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Am Tanzboden bringt der Bursch seine Verhöhnung in Spottliedern zum Ausdrucke,
um sich an einem Mädchen oder an seinem Nebenbuhler zu rächen.
Aber auch bei der „iriuleg/ oder „kolokm", das ist bei jenen geselligen Zusammen
künften zur gemeinsamen Aushilfe bei der Feldarbeit, welche die Ruthenen einander an den
„kleineren" Feiertagen unentgeltlich leisten, wird am Abende getanzt und gesungen. So
beim Haindeln des Maises:
„Kukuruz ist uicht gehamdclt, Kukuruz ist grüne,
Nach dem Liebsten härme mich, bin rasend, nicht bei Sinne.
Kukuruz ist ansgehaindelt, hoch hinaufgeschossen,
Nach dem Liebsten härme mich, Hab' ihn in's Herz geschlossen.
Traue, Maid, dem Burschen nicht, wie jenem tücken Hunde,
Raubt er sonst den Kranz Dir schnell und schlägt Dir Herzenswundc.
Beißt ein tücker Hund auch Dich, kannst Du die Wunde heilen,
Doch wenn Liebster Dich verräth, wird Schmach Dich nur ereilen."
Beim Schälen des Maises:
„Überschwemmt der Fluß den Hain, so schwimmen Busch und Zweige,
Sich, das Schälen dieses Maises geht schon bald zur Steige.
Nicht allhier, nur dort im Haine sieht man Raute blühen,
Laßt uns alle bald von hier nach Hanse hurtig ziehen.
Laßt uns bald nach Hause ziehen alle schnell und hurtig,
Denn daheim erwartet man uns gar so ungeduldig.
Denn daheini späht man nach uns bei Nachbarn ganz beklommen:
„„Kinder sind zum Tanz geeilt und sind nicht wiederkommen.""
Ähnlich unterhält sich die erwachsene Dorfjugend auch in den Spinnstuben (rm
rveermrnzmucü), welche gewöhnlich bei Witwen eingerichtet werden, die heiratsfähige
Töchter haben. Hier spinnen die Mädchen fleißig, während die Burschen ihre Spässe
treiben, singen, Märchen und Sagen erzählen und Räthsel aufgeben.
Die Zahl der Volkslieder ist sehr groß. Die Bukowiner Ruthenen fingen überall
und bei jeder Gelegenheit: an der Wiege, beim Taufmahle, am Tanzboden, bei der
Hochzeit, im Felde bei der Arbeit, daheim und in der Fremde, in guten und in schlechten
Tagen; Freud und Leid bringen sie in Liedern zum Ausdrucke.
Liebesleben, Orakel. Bei diesen und ähnlichen Liedern und Zusammenkünften
erglühen oft die Herzen für einander und es beginnt die Liebe mit süßem Zauber den
Burschen und das Mädchen zu umweben. Doch selten nur geschieht es, daß wahre Liebe
unter den ruthenischen Landleuten den Bund für das Leben schließt. Unser Landmann,
welcher von Feldwirthschaft und Viehzucht lebt, sucht (besonders der reichere) für seine
heiratsfähige Tochter einen gut situirten Brüutigani zu erwerben. So kommt es denn,