EINLEITUNG
ln der Glassammlung des Österreichischen
Museums für angewandte Kunst ist das Glas
der fünfziger Jahre mit Objekten aus Italien,
Skandinavien, Deutschland und Österreich
vertreten. Der vorliegende Katalog umfaßt
alle Gläser italienischer Provenienz; sie sind
vorwiegend als zeitgenössische Erwerbun
gen (Schenkungen und Ankäufe) anläßlich
von Ausstellungen in das Museum gelangt
und wurden durch einige wenige Neuerwer
bungen ergänzt.
Der Katalog ist in drei große Abschnitte ge
teilt: der erste Bereich umfaßt Gläser der
zwanziger Jahre, von denen manche heute
noch in Produktion sind, der zweite Ab
schnitt ist der eigentliche Katalogteil; ihm
folgt eine umfangreiche Dokumentation zeit
genössischer Abbildungen.
Als Geschenk der Firma Venini kamen im
Jahre 1927 zehn Gläser ins Museum (Abb. 1,
6-8, 10, 11, 14, 17, 20-22); sie wurden aller
dings erst 1931 nachträglich inventarisiert;
als Entwerfer ist generell Napoleone Marti-
nuzzi angegeben, doch ist nicht auszuschlie
ßen, daß sich darunter ältere Entwürfe der
Vorgängerfirma Cappellin-Venini befinden.
Eine zweite Gruppe von Gläsern, im Inventar
als „Venedig, um 1920“ bezeichnet, wurde
1940 nachträglich inventarisiert (Abb. 9, 12,
13, 15, 16, 23-26, 29, ein Luster ist nicht ab
gebildet); die Erwerbsumstände sind unbe
kannt, der einzige Hinweis auf ihre Prove
nienz ist das Firmenetikett von Venini auf
einer Flasche (Abb. 16 ); dies deutet auf eine
Entstehung nach 1925, da Venini und Cap-
pellin sich 1925 trennten und es erst ab die
sem Jahr die Firma Venini & G. gab.
Einer Widmung von Frau Maria Günter ver
danken wir zwei Gläser, die die Wiener Firma
Bimini entwarf und bei Venini ausführen ließ
(Abb. 27, 28).
Der Sammlungsbestand an Gläsern der fünf
ziger Jahre (vor allem Erzeugnisse der Mur-
aneser Firmen Venini, Seguso & Co., Archi-
mede Seguso, Barovier & Toso) beruht vor
wiegend auf zeitgenössischen Erwerbungen
(im Museumsarchiv erhaltene Dokumente -
Abb. 2-5 - beziehen sich auf Schenkungen
und Ankäufe) mit einigen Ergänzungen der
letzten Jahre (Kat. Nr. 1-4, 9, 14-18, 34, 38
44, 47, 49-53).
Als Bindeglied zwischen den Venini-Gläsern
der 20er Jahre und jenen der 50er Jahre ist
ein kleiner Aufsatz mit geätzter Oberfläche
(„vetro corroso“) anzusehen, erstmals auf
der Triennale Mailand 1933 ausgestellt und
wohl auch später noch erzeugt (Kat. Nr. 1);
die weiteren Venini-Gläser der Sammlung
umfassen eine grün-blau gestreifte Flasche,
eine besonders schöne Vase in „vetro pez-
zato“ (patchwork glass) (Kat. Nr. 6), eine
zart irisierende Schale mit malerischem De
kor (Kat. Nr. 7), Mosaikglas („vetro murrino“)
(Kat. Nr. 10), Streifen-, Faden- und Netzde-
kore („vetro latticino“, „filigrano“, „zanfirico“)
(Kat. Nr. 8, 11-16, 18, 19), ein „Taschentuch“
(„Fazzoletto“) aus Überfangglas (Kat.
Nr. 17). Eine eigene Gruppe bilden die „vetri
incisi“ (Kat. Nr. 20-26), ein- oder mehrfarbige
Gläser mit geschnittener Oberfläche von
matt-rauher Struktur.
Von klarer Schönheit sind die Gläser Flavio
Polis für Seguso: die muschelförmige
„Valva“ (Kat. Nr. 27), eine monumentale
Schale (Kat. Nr. 28) und andere Überfangglä
ser (Kat. Nr. 29, 31, 32, 34, 35, 38), der blaue
„Mondfisch“ (Kat. Nr. 33) mit zartrosa Rand
zonen, die dunkle Vase von blau-schwarzer
Farbigkeit und streng geschlossener Silhou
ette (Kat. Nr. 37) und zwei groteske Zwerge
aus grünem Glas mit geätzter, leicht irisie
render Oberfläche (Kat. Nr. 39, 40).
Mit drei sehr unterschiedlichen Gläsern ist
Archimede Seguso vertreten: einer Schale
mit weißen Federn („con piume bianche“,
Kat. Nr. 41), einer Schale mit spiralig geführ
ten amethystfarbenen und weißen Streifen
(„centro fasce ametista bianco“, Kat. Nr. 42)
und eine Vase mit unregelmäßigem Fadende
kor („Vaso nastro ametista fili bianchi“,
Kat. Nr. 43).
Barovier & Toso sind vor allem durch Expo
nate mit rechtwinklig aufeinandertreffenden
Flächen vertreten („vetro_ parabolico“,
Kat. Nr. 46); ihre Struktur erhält eine Schale
durch eingeschlossene Luftblasen unter
schiedlicher Größe (Kat. Nr. 48), ein kleines
geripptes. Schälchen mit Goldeinschlüssen
(Kat. Nr. 49) leitet zu einem Glas (Kat. Nr. 50)
über, das in seiner fröhlichen Buntheit jener
Farbigkeit ähnelt, die die Entwürfe von Dino
Martens für Aureliano Toso auszeichnet.
Massives Glas mit kreisförmigen Durchbrü
chen charakterisiert zwei in ihrer Provenienz
noch nicht gänzlich gesicherten Gläser
(Kat. Nr. 51, 52), während der Glas-Metallvo
gel mit Millefiori-Augen (Kat. Nr. 53) wohl Vi-
stosi zugeschrieben werden kann.
Dieser Bestand an italienischem Glas der
fünfziger Jahre, der einen Anspruch auf Voll
ständigkeit weder erheben kann noch will,
erhält seine besondere Bedeutung aus der
Tatsache der zeitgenössischen Erwerbung
und der damit gesicherten Provenienz und
Datierung - angesichts mancher fehlender
Archive (bekanntlich wurde das Venini-Fir-
menarchiv durch Feuer vernichtet) ein un
schätzbarer Vorzug.
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