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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 2

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von Värad schon früh zu so großem Ansehen, daß um ihren Besitz sich meist Persönlich 
keiten bewarben, die mit ihrer geistigen Überlegenheit auch den Glanz der Geburt, des 
geschichtlichen Namens und des Vermögens verbanden. 
Die durch Ladislaus den Heiligen erbaute Domkirche erschien bereits nach dem 
ersten Jahrhundert ihres Bestandes weder glänzend, noch groß genug. Da wurde sie 
denn zuerst vergrößert, dann im XIV. Jahrhundert erneuert im edelsten Baustil der 
Zeit, spitzbogig und mit einem Kapellenkranz umgeben, welche Anordnung auch im Aus 
lande selten war. Ihre Wände wurden mit Fresken bedeckt, ihr Jnnenraum mit herrlich 
geschnitzten gothischen Altären besetzt. Daneben wurde für eine kirchliche Ausstattung 
(mit Kelchen, Monstranzen, Paramenten u. s. w.) gesorgt, deren Reichthum und Kunst 
geschmack auch heutigentags Bewunderung erregt; wir nennen darunter das bekannte 
Reliquiar in Gestalt der Büste Ladislaus des Heiligen und das riesige Antiphonale, 
welche beide von Groß-Wardein nach Raab gelangt sind, wo sie sich noch jetzt befinden. 
Vor der Kathedrale aber wurden die ehernen Statuen der ungarischen Nationalheiligen, 
der Könige Stefan, Emerich und Ladislaus aufgestellt und nachher das Meisterwerk 
der heimischen Kunst, das Reiterstandbild Ladislaus des Heiligen von dem nämlichen 
Meister, der die noch jetzt vorhandene Statue St. Georgs in Prag geschaffen hat. Fassen 
wir alles das zusammen und nehmen wir dazu die in der Kirche befindlichen Grabdenkmäler 
von Königen und Erzpriestern, reich an Marmor, schimmernden Säulen und Reliefs, 
deren Pracht von Dichtern und Chronisten gepriesen wird, so müssen wir dem Kunst 
forscher Jpolyi Recht geben, der zuerst darauf hinwies, daß die Kirche Ladislaus des 
Heiligen zu Värad das Pantheon, die Westminsterabtei der Könige und Helden, der 
Bischöfe und Staatsmänner Ungarns war. 
Aber auch der Rahmen, der die Kirche umfaßte, war ihrer würdig. Zu jener Zeit 
als die Kirchen den einzigen Mittelpunkt des geistigen und sittlichen Lebens bildeten, 
hing der Ruhm der Städte von der Anzahl der Kirchen und kirchlichen Korporationen ab. 
Auch in Värad standen neben der Kathedralkirche noch drei Collegiatkirchen, von den 
Mönchsorden aber waren da vertreten die Prämonstratenser, Augustiner, Franciscaner, 
Dominikaner und die Clarissinnen, dann außerhalb der Stadt au zwei Orten die 
Pauliner, welche überall Spuren ihrer ungarischen Nationalität hinterließen, in ihrem 
römischen Kloster nicht minder als zu Czenstochau in Russisch-Polen. 
Die Domkapitel waren ehemals beglaubigte Orte (loerm eraäibilis) und ihre 
Mitglieder, wie jetzt die Notare, waren die Vollzieher der Rechtspflege. Richterliche 
Urtheile, Citationen, Einvernehmungen, Besitztheilungen, Grenzbegehungen, Installationen, 
Testamente u. s. w. waren ohne sie nicht möglich. Ueberdies lehrten sie in der Kapitelschule, 
deren Lehrplan wir schon aus dem XIV. Jahrhundert kennen und in der auch Erzbischof
	        
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