Sauer 
im Rahmen eines freundschaftlichen Treffens 
europäischer Alt-Pfadfinder (vgl. Seite 36 i 
Heft) schien diese Ausstellung ein sinnvoller 
Zumal Sauer, der 45iährige, in seiner Heima 
Fronkenthal in der Pfalz lebende Bildhauer 
Salzburg kein Unbekannter mehr ist. Seit 1 
der Meisterschüler von Marcello Mascherini 
Max Rieder an der Sommerakademie auf de 
den „Preis der Stadt Salzburg" erhielt, hat l 
unermüdlich gearbeitet, hat sich auch im Hc 
väterlichen Tischlerei eine Gießhütte eingeri 
in der er - hierin dem Salzburger Zenzme 
gleichbar - alle seine Bronzeskulpturen seil: 
gießt. Die meisten seiner Arbeiten kreisen u 
Thema des Menschen; hinter Sauers Werk s 
tiefe Reflexionen aus religiösem Ernst wie a 
das Wissen um die große Verantwortung, di 
dem bildenden Künstler in unserer Zeit aufe 
(24.-30. 1. 1976) 
Galerie Weiz 
Herwig Zens 
Neben einigen Zeichnungen in der Art dert 
vor drei Jahren gezeigten war nun der „Vei 
Zyklus" von Zens, eine Folge von acht Rac 
samt den zugehörigen Vorstudien zu sehen. 
kehrt damit zwar nicht in die Frühzeit seine 
Tätigkeit zurück, in der der Mensdt als Ein: 
Gruppenwesen dominierte (vgl. dazu Heft 1 
dieser Zeitschrift). Aber die Spannungen in 
Landschaften des Unbewußten finden auct 
gekonnten Blättern ihren überzeugenden Ai 
(8. 1.-1. 2. 1976) 
Linde Waber 
Auch hier ist dem expressiven Landschaftsz 
besondere Sorgfalt gewidmet. Zwar ist Linz 
- etwa mit der wichtigen Ausstellung ihrer
	        
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