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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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In manchen kleinen Dörfern gibt es „Wolken-Glvcken", welche auf dazu bestimmten 
Pfählen angebracht sind, und Läuter, welche von der Gemeinde erhalten werden. Diese 
Glöckchen haben die Macht, Wetterstürme zu vertreiben und den Hagel von dem Dorfe, 
ja sogar bis zu einer gewissen Grenze von Nachbardörfern, abzuwenden. Der Läuter 
muß sehr gut Acht haben, daß zur rechten Zeit angeschlagen werde, sonst kann die Wolke 
„über die Grenze" und das Läuten wäre ganz nutzlos. Die Planetiden sind sowohl auf diese 
Glöckchen, als auch auf ihre Lauter sehr böse. Oft ist es vorgekommen, daß der Planetide 
dem Läuter das Seil aus der Hand gerissen und gerufen hat: „Laß aus, laß aus!" Ein 
solches „Wolken-Glöcklein" einzuweihen ist eine sehr schwere Sache. Der Priester, welcher 
diese Handlung vollbringen wollte, müßte neun Tage und Nächte unausgesetzt mit sehr 
„schweren" Gebeten und Beschwörungen zubringen, und während dieser ganzen Zeit 
dürfte er weder ein Auge schließen, noch Speise und Trank zu sich nehmen. 
Interessant sind auch die Vorstellungen von den Wechselbeziehungen zwischen Thier 
Lind Mensch. Die Katze z. B. hütet nur bis zu ihrem siebenten Lebensjahre das Haus 
ihres Herrn; später treibt sie sich in verschiedenen Häusern, ja sogar in verschiedenen 
Dörfern herum, und bei Nacht geht sie an verödete Orte und tanzt dort mit den Teufeln. 
Der Storch beschützt das Gehege, in welchem er nistet, vor Feuer und Blitzschlag; darum 
soll inan ihm auch nicht einen Possen spielen, etwa sein Nest zerstören oder seine Jungen 
tvdten, sonst rächt er sich; er bringt im Schnabel einen Feuerbrand herbei und steckt 
die Gebäude in Brand. 
Unter der Weltregierung „Gottes des Vaters" waren die Menschen Riesen gewesen. 
Zu einem Peitschenstecken brauchte der Bauer damals eine Fichte, wie sie heute sind, und 
zur Peitsche drehte er hundert Bündel Hans. Als unter der Regierung „Gottes des Sohnes" 
die heutigen Menschen auszutauchen begannen, so wunderten sich die anderen ungeheuer 
darüber. Einer von ihnen nahm einen heutigen Pflüger in den Finger seines Handschuhs, 
um ihn daheim seiner Gattin zu zeigen und das sammt dem Pfluge, der Egge, dem 
Wagen, dem Treiber und einem Paar Pferden. Nach der Herrschaft „Gottes des Sohnes" 
kommt dav Reich „des heiligen Geistes", dann aber werden so kleine Menschen auf die 
Welt kommen, daß sie in unseren Ösen dreschen werden. 
Feste und Bräuche. — Den christlichen Festkalender eröffnet das Weihnachtsfest. 
4er -rag vor dem ersten Weihnachtsfeiertage, „Wilia" (von Vigilie) genannt, ist für 
alle Schichten der Polnischen Gesellschaft ein sehr festlicher, für das Volk aber noch 
überdies voll geheimnißvoller Bräuche. Der Culminationspunkt des Festes ist die 
^asteumahlzeit, welche man im Familienkreise in weihevoller Stimmung um die Dämmer 
stunde einnimmt, und zwar ebenso der Magnat in seinem Palaste, wie der Landmann 
unter seinem Strohdachs. Bis dahin bringen die Landleute den Tag „trocken" zu,
	        
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