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Hans Petfchnig.
leuchtern und Pultträgern gar nicht an der Ausfüllung kirchlicher Kundarbeiten
betheiligt.
Die Kirchenftoffe.
Schliefslich bilden die kirchlichen Stoffe und S t i c k e r e i e n eine
hervorragende Branche der kirchlichen Kunft.
In erfler Linie fleht heute fchon Oefterreich und gebührt feit Jahren der
Giani’fchen Kundandalt in Wien vor Allen das Verdiend, diefe gewerb
liche Richtung wieder zu Ehren gebracht zu haben.
Giani, einer der wenigen Indudriellen Oederreichs, welche ihr Fach
nicht nur als gewinnbringendes Gefchäft betreiben, fondern auch Intereffe, Ver-
fländnifs und Liebe für dasfelbe haben, wurde oft prämiirt und hat aller Orten,
befonders im Auslande, Anerkennung gefunden.
Vor Allem war er bedrebt, die verrotteten Arbeiten, die leider als letzte
Ableger der Zopf- und Rococcoperiode die Branche lange beherrfchten und in
naturaliflifchen Blumenmuftern ihre einzige Aufgabe fanden, zu befeitigen. Giani’s
erlies Auftreten fiel in jene Periode, wo der bekannte Canonicus Dr. Pock die
reichhaltigen mittelalterlichen Originalmufter bekannt machte, und die kirchliche
Kunft, durch das Studium der Archäologie geläutert und durch das Eingreifen
talentvoller Fachmänner durchgebildet, in allen Zweigen ftiliftifch reformirt
wurde. Merkwürdiger Weife nahm der Clerus, zumeift der öfterreichifche, an
diefer Umftaltung wenig Antheil, fondern blieb bei den zopfigen Formen und den
grofsgeblumten Müllern, und bei den in Oel gemalten flatt gedickten Heiligen
figuren, lehnte vor Allem die Einführung der alten faltigen Schnitte ab, und
behielt mit Zähigkeit die hohen, zugefpitzten Infein, womöglich ganz aus Goldftoff
und dergl. mehr.
Unter folchen Verhältniffen und von den Hauptfadloren nicht unterllützt,
gehörte eine grofse Selbftverleugnung dazu, um trotzdem das als beffer Erkannte
durchzuführen. Theilweife wenigftens iH es auch gelungen, einzelne geillliche
Herren zu gewinnen, allein die grofse Menge bleibt noch immer bei der verzopf
ten, ausgearteten Richtung, wodurch es erklärlich wird, dafs neben eminent Gutem
auch aufserordentlich Schlechtes geleiftet wird. Die Ausheilung gab ein treues
Bild diefes Zuftandes.
Noch fchwieriger war es, der Kunftftickerei Eingang in den kirchlichen
Bedarf zu verfchaffen.
Diefe edle Kund, die im Mittelalter von hohen Frauen geübt wurde und
von der die burgundifchen Gewänder in der kaiferlichen Schatzkammer in Wien
ein fo bewunderungswürdiges Zeugnifs geben und im vollen Mafse als Nadel
malerei bezeichnet werden können, diefe edle Kund war ganz verfchollen oder
wurde ohne alles Verdändnifs in einer traurigen neuen Gedalt gehandhabt.
Porträte in Kreppdickerei, Landfchaften mit Trauerweiden und Schwänen
oder gedankenlofe Straminarbeit, mit naturalidifchen Tigern und Löwen, waren
allgemein beliebt und felbd kirchliche Gewänder wurden mit grofsen, grell-
färbigen, naturalidifchen Blumen von hohen Spenderinen auf Stramin ausgefüurt.
Neben den Seidendoffen nahm fich diefe Stickwoll-Arbeit höchd fonderbar und
banal aus, und nur ein verdorbener Gefchmack konnte eine folche Combination
für gut finden.
Freilich, die Flachdickerei erfordert Uebung, Gefchicklichkeit und gewifs
auch Talent, denn nur dann kann eine Farbenfkizze fo ausgeführt werden, dafs
diefelbe nach ihrer Wirkung den Entwurf weit übertrifft; die Flachdickerei id
eben darum auch eine Kund und keine mechanifche Arbeit.
Den Indudriellen, zumal Giani, der die Stickerei mit der Stoffweberei
als Ganzes verband, erwuchs übrigens in den letzten Jahren, als man diefs Alles
begreifen lernte und in die Indudrie einzuführen begann, ein gefährlicher