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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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Volkssitten und Bräuche. — Das ruthenische Volk hat neben seiner Sprache und 
Nationaltracht auch seine Sitten und Bräuche im Großen und Ganzen bis auf den heutigen 
Tag bewahrt, von denen viele auf religiöse und mythische Anschauungen einer vorgeschicht 
lichen Zeit zurückweisen und zugleich als Beweis dienen können, mit welcher Anhänglichkeit 
und Zähigkeit der Ruthene an dem Althergebrachten und von seinen Vätern Überlieferten 
zu halten pflegt. Der Einfluß des Christenthums, das eifrige Bestreben der ruthenischen 
Geistlichkeit, die heidnische Überlieferung entweder ganz zu beseitigen oder mit der christlichen 
Lehre in Einklang zu bringen, hat zwar in den althergebrachten Volkssitten und Bräuchen 
Manches geändert, Vieles ist der Vergessenheit zum Opfer gefallen; allein immerhin 
treffen wir viele Sitten und Bräuche, welche wir als werthvolle Überreste der alten 
Volksmythologie begrüßen können, obwohl die christliche Kirche denselben ihren Stempel 
anfgedrückt oder dieselben zum Theile christianisirt hat. 
Vor Allem wollen wir die häuslichen Sitten und Bräuche schildern. 
Naht die schwere Stunde für die Wöchnerin heran, so wird die Wehmutter herbei 
geholt, welche gewöhnlich mit einem Laib Brod in das Haus kommt und beim Eintritte 
ein Gebet verrichtet. Hierauf wird die Wöchnerin, welche unterdessen Alles aufgeräumt 
und in der Stube in Ordnung gebracht hat, dreimal rings um den Tisch geführt und 
mit geweihten Kräutern beräuchert. Kommt das Kind zur Welt, so begibt sich der Vater 
desselben in das Dorf, um Taufpathen (irumFh einzuladen, bei ärmeren Bauern ein Paar, 
bei wohlhabenderen dagegen zwei oder mehr. Über dem Bett der Wöchnerin wird an der 
Holzstange aus einem Leintuch ein Vorhang gezogen. Die Nachbarinnen und Verwandten 
kommen zu Besuch und jede von ihnen bringt ein Geschenk für die Wöchnerin, wofür sie 
dieselben gewöhnlich mit Branntwein (irosmäta) bewirthet. Die Pathen werden ebenfalls 
mit Branntwein bewirthet und begeben sich sodann zur Taufe (adrastM^). Der Vater 
bringt dem Geistlichen in der Regel ein Huhn und zwei Laib Brod, die Wehmutter trägt 
das Kind und jedes Pathenpaar hält ein etwa meterlanges Stück Leinwand (ür/Lmo), 
worauf das Kind bei der Taufe gelegt wird. Die Taufe wird so schnell als möglich 
vorgenommen, um das Kind vor der Übermacht des bösen Geistes (ckicküo) zu schützen. 
Nach dem Volksglauben kommt es nämlich vor, daß das Kind vom Teufel gestohlen und 
gegen ein anderes (wiäminu) eingetauscht wird. Um dies zu verhüten, brennt an dem 
Bett der Wöchnerin, bei welcher auch das Kind liegt, eine Kerze (in der Regel eine 
dreiarmige trijeiu) von der Geburt des Kindes bis zur Taufe. 
Aus der Kirche zurückgekehrt, übergeben die Gevattersleute das Kind der Wehmutter 
mit den Worten: „Ihr habt uns das Kind geboren gegeben, wir bringen es getauft 
zurück", und wünschen dabei den Eltern des Kindes Glück. Abends versammeln sich 
die Gäste, die Weiber mit allerlei Nahrungsmitteln, die Männer dagegen mit Brod,
	        
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