kreis an der Wiener Manufaktur durchaus beliebt
war" - nicht für eine themengleiche Figur be-
nutzt, sondern vom Porzellanmodelleur in einen
galanteren Themenkreis versetzt. Er bildet sie zu
einem "Paris-i um, der den Apfel der Eris bereit-
hält, um ihn Venus als der schönsten Göttin zu
überreichen. Der verlorene Gegenstand in seiner
erhobenen Linken ist wohl als gebogener Hirten-
stab zu rekonstruieren". Ob ursprünglich eine
Venus-Statuette als Gegenstück geplant war oder
existiert hat, ist nicht bekannt, durch die Konzep-
tion der Paris-Statuette jedoch sehr wahrschein-
lich. Trotz der engen Anlehnung an Donners i-Mer-
kuni hat die Paris-Figur genügend eigene Stilmerk-
male, die als Anhaltspunkte bei der Suche nach ih-
rem Modelleur dienen können. Dazu gehören der
kräftige, relativ gedrungene Körperbau, breite
Hände und Füße, der runde Kopf mit den kurzen,
zu einer einheitlichen Kalotte zusammengelaßten
Haaren und die "idealen-r Gesichtszüge mit dem
verträumten Ausdruck. Bei welchem Modeileur
der Manufaktur läßt sich Vergleichbares feststel-
len?
In den kurzen Künstlerbiographien des Wiener
Porzellankataloges von 19704? werden mehrere
Modelleure genannt, die neben Niedermayer in
der Frühzeit der Staatsmanufaktur angestellt wa-
ren: Franz Duriquet (1751l52 erwähnt), Josef
Gmander (seit 1750), Jung (Mitte des 18. Jahrhun-
derts), Ludwig von Lücke (1750 - 52 als Modellmei-
ster), Johann Georg Merz (ab 1749) und Johann
Ponhauser (bis 1754). Welche Modelle sie im ein-
zelnen schufen, ist ungewiß, jedoch lassen sich
die Porzellanfiguren dieser Zeit stilistisch in meh-
rere Gruppen trennen, wie die Soldatenfiguren, die
Wiener Kaufrufe oder die Erdteilpersonilikatio
nen43. Eine kleine Gruppe mit sakralen Themen
scheint von der Plastik des in Stift Heiligenkreuz
lebenden ltalieners Giovanni Giuliani (1663- 1744)
inspiriert, läßt sich aber bisher mit keinem der
überlieferten Namen verbinden". Fest zu umrei-
Ben ist einzig das Werk des 1750 mit höherem Ge
halt als Niedermayer angestellten Johann Chri-
stoph Ludwig von Lücke (um 1703- 1780), eines
jener in den Keramikmanufakturen des 18. Jahr-
hunderts so häufig anzutreffenden Wanderkünst-
ler45. 1727-29 an der Meißner Manufaktur tätig,
wirkte vor allem auch als Elfenbeinschnitzer. Sein
unstetes Wesen mag ihn daran gehindert haben,
trotz seiner Begabung in einer festen Stellung Fuß
zu fassen, denn schon 1751 bot er in Fürstenberg
seine Dienste an und ging 1752 nach Kopenha-
gen". Lücke hat mehrere Wiener Porzellanmodel-
le mit vollem Namen signiert: einen nackten Put-
to, eine unbemalte Knabenfigur als Personifika-
tion des Winters, eine Mädchenfigur als Personifi-
kation des Sommers mit sparsamer unterglasur-
blauer Bemalung, einen mit bunten Muffelfarben
staffierten Hirschfängergriff mit Mannermaske
und eine unbemalte weibliche Sitzfigur mit einer
Muschel". Während die Kinderliguren und die
Maske des Messergriffs ganz allgemein als Aus-
gangspunkte für weitere Zuschreibungen an
Lücke interessant sind, kommt für das Problem
der Donner-Rezeption nur die weibliche Sitzfigur
in Frage, die sich in der Leningrader Ermitage be
findet. Die junge Frau mit Weintrauben im Haar
stellt offensichtlich eine Personifikation des Herb-
stes dar. E. W. Brauns 1914 geäußerte Vermutung
über ihre Zugehörigkeit zu einer Jahreszeitenfol-
gew hat sich durch vier weitere Stücke bestätigt.
ln der Sammlung Hirth befand sich ein staftiertes,
etwas vereinfachtes Exemplar des nHerbstesu zu-
sammen mit dem Pendant einer Blüten emporhal-
tenden Frau als "Frühling-ß. Das Grazer Landes-
museum Joanneum besitzt ein Paar unbemalter
Figuren (Abb. 13 und 14) mit Ähren bzw. aus der
Muschel strömendem, wie gefroren aussehendem
Wasser, die man als "Sommer- und "Wintern be-
zeichnen könntew. Alle Figuren dieser Jahreszei-
tenfolge von Lücke erinnern in ihrer ruhigen Pose
und dem Frauentypus an entsprechende Gestal-
ten von Georg Raphael Donner. Besonders deut-
lich wird die Ähnlichkeit an den beiden unbemal-
ten Grazer Stücken, zum Beispiel beim "Sommeru,
dessen Bewegungsmotiv spiegelverkehrt von
Donners Bleistatuette einer ruhenden N)
(Abb. 15) übernommen istöl. In der Profila
weist der w-Sommeru (Abb. 13) eine verblüi
Übereinstimmung mit dem Kopf des Johan
Donners Wachsrelief w-Tröstung Mariensk
16) auf52. Durchaus mit Sinn für tiefenräui
Werte konzipiert, gleichen die "Jahreszeit
vielen Einzelheiten der Haarbehandlung
Hand- und Fußformen, dem kräftigen Kör;
und der großzügigen Modellierung der
Statuette. Sollte nicht Ludwig von Lücke d-
delleur des "Paris" sein?
Ein weiteres lndiz für die Zuschreibung der
Statuette stellt das Büstenpaar eines wein
und eines lachenden Mannes dar, das wc
nauer als "Heraklit und Demokritu zu ben
ist. An dieser Bezeichnung und der Zuschri
der Büsten an Lücke ist nicht mehr zu zw
seit die 1757 datierten und von Lücke sigr
Steinbüsten der beiden Philosophen des V
and Albert-Museums 1977 publiziert wurden
allen wesentlichen Zügen mit den Porzel
sten übereinstimmen53. Trotz des völlig vei
denen Sujets scheint mir vor allem bi
Heraklit-Büste die Modelliertechnik völlig r
des vParis-r übereinzustimmen.
Sollte sich die These als richtig erweisen, d
Modeileur der Paris-Statuette in Ludwig von
gefunden ist, wäre er als der eigentliche
der frühen Donner-Rezeption an der WiGTli
zellanmanufaktur anzusehen. Da er als au
deter und erfahrener Bildhauer nach Wier
hat er wohl nie den Wiener Akademieunt
besucht. Er näherte sich dem stilbestimm
Phänomen der Kunst Donners auf direkte'
indem er sich die Statuetten zum Vorbild
Kleinplastiken also, die sich leicht in Po
umsetzen ließen, ohne an Wirkung zu vei
Lücke ist durch die unmittelbare Auseinani
zung mit den Kunstwerken Donners dessen
folge in der Porzellanpiastik am überzeugei
gelungen.
Anmerkungen 40-53 (Anm. 34-69 s. Texl S. 24. 25)
1' lnv. Nr. Ov. 75 (Leihgabe der Overstolzengesellschen). Ludwig
Schnorr von Csrolsleld-Erich Köllmarlrl. Porzellan der europä-
lschen Fabriken Bd. l. 6.Au1lege. Braunschweig 1974. S. 192. Abb.
139. Als Bolzano bezeichnet.
i" Holzgruppe Höhe 15.5 cm. Figuren ce. 13cm.
Porzellengruppe 25.5 cm. Figuren ca. 17 cm.
Reste des Kreldegrurldes noch vorhanden. der offenbar abge-
schnitzt. nicht abgeleugt wurde. Zum Problem der Helzmodelle 1ür
Keramik vgl. Erich Steingräber: Ein Beitrag zur Feyerlce-Plesilk. In.
Pentheon xvlil (1950). s. 32-34.
3' Auktionskulnlog Gerd Rosen Nr. XXVll. Berlin. November 1955. Nr.
1455, Abb. S. 155. Ale Bezzetto Vbn Nledermeyer bezeichnet. Höhe
Q5 cm. Holz mit Resten alter Fassung. Ein Photo der Gruppe land
sich lm Nachleß E.W. Brauns im Archiv des Germanischen Natio-
nalmuseums.
u Erike Tletze-Conrat: Unbekannte Werke von GH. Donner
...(siehe Anm. 2) sp. 223-225 sieht einen engen Zusammenhlng
mit den Figuren des Klosterneuhurger Merkur. des Paris in Salz-
burg. Schloß Mirabell und des Merkur mit dem Arguskopt. Pigler
s. 105 sieht irl der Puris-slsrueneeine Spiegelung des Klosterneu-
burger Merkur. Die Unterschiede der Porxelian-Statuetla zum KIO-
slerneuburger Merkur (Pigler Abb. 35) sind iadech bereits im Mer-
kur m11 dem Arguskopl vorweggenommen.
Von dieser Sletuette existieren mehrere Exemplare: Wien. Öster-
reichisches Barockmllseum. in Hermennstadt (Negyazeberl).
Szepmüvesaeti Müzeum Budapest. Kunsthisi. Museum Wien. Er-
rrlllnge In Leningrad. Im Braunschweiger Herzog-Antorl-Ulrlch-
Museum und lrn Germanischen Netionalmuseum Nürnberg. Vgl.
Mrenuel Schwarz: Georg Raphael udnner. Kategorien der Plastik.
München 19S8.S.109.Kat. Nr. 15.
i" Am besten sichtbar bei Erika Tietze-Conrat. Unbekannte Werke
von an. Denner...(sier1s Anrrl. 2). Abb. sp. 227.
An der Wiener Msrrursklur existierten mindestens zwei Gruppen
sus diesem Themenkreis.
Die unbemalte Gruppe von 1744149 (Kit. 1070. Nr. 290). Höhe
22.0 cm (hier Abb. a).
Eine stnflierte Gruppe von a0 cm Höhe (Kai. 1904. Nr. soe). viel-
leicht identisch mlt der bemalten Gruppe im Budupealer Museum
lür Kunetgewerbe. Höhß 20 cm (Baum abgebrochen). in der Mer-
kur Argus durch Spiel auf der Blockflöte betört (Klare Tlsnldi-Ma-
26
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n:
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likI Wiener Porzellan. 0.0 1971. Abb. 43). Der Merkur dieser
Gruppe ist übrigens eine weitere Übernahme der -Providenlie-
verrl Merllmarktbrunnen.
Vgl. Donners Fleliel des eParisurteilsr- (Pigler Abb. 50) und eine
Plakette mit Venus und einem Hirten von Mutlhlus Donner. ehem.
Sammlung Figdor. jetzt m Berlin. Staatliche Museen Preußischer
Kulturbesitz. Skulpturenabteilung. E. w. Braun: Beiträge zur Ge-
schichte der Wiener Plastik im 1B. Jahrhundert. 2. Teil. In: Kunst
und Kunsthandwerk 12 (1909). S. 197 mit Abb.
Kai. 1970 S. 31-52.
Kai. 1970 Nr. 203-2558. 290-295 und 314-315.
Kel. 1970 Nr. 801 und 302.
Folnesics-Braun 52-63 und 175-179. Zu Lücke neuerdings Aus-
stellurlgskatalog Barockplastlk In Norddeutschland. Museum liir
Kunst und Gewerbe Hamburg. Hamburg 1977. Kai. Nr. 246-256.
Folnesics-Braun 17a und Ausslellurlgskatalog Barockplastlk in
Norddeutschland (siehe Anm. 45) S. 568-570.
e) Putto. UngedeuteteAllegorie. vielleicht mit der Forzellanherstel-
lung zusammenhängend? Sammlung Ducret. Abgebildel bei Sieg-
lrled Ducret: Wiener Pbrzellan. signiert von Lücke. in! Die Welt-
kunst XXIII (1953). lien 19. s. m4.
Eirlgeritzl: L v. Lücke.
b) Knabe als -Win1er-. zusammen mit drei weiteren unbemalterl
Jlhreszeitenderslellungen ehemals In der Sammlung Darmstäd-
ler. Vgl. Kit. 1970. Nr. 367. gnalur. L. v. Lück.
Vielleicht stammt aus dieser Serie die Figur eines unbemallen
Knaben als d-lorhst-r? Abgebildet bei Ernst Flacher Z 1718-1968.
250 Jahre All-Wiener Porzellan. In: Keramik-Freunde derscrlweiz.
Mitteilungshlatt Nr. 77. .luli 1968. s. a-s. Abb. s (ohne Angabe des
Aufbewarlrungsortes).
Michael Newmerl: Die deutschen Pormllen-Menulekturen im 1B.
Jahrhundert. Bd. l. Braunschweig 1977. Abb. 223. Fluher Gsllery.
London.
0) Mädchen als r-Scrnmere
wlerl. Österreichisches Museum riir angawlndle Kunst. Ke 709a
Signatur: L. V. Lücke. Km. 1970. Nr. 307. Tafel 01.
d) Hlrschfängergrifi mit Mannermeake und Malerei In Violett und
Kuplergrürr. Abgebildet bei siegrrled Ducrat: wlener Parzellen
bemalt von Ludwig rrdn Lück. : Die WeltkunstXXlV (1954) Haft 19.
S. 4.
Signatur L. v. Lück in Violett aufgemall.
e)weiblienesllzlieurnenebnsnrin.)lndersrrnllrrgeln Leningrad.
Abgebildet bei E. W. Braun: Alt-Wiener Porzellan in der Kaiserli-
u.
u
er
chen Eremltagezu sl. Petersburg. In. Kunsl und Kunsthar
(1e141s 44-45 Signatur: Ludewlg von Luck.
ebenda S. 45.
Colleclion Georg Hirlh. 1. Abtheilung: Deutsch Tenagra. F
liguren des 1B. Jahrhunderts. München und Leiplig1B9i
und S41 (Zwei Fruchtschalen). Höhe 27. Breite des S0
Tiefe 16 cm. Abbildungen in Fronltalenslcht.
Porzellans. ebbelirrs. Teppiche. Metellerbelten. Gemälde
neuer Meister. Möbel und Anderes aus der Sammlung Ge
1916. II. München 191 S, bildet eufTelel 45 als Nr. 332 beidl
im Profil ab.
In der gleichen Ansicht wird dns Figurenpaar (oder ein ihr
Haar gleichendes) Im Auktionskltalcg des Budepasier E
saums als Nr. 700111eulTatXLllabgabildetzsemmlungt
Vay de Veje Auktionen des Ernst-Museums IV-V. Budal
1918
Kat. 1970 Nr. 388. Den Hinweis auf die zweite Figur verr
Frau Dr. Genrud Smola. der Ich hier herxlich danken m
Pigier Abb. 67. Das hier abgebildete Exempllr belinda
Busch Fleisinger Museum. Harvard Unlversity. VgLJohrl l
Donner Statue 01a -Res1ing Nymphe. In: Fogg An Musr
vard University. Annual Report 1951-52. Beilage. Das gl
emplar bei Erika Tielze-Cenrzlt: Österreichische Bami
Wien 1920. Abb. 4B.
Charles L. Kuhn. German Ind Natherlandish Sculpture 11
Tlle Harvard Collectlons. Cambridgawiass.) 1965. Nr. 7B.
Österreichisches Bareckmuseum. Lg. 7 (Leihgahe de
münzamtes Wien). 44x57 cm. Pigler s. ss.
Porzellanbüsten: Kat. 1970. Nr. 389 und 370.
Steinbüsten: Ausslellungskaleleg Barockplaetik in Norl
land. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Hamb
Kat. Nr. 254 und 255.
Zwel weitere Exemplare der Heraklit-Büste abgebildet
Fischer: 1718-1968. 250 Jsbre All-Wiener Porzellan. In:
lreurlde der Schweiz. Mittellunqeblutt Nr. 77. Juli 196a. A
7a (enne Angabe das Aulbewahrungsortes). Vielleicht l-
sich bei der unbemnllerr Büste um die Im Klat. 11m4. Nr
zeichnete Büste aul hohem. kamlnartlgem Sockel. Möglil
ist sie mi1 einem der belden1975lm New Yorker Kunsth
gebotenen Exemplare Identisch (Ausstallurlgskelalog B
stik ln Norddeutschland. S. 503).
Newman (slene Anm. 47). Abb. 222. -Dle Tragödie-w. Fishi
London.
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