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Während der siebenjährigen Belagerung gingen auch die wenigen Gebäude zu
Grunde, die nach der Vertreibung der Türken entstanden waren. Es galt die Arbeit des
Wiederaufbaues von Varad ganz neu zu beginnen. Die Hauptschwierigkeit war dabei die
fast vollständige Entvölkerung sowohl der Stadt, als auch ihrer Umgebung. „Außer der
Gegend von Belenyes", schreibt dein Bischof Grafen Emerich Csaky sein Hofrichter,
„besitzen Ew. Excellenz nicht mehr als 5 bis 6 Dörfer, in denen Menschen wohnen".
Einen peinlichen Eindruck macht die Conscription der Värader Gegend aus jener Zeit; nach
den Namen der Gemeinden liest man fast überall die Bemerkung: „Verbrannt, verlassen".
Selbst noch im Jahre 1720 weist die Stadt nicht mehr als 216 Bürger auf und der
gesammte Jahresertrag der Märkte, Wirthshäuser und Fleischbänke betrügt 200 Gulden.
Besser gedieh die Neugestaltung der Stadt unter dem Bischof Grafen Paul Forgäch,
der den Grund zu dem jetzigen Dom und bischöflichen Palast, sowie zu der sogenannten
„Kapitelzeile" (Luptnlamsor) legte (1752), und zwar ebenso kühn als genial, außerhalb der
Stadt auf stattlicher, geräumiger Höhe. Ihm schlossen sich zum edlen Werke die Mitglieder
des Kapitels an und brachten der Zukunft der Stadt bedeutende Opfer. Georg Gyöngyösy,
aus der Familie Stefans des Dichters, stiftete ein Krankenhaus unter Leitung der
Barmherzigen; Stefan Szenczy baute den Ursulinerinnen ein Kloster und eröffnete
darin eine Mädchenschule; Josef Salamon von Csik-Rakos errichtete ein Waisenhaus,
Johann Alapy ein Convict. Auch von den Mönchsorden begannen die Prämonstratenser,
Pauliner, Franciscaner, Jesuiten, Kapuziner den Bau neuer Klöster, Kirchen und Schulen,
aber nicht an den Stätten der früheren, von denen meistens nicht die geringste Spur vor
handen geblieben war. Nach und nach begann das Leben in die Adern der ausgestorbenen
Stadt zurückzukehren. Die ehemals weltberühmten Varader Jahrmärkte, deren jeder zwei
Wochen dauerte und die Kaufleute von Kronstadt mit den Besitzern der Gömörer Eisen
hämmer und den Modewaarenhändlern von Pest und Preßbnrg zusammenführte, lebten
wieder auf. Auch das Comitatsleben kam wieder in Gang. Die Comitatsversammlungen,
welche vor der Türkenherrschaft bald an diesem, bald an jenem Orte, und meist unter
freiem Himmel, auf den Besitzungen der Ober- und Vieegespäne abgehalten wurden,
fanden jetzt zu Varad statt. Alles dies zog auch die Familien der Comitatswürdenträger und
der ringsum ansässigen edlen Herren nach Varad, wo sie die Annehmlichkeiten des Stadt
lebens verkosteten und nun anfangs wenigstens den Winter in Groß-Wardein verbrachten,
später aber sich ständig dort niederließen. Noch jetzt erkennt man sofort die in französischen:
Geschmack errichteten, mit Doppeldächern gekrönten Herrenhäuser, welche sie sich damals,
namentlich in Olaszi, bauen ließen.
Neue Gassen und Stadttheile entstanden, neue Schulen und Anstalten wurden
errichtet. Auch das griechisch-katholische Bisthum wurde (1777) gestiftet und erhielt seinen