. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Kunsttourismus und „Museum auf Rädern"
Mit der Entdeckung der Fresken in der bisher als
Rumpelkammer dienenden Kapelle des Schlosses
Ottenstein ist der niederösterreichische Raum um
eine kunsthistorische Sensation von besonderer
Attraktivität bereichert worden. Der Kunsttourismus
hat ein neues Ziel zum anfahren. Man kann
annehmen, daß das allmählich eingebiirgerte
Aufsuchen von kunst- und kulturhistorischen Stätten
über Land - zu denen in erster Linie die Außen-
stellen der Museen zählen - dadurch eine neue
Belebung erfahren wird. Eine erfreuliche Tatsache
auch deswegen, weil im weiten Spannungsfeld
zwischen bereits begründeten und zum Teil vor
dem Verfall geretteten Kunststätten und noch
gefährdeten, vom substantiellen Abbröckeln bedroh-
ten Sdiloßarealen und Schloßparks, wie z. B.
lschl, Gneixendorf u. a., ein neuer Ansporn
gegeben ist, in dem Erhaltungsbewußtsein nicht
nachzulassen. Wenngleich auch heute die trotz
„sicherer" Existenz fest etablierten Außenstellen,
die als längst selbstverständliches Faktum gelten,
immer wieder von den Stammhäusern her der
Auffrischung und Belebung bedürfen. Die
Museumsverantwortlichen tun, was sie können,
öffnen verständniswillig ihr breites Obiektepotential
aus Sekundärsammlungen, um frisches Blut in
Form von Ausstellungen, Neuaufstellungen und
Umgestaltungen hier zuzuführen. Die echten Kunst-
„touristen" honorieren dies durch unverminderte
Treue, suchen besonders geschätzte lnstitutianen
sogar gerne immer wieder auf.
Moderne, aufgeschlossene Museumsdirektoren,
denen daran gelegen ist, daß auch internationales,
interessiertes Publikum „ihre Schätze" zu sehen
bekommt, haben längst das „Museum auf Rädern"
installiert, und dieses rollt zu aller Zufriedenheit.
So auch das Österreichische Museum für
angewandte Kunst, das mit einer Ausstellungs-
tournee „Keramik des Jugendstils aus Böhmen
und Mähren" ins Stadtmuseum Linz (19. 13.-25. 4. 1976),
nach München, Adalbert-Stifter-Verein, Stuck-Villa
(13. 5.-4. 7. 1976) und weiter nach Regensburg,
Ostdeutsche Galerie (15. 7.-5. 9. 1976] zieht.
Zwar immer wieder mit einiger Besorgnis, iedoch mit
dem tragenden Gedanken der kulturellen Hilfe-
leistung, leiht man oft sehr wertvolle Obiekte. Auch
hier auf breitester Basis das {Österreichische Museum
mit Beteiligungen und Leihgaben in London,
„Arts of Islam. World of lslamic Festival"
(B. 4.-4. 7. 1976), Hayward Gallery (mit Orient-
teppichen), in Stift Lilienfeld „1000 Jahre
Babenberger in Üsterreich" (15. 5.-31. 10. 1976)
(mit Gösser Ornat, romanischem Faltstuhl, Bronzen),
in Schloß Schornstein „Bauernkriege"
(15. 5.411. 10. 1976) (Keramik, Metallarbeiten) und in
Salzburg „Spätgotik in Salzburg", Salzburger
Museum Carolino Augusteum (18. 6.-17. 10. 1976)
(Silberschmiedearbeiten, Keramik).
leopold netopil
11-1
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
Besucherstatistik der staatlichen
Museen und Kunstsammlungen
1975176
Das Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
unterstehenden staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
November 1975 118.345,
Dezember 1975 97.771,
Jänner 1976 92.324
Besucher gezählt wurden.
58
Wiener Mosaikwerkstätte
Leopold Forstner
Katalog Neue Folge Nr. 39
Altes Haus, Säulenhof
Wien 1, Stubenring 5
19. 12. 1975-31. 1. 1976 (verlängert bis 29. 2. 1976)
„Seit einigen Jahren sehen wir in Wien eine
Masaikwerkstätte emporblühen, die mit aner-
kennenswertem Erfolg bestrebt ist, Neues zu
schaffen, und deren Erzeugnisse wesentlich als
Produkt ganz persönlichen Könnens und persönlichen
Geschmacks angesehen werden müssen." - So
würdigte 1912 der damalige Vizedirektor des
Österreichischen Museums Josef Folnesics das
Schaffen und die Bedeutung Leopold Forstners und
seiner Wiener Mosaikwerkstätte in knoppster
Charakteristik. Einem Zufall ist die Wiederent-
deckung dieses Schülers der Wiener Kunstgewerbe-
schule unter Koio Moser zu danken, als W. Hofrat
Prof. Direktor Dr. Wilhelm Mrazek Mosaike des
Künstlers im Wiener Dianabad aufspürte und
identifizierte. Forstner, 1878 in LeonfeldenlOU
geboren, wuchs in die breite, alles erfassende
Aufbruchsbewegung iunger österreichischer Künstler
zur Jahrhundertwende hinein, und seine universelle
Begabung wurde von berühmten Zeitgenossen,
wie Otto Wagner, Gustav Klimt und anderen,
geschützt. Schon beim Zusammentragen des Werkes
für die Ausstellung wurde deutlich, daß Forstner
die Herstellungsprinzipien und -techniken des
Mosaiks neu überdacht hatte und neue Ausdrucks-
und Gestaltungsmöglichkeiten suchte und fand.
Inspiriert vom Geiste Ravennas, Venedigs und
Roms auf Studienreisen, fand sein Suchen letzten
Endes zum kombinierten Mosaik. Damit bereicherte
er die künstlerische Praktik des Mosaikmachens
durch Einsatz von Glas, Keramik, Email, Stein,
(a auch durch Ton, Kupfer und Marmor. Wozu kam,
daß er eine sehr genaue Materialkenntnis besaß
und, wie er selber es ausdrückte, „das Material
durch die Zeichnung nicht umbrachte". Den hohen
Ruf der Wiener Mosaikwerkstätte begründete
einerseits die Meisterschaft Leopold Forstners,
sowohl nach Vorlagen fremder künstlerischer
Entwürfe diese in diese autonome Kunstform
umzusetzen und auszuführen, wie anderseits auch
nach eigenen Entwürfen optimale Mosaik-
schöpfungen zu schaffen. Die bekanntesten Arbeiten
die Kirdie „Am Steinhof" (Entwürfe von Kola
Moser für die Glasfenster und Rudolf Jettmar für
das Altarmosaik), der Stocletfries von Gustav Klimt.
Vollkommen eigenständige Arbeiten schuf er z. B.
für die Dr.-Karl-Lueger-GedächtniskirchelWiener
Zentralfriedhof, das Dianabad, die Kirche in
Ebelsberg bei Linz, in Korneuburg wie auch in
Übersee, CallioconlUSA.
Die Ausstellung zeigte im Säulenhof auf schwarzen
Tafeln ein imposantes Runddekorum, dem eine
Dokumentation, graphische Arbeiten und Kartons,
Ulbilder und Aquarelle vor- und nebenher unter-
stützende Abrundung zur Vielseitigkeit des Leopold
Forstner hin vermittelten. Bedingt durch die
wirtschaftliche Lage der zwanziger und dreißiger
Jahre wandte sich Forstner durch Umwandlung
seiner Wiener Mosaikwerkstätte in eine Stockerauer
Edelglaswerke AG der Produktion von Glas-
erzeugnissen zu. Doch die Nöte der Zeit erdrückten
schließlich auch diesen Versudi, sich die künstlerische
Selbständigkeit zu erhalten. Ein breites Sortiment
erlesener Gläser bezeugte dem Künstler, daß er
auch dieses Medium beherrschen lernte und
imstande war, beachtliche Leistungen aus dem
Geiste der Zeit hervorzubringen. in seinen letzten
Lebensiahren von 1929 bis 1936 lehrte er am
Bundesgymnasium Hollabrunn. Aufmerksamen
Besuchern der Ausstellung war die Möglichkeit
geboten, über ein Dokumentationsfoto ein Mosaik-
werk Forstners am Orte seiner Bestimmung zu
betrachten. Das figurale Tympanon außen, über
dem Portal des Neuen Hauses des Österreichischen
Museums, in der Weiskirchnerstraße. Forstner
baute hier nach einem Entwurf von Rudolf Jettmar
eine farblich fein abgestimmte Rundszene, die als
starker Akzent in die Gesamtarchitektur des Hauses
integriert ist. Jammerschade, daß die Hektik der
Zeit dem flüchtig Vorübereilenden so hoch
angelegt ein Werk varenthält, das sicher der
Betrachtung wert ist. Die Mosaikkunst als solche in
ihrem bruchstückortigen Zusammenhang, ihr
lebendiges, spontangesetztes künstlerisches Bild
von eigenartigem Reiz hat Leopold Forstner sicher
am stärksten fasziniert. Mittels ihrer zeitenüber-
dauernden Technik und Haltbarkeit hat er versudtt,
Geist und Erscheinungen aus seiner Zeit in Bilder
zu legen (Abb. 1-4).
symon + symon
Schmuck und Objekte aus Papier, Leder, Metall
Katalog Neue Folge Nr. 40
Altes Haus, Eitelbergersaal
Wien 1, Stubenring 5
12. 1-28. 3. 1976
Ein Bild einer Ausstellung, das die Situation eines
Künstlerpaores, einer Familie gleichsam, zum
Ausdruck bringt: in durch nichts beschänigender,
nichts verfälschender Klarheit und Überschaubarkeit
eine Präsentation eines aus familiärer Geborgen-
heit gewachsenen Werkes. Die Syrnons, Josef und
Miroslava, leben wie andere Künstler auch schon
nach Rousseauschem Geist. lst ihnen so etwas
wie existenzielle Grundvoraussetzung. Im
Verwachsensein mit-der Natur - sie wohnen „am
Rande der Welt" irgendwo am Wechsel - fließen
die täglichen Handreichungen und Verrichtungen
in ihre Kreativität, durchdringen sie, und umgekehrt
Für sie sind taubefallene Gräser am Morgen eine
unerschöpfliche Quelle zu neuer künstlerischer
Frische. Sie leben mit und durch die sich
entfaltenden Gewächse und Bildungen um sich,
spüren vegetabilen Gesetzmäßigkeiten nach,
aus denen ihre einfache, bisweilen puritanische
künstlerische Sprache sich wie von selbst ableitet.
So prägt sich bei beiden so etwas wie ein
Symonscher Stil aus. Er, Josef, arbeitet vorwiegend
an Schmuck und Plastiken in Metall. lm Ansehen
derselben, dem gefächerten Offensein harmonisch
schwingender Formen kommt nichts vom harten
Fleiß zutage, der diese stille Harmonie an
umgesetzter Natürlichkeit zustande bringt. Man weil
vom unermüdlichen Studium des Josef Symon
vor der Natur, der Abgeschiedenheit mit sich selbst,
die seine künstlerische Aussagekraft intensiviert.
Desgleichen bei ihr, Miroslava Symon. Voll in
Anspruch genommen von Kindobsorge und Familien
betreuung bleibt ihr zur Suche nach künstlerischer
Aussage ganz wenig Zeit, verbleiben karge Stunder
Sie bevorzugt die leichten schmiegsamen Materialiei
Leder, Pergament, Papier. Daraus formt sie fein-
linig verzierte Dekore, schmückt im ansprechenden
Kontrast mit simplen Bachkieseln. Und veredelt
und krönt geradezu mit diesen reinen Natur-
elementen ihre schlicht-puren künstlerischen
Formungen. Außerdem restauriert sie alte Bücher.
Legt in dieser konservierenden und beschützenden
Tätigkeit die gleiche Hingabe an den Tag. Ein
reicher Werkekreis entsteht um und zwischen der
Alltagsarbeit: Halsbänder, Armringe, Bucheinbände,
Döschen und Kassetten in nobler, unaufdringlicher
Prägnanz. Zwischendurch „assistieren" die Kinder irr
ersten künstlerischen Mittätigseinwollen. Eine
Farm künstlerischer Symbiose, die alle Aspekte des
Idealen trägt, hinter der aber doch auch der
notwendige Erwerb, das Behouptenmüssen, der
Existenzkampf stehen. Josef Symon lehrt an der
Hochschule für angewandte Kunst mifviel Ambition.
Auftragsarbeiten im sakralen Bereich beweisen
seinen Hang zur klaren einfachen Bildsprache,
deren Verständlichkeit und Durchbildung beein-
druckt. Großplastiken, Kreuze, Gittertore, kleine
freie Plastiken und Anhänger, Halsbänder, Ringe
in mannigfaltigster Form, darin beweist Josef
Symon seine künstlerische Reife. Fragile oft zartest
Gebilde, im Ausdruck dem femininen Wesen
geradezu auf den Hals oder Arm oder Ring
empfunden. Symon + Symon demonstrierten im
Eitelbergersaal kraft ihrer Schöpfungen, wie sehr
ein inniges Verhältnis zur Natur Kreativität prägen
und veredeln kann.
leopold netop