MAK

Volltext: Kirchliche Kunst (Gruppe XXIII), officieller Ausstellungs-Bericht

16 
Hans Petfchnig. 
leuchtern und Pultträgern gar nicht an der Ausfüllung kirchlicher Kundarbeiten 
betheiligt. 
Die Kirchenftoffe. 
Schliefslich bilden die kirchlichen Stoffe und S t i c k e r e i e n eine 
hervorragende Branche der kirchlichen Kunft. 
In erfler Linie fleht heute fchon Oefterreich und gebührt feit Jahren der 
Giani’fchen Kundandalt in Wien vor Allen das Verdiend, diefe gewerb 
liche Richtung wieder zu Ehren gebracht zu haben. 
Giani, einer der wenigen Indudriellen Oederreichs, welche ihr Fach 
nicht nur als gewinnbringendes Gefchäft betreiben, fondern auch Intereffe, Ver- 
fländnifs und Liebe für dasfelbe haben, wurde oft prämiirt und hat aller Orten, 
befonders im Auslande, Anerkennung gefunden. 
Vor Allem war er bedrebt, die verrotteten Arbeiten, die leider als letzte 
Ableger der Zopf- und Rococcoperiode die Branche lange beherrfchten und in 
naturaliflifchen Blumenmuftern ihre einzige Aufgabe fanden, zu befeitigen. Giani’s 
erlies Auftreten fiel in jene Periode, wo der bekannte Canonicus Dr. Pock die 
reichhaltigen mittelalterlichen Originalmufter bekannt machte, und die kirchliche 
Kunft, durch das Studium der Archäologie geläutert und durch das Eingreifen 
talentvoller Fachmänner durchgebildet, in allen Zweigen ftiliftifch reformirt 
wurde. Merkwürdiger Weife nahm der Clerus, zumeift der öfterreichifche, an 
diefer Umftaltung wenig Antheil, fondern blieb bei den zopfigen Formen und den 
grofsgeblumten Müllern, und bei den in Oel gemalten flatt gedickten Heiligen 
figuren, lehnte vor Allem die Einführung der alten faltigen Schnitte ab, und 
behielt mit Zähigkeit die hohen, zugefpitzten Infein, womöglich ganz aus Goldftoff 
und dergl. mehr. 
Unter folchen Verhältniffen und von den Hauptfadloren nicht unterllützt, 
gehörte eine grofse Selbftverleugnung dazu, um trotzdem das als beffer Erkannte 
durchzuführen. Theilweife wenigftens iH es auch gelungen, einzelne geillliche 
Herren zu gewinnen, allein die grofse Menge bleibt noch immer bei der verzopf 
ten, ausgearteten Richtung, wodurch es erklärlich wird, dafs neben eminent Gutem 
auch aufserordentlich Schlechtes geleiftet wird. Die Ausheilung gab ein treues 
Bild diefes Zuftandes. 
Noch fchwieriger war es, der Kunftftickerei Eingang in den kirchlichen 
Bedarf zu verfchaffen. 
Diefe edle Kund, die im Mittelalter von hohen Frauen geübt wurde und 
von der die burgundifchen Gewänder in der kaiferlichen Schatzkammer in Wien 
ein fo bewunderungswürdiges Zeugnifs geben und im vollen Mafse als Nadel 
malerei bezeichnet werden können, diefe edle Kund war ganz verfchollen oder 
wurde ohne alles Verdändnifs in einer traurigen neuen Gedalt gehandhabt. 
Porträte in Kreppdickerei, Landfchaften mit Trauerweiden und Schwänen 
oder gedankenlofe Straminarbeit, mit naturalidifchen Tigern und Löwen, waren 
allgemein beliebt und felbd kirchliche Gewänder wurden mit grofsen, grell- 
färbigen, naturalidifchen Blumen von hohen Spenderinen auf Stramin ausgefüurt. 
Neben den Seidendoffen nahm fich diefe Stickwoll-Arbeit höchd fonderbar und 
banal aus, und nur ein verdorbener Gefchmack konnte eine folche Combination 
für gut finden. 
Freilich, die Flachdickerei erfordert Uebung, Gefchicklichkeit und gewifs 
auch Talent, denn nur dann kann eine Farbenfkizze fo ausgeführt werden, dafs 
diefelbe nach ihrer Wirkung den Entwurf weit übertrifft; die Flachdickerei id 
eben darum auch eine Kund und keine mechanifche Arbeit. 
Den Indudriellen, zumal Giani, der die Stickerei mit der Stoffweberei 
als Ganzes verband, erwuchs übrigens in den letzten Jahren, als man diefs Alles 
begreifen lernte und in die Indudrie einzuführen begann, ein gefährlicher
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.