MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 2

76 
mit dem des Beistandes, einen eigenen verheirateten Mann, der im Labyrinthe der 
Ceremonien gut Bescheid weiß, eine Menge gereimter Sprüche, Scherze, lustiger Streiche 
und dergleichen zur Verfügung hat und überhaupt ein Mensch von lebhaftem Geiste und 
gefälligen Blanieren ist. Ehe der Hochzeitsbitter an seine Einladungen geht, erscheint er 
im Brauthause mit einem langen geraden Stab in der Hand, den die Braut mit einem 
ivthen Apfel und einem Rosmarinstengel schmückt, worauf sie an den Griff desselben noch 
ein buntes Leinen- oder Seidentüchlein bindet. So ansgestattet macht nun der Hochzeits 
bitter die gründe bei den einznladenden Familien, wo er in folgenden Ausdrücken seines 
Amtes waltet: 
„Gebe Gott einen glücklichen guten Tag Euch Allen insgesammt! Ich bitte um Ent 
schuldigung von wegen meines dreisten Eintretens. Durch mich lassen Euch Herr und Frau 
R. R. grüßen und entbieten, daß es Euch nicht beschweren möge, bei der Hochzeit ihres 
Sohnes N. N. mit der ehrsamen Jungfrau N. N., Tochter des Herrn N. N., und zwar 
zuerst in der Kirche bei Ablegung des Gelöbnisses, hernach aber in ihrem ehrenwerthen 
Hause znm ehrbaren Genuß einer oder zweier Schüsseln Speise und eines oder zweier 
Gläser Weines zu erscheinen. Eßzeug - Messer, Löffel, Gabel - möchtet Ihr mitbringen. 
Gott segne Euch!" 
Die Eingeladenen danken für die Ehre und sagen zu. Der Hausherr wartet dem 
Boten mit einem Glase Wein ans, die Tochter aber bindet ein Tuch oder wenigstens ein 
farbiges Band an seinen Stab, der denn auch, während der Hochzeitsbitter seinen Rund 
gang beendet, mit Büchern und Bändern ganz beladen, einein in voller Blüte stehenden 
Fliederbusch immer ähnlicher wird. Die Hochzeitsbitter von Fach betreiben dieses Amt 
nur bis zu einem gewissen Alter; in der Regel feiern sie bei ihrer dreihundertsten Hochzeit 
ein vUibiläum und rücken dann in die Stellung eines Beistandes vor. 
Das Tuch spielt bei jedem feierlichen Anlaß des ungarischen Volkslebens unter den 
Geschenken und Gebrauchstücken der Ceremonien eine hervorragende Rolle. Hochzeitsbitter, 
Beistand, Br äntigam, Alle bekommen sie Tücher, das Hochzeitsvölkchen bindet seinen Pferden 
Lücher an die Zäume, die Täuflinge werden von ihren Pathinnen mit Tüchern reich 
beschenkt, ja selbst dem Geistlichen pflegt man an manchen Orten ein Tuch zu verehren. 
Es gibt Gegenden, wo es nicht Sitte ist, daß Bursche und Mädchen, besonders 
letztere, an einer Hochzeit theilnehmen; meistens aber dürfen sie dies nicht nur thun und 
thun e» auch wirklich, sondern sie haben auch das Recht, nach vorhergegangener Anmeldung 
ihrerseits ihren Geliebten, beziehungsweise Geliebte, die ja als ihre Verlobten gelten 
können, eigens einzuladen, die dann auch ohne weiters erscheinen, aber nur um zu tanzen; 
Essen und Trinken nehmen sie unter keiner Bedingung an und benehmen sich überhaupt 
sehr sittsam.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.