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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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sich mit Thränen füllt, auch dann, wenn der Gedanke unter schweren Kümmernissen Trost 
und Hilfe im Himmel sucht. Die Melancholie ist hier ein seltener, fast nie gekannter Gast. 
So wie das Volk selbst mit der Natur eng verbunden und für ihre Erscheinungen 
empfänglich ist, so geht auch in seinen Liedern gewöhnlich irgend ein der Natur entlehntes 
Bildchen vor, worauf der Gedanke folgt, den der Sänger auszudrücken wünscht; auf diese 
Art entstehen oft wahre Perlen von Gedanken, Empfindungen, Scherz, Muthwillen, Sathre 
in der goldenen Fassung einer anmnthigen Form: 
„Die Weichsel fließt und fließet, läßt hinter sich kein Zeichen, 
Und ein artig Mädchen schilt nicht ans Ihresgleichen. 
„Die Weichsel fließt und fließet, und braust über's Gestein, 
Und wer nicht fleißig schasst, der heimset Armut ein." 
„Pferdchen trink' kein Wasser, denn trüb ist's Wässerlein, 
Du trau ja keinem Burschen, sonst wirst betrogen sein." 
„Es rauscht der Wald, es rauscht der Wald, es rauscht das Zweigelein; 
Ich seh' ihn nicht, ich hör' ihn nicht, den Allerliebsten mein." 
„Wo es hell sollt' werden, hat sich's schwarz umzogen, 
Schon ist unsre Liebe mit dem Wind verflogen; 
Mit dem Wind verflogen, mit dem Fluß verronnen, 
Als wär' diese Lieb' nie in die Welt gekommen." 
„Einer Stalowianka ist es schlimm ergangen, 
Denn ihr ist ans Liebe das Herz entzwei gegangen, 
Wollt' ihr's Herzlein flicken ein Drähtlcr wohlgeübt, 
Kaum hat er begonnen — ist er schon verliebt." 
„Bin ich erst ein Pfarrer, viel ich kopulir'. 
Welches Mädel schön ist, das behalt ich mir." 
„Wüßtet Ihr's, Ihr Mädel, wüßtet Ihr es nur, 
Was ein alter Bursch ist für 'ne Creatur! 
Soll er Feuer machen: brennt den Bart er an, 
Soll er Wasser holen: hinken wird er dann." 
„Geht hinauf, ihr Schäfchen, Böck' bleibt unten fein; 
Von Rudow die Bursche haben krumme Bein'. 
Denn sie gehn zum Tanze, wie vom Bock das Horn, 
Hinten krumme Füße und der Bauch steht vorn." 
Und der Inhalt dieser „Lied'ln"? Er ist offenbar so mannigfaltig als das Leben. 
Das Liedl ist wie ein reiner Wasserspiegel, in welchem der Landmann seine Gestalt, seine 
Seele, alle seine Freuden und Leiden, seine Mühen und Sorgen erblickt, alles was er liebt 
oder nicht liebt, alles was er erhofft und begehrt und was er vermeiden möchte.
	        
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