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Das Kunsfgewerbe;
Auch der Charakfer des indischen Kunstgewerbes ist durch das
Klima bestimmt, welches während des gröfjten Teils des Jahres
Sitzen und Liegen auf dem Boden begünstigt: Betten sehr leichter
Konstruktion (ein paar Stangen und Gurten), Sessel und Throne
(als fürstliches Vorrecht), kleine Taburetts, Koffer (oft aus Metall);
sie waren oft mit Edelmetall und Steinen oder reichgeschnifztem
Elfenbein belegt. An Messing- (aber auch Eisen-) Gegenständen
sind vor allem Dllampen (ott in der Gestalt eines Mädchens:
Dipalakshmi), Schmuck- und Schminkdosen, Parfümflaschen,
Schreibzeuge, Wasserpfeifen, Geschirr üblich. Silber und Gold
sind für Schmuck, aber auch für getriebene Tempel-, Grab- und
Palasttüren in ungeheuren Mengen verwendet worden, doch ist
wenig aus alter Zeit erhalten. Für Schwerter wurden off arabische
und europäische (auch viel deutsche) Klingen vorgezogen, der
Gritf bestand aus mit Silber eingelegtem Stahl, Walroljhorn, Jade
oder Kristall. Eine charakteristische Dolchsorte (Kattar) hat einen
H-förmigen Bügelgriff. Kanonen und Gewehre (obwohl schon
im 14. Jahrhundert bekannt) kamen erst seit dem 16. Jahrhundert
in allgemeinen Gebrauch, meist sehr lange Vorderlader mit
Gabelstützen. Ring- und Plattenpanzer waren schon seit den
Skytheneintällen bekannt, wurden aber wegen der Hitze nur
zur Schlacht selber angelegt und wurden erst in mohammeda
nischer Zeit allgemeiner; die Plattenpanzer bestehen meist nur
aus vier einfachen, aber off schön niellierten Bruststücken (char-
aina). Schilde waren aus Flufjpferdleder oder Metall, oft reich
graviert oder lackiert, jedoch nie mit Wappen. Einfaches Ton
geschirr war seit ältesten Zeiten üblich, oft reich bemalt. Gla
sierte Töpfereien und auch Porzellan, aus China, Persien und
schliefjlich Europa eingeführt, waren fast nur bei den Mo
hammedanern üblich; sie wurden von den Hindus aber aus
rituellen Gründen abgelehnt, wenn diese auch glasierte Wand
kacheln und Ziervasen gelegenflich zuliefjen. Am besten ist das
indische Kunstgewerbe in der Texfilkunst: Lungis, Odhnis, Do-
paffas, Saris, Kamerbands usw., in einem Stück kunstvoll um den
ganzen Körper, die Hüften, die Schultern, den Kopf (Turban =
pagri) gewunden, durchsichtig wie Spinnengewebe oder schwer,
mit Silber- und Goldfäden durchwoben, manchmal sogar mit
Steinen besetzt. Daneben Bettdecken, Hochzeitsdeckchen usw.,
ott reich gestickt (phulkari, kasida-Arbeit), Web- und Knüpf
teppiche (von Mohammedanern eingeführl). Genähte Kleider meist
bei Männern der oberen Klassen und allen Mohammedanern.
Künstlerische Entwicklung:
Manche Leute betrachten Sand, andere die Gupta-Periode, an
dere das Hindu-Mittelalfer, andere wiederum die Mogul-Zeit
als das klassische Zeitalter indischer Kunst. In Wirklichkeit gab
es eine ständige Entwicklung, in Theorie nicht selten tradifions-
gebunden, jedoch immer Neues, Einmaliges hervorbringend. So
gar das Hochmitlelalter macht davon keine Ausnahme; wenn
auch seine Formen und Typen festlagen, so arbeitete es sie in
immer neuen Kombinationen reicher und reicher aus, bis schließ
lich dieser Reichtum den Charakter der Kunst in neue Richtungen
abbog.
Die Indus-Kultur begann mit dem noch recht ländlichen Lebens
stil, der sogenannten ,Amri-Kulfur', entwickelte sich zu Welt
städten und verkümmerte schließlich, in die Verteidigung gegen
die besser bewaffneten arischen Eroberer gedrängt. Ihre Bildnerei
(Kat. 1—12; 42—53), nur aus kleinen Werken bekannt, verrät ein
viel mehr als im gleichzeitigen Alten Orient entwickeltes plasti
sches Gefühl. Ober ihre Stilgeschichfe wissen wir vorerst herz
lich wenig.
Die früharische Zeit, uns nur aus literarischen Quellen bekannt,
war eine altertümliche, magiegetränkte Bauern-, später auch
Adelskultur gewesen. Die frühesten Steindenkmäler aus der Zeit
der Maurya-Kaiser (4. bis 2. Jahrhundert v. Chr.) stehen augen
scheinlich unter dem Einfluß der spätachämenidisch-persischen
und, in gewissem Maße, auch der frühhellenistischen Kunst (Lö-
wenkapitäl von Sarnath, griechische Palmette, Terrakotten); je
doch ist die Verarbeitung dieser Fremdeinflüsse sehr selbständig
und paßt sich der einheimischen Tradition an, welche vor allem
in den Yaksha-Statuen bald die Oberhand gewann. Mit Aus
nahme der Löwenfiguren sind alle Bildwerke aus Ashokas Zeit
durchaus indisch in ihrem Empfinden. Die sehr lebendigen Terra
kotten (Kat. 54—63) zeigen eine oft noch höchst barbarische
Volkskulfur mit phantastischen Kopftrachten. Unter den Sunga-,
Kanva- und Satavahana-Kaisern wurde diese Volkskunst allein
maßgeblich. Die Holzbauten haben komplizierte, wenn auch
plumpe Formen, die Skulptur hat sich zu Bharhut (Kat. 64 bis 73)
noch nicht aus dem Block gelöst, hat weder Rundung noch freie
Köpfe, Arme und Beine, der Ausdruck ist dumpf bäuerlich
magisch. In den Reliefs von Sanci (Kat. 75 bis 81) ist die Frei
heit errungen. Obwohl der Holzstil nachgeahmt bleibt, isf er
leicht und elegant, auch im Stein, die Figuren bewegen sich
leicht, die Welt ist ein Wunder voller neuer Entdeckungen. Zu