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ZWEITERTEIL 
7 Wien, Kitzbühel, New York machen Bekanntschaft 
Dr. Rollo May, New York; ,,lm Sommer 1932 traf 
ich zum erstenmal Joseph Binder in seinem 
Studio. Sein animierter Blick und sein freundiich 
gewinnendes Wesen zogen mich an. Ich war für 
den Sommer Mitglied der ,International School 
of Art', und wir kamen, um die Arbeiten Joseph 
Binders zu besichtigen. ,The hope of European 
design', stellte die Leiterin der Schule, Elma 
Pratt, ihn vor. 
Im Sommer 1933 bemerkte Joseph zu mir, ich 
solle meine Zeit fruchtbarer anwenden. Das war 
in Wirklichkeit die Stimme, welche die Veranlas 
sung zu meiner Rückkehr nach Amerika gab. 
Später in diesem Sommer kreuzten wir gemein 
sam den Atlantischen Ozean auf dem Schiff 
.Europa'. Das war der Beginn einer Freund 
schaft, welche beinahe vierzig Jahre dauerte. 
Joseph und seine Frau Carla besuchten uns in 
Nantucket und in New Hampshire. 
Mein Eindruck von Joseph: er war geschmeidig 
wie Marmor, anpassungsfähig an der Oberfläche, 
aber unbesiegbar stark unterhalb. Er hatte sogar 
den feinen Abglanz von Marmor. 
Was er in den Kursen der dreißiger Jahre vor 
trug, war meiner Erinnerung nach in der Haupt 
sache die .Grundform'. Er bestand darauf, nicht 
nur die Oberfläche einer Form zu malen und zu 
zeichnen, sondern auch die Form unterhalb der 
Oberfläche, die Form in welcher der .Grund' oder 
die Basis sich reflektiert. In anderen Worten, wir 
sollten das zeichnen, was die Natur zu dem 
macht, was sie vorstellt." 
Joseph Binder: 1933 wurde ich von der Inter 
national School of Art aufgefordert, einen Kurs 
in Wien für eine Gruppe junger Gebrauchsgra 
phiker, Lehrer und Künstler abzuhalten. Die 
Schule war auf Kurse über Volkskunst speziali 
siert, so lag mein Kurs außerhalb des Schul 
programms. Da für die Zeit dieses ersten Ver 
suches der Sommer bestimmt worden war, hat 
ten meine Frau und ich das größte Interesse, ihn 
nicht in Wien abzuhalten, und es wurden Arran 
gements gemacht, das Schloß Lamprecht in 
Kitzbühel für die Gruppe des Kurses zu wählen. 
Wir hatten Glück mit dem Wetter. Modelle in 
Tiroler Tracht saßen für uns im Schloßgarten. 
Ein Ausfiug auf den Hahnenkamm hoch über 
Kitzbühel; die Passions-Spiele im nahen Erl. Die 
Schauspieler mußten ihre Bärte über den Winter 
wachsen lassen als Vorbereitung zur Sommer- 
Spielsaison. Kenney aus Cleveland zwängte sich 
in eine Rüstung aus dem Vestibüi des Schiosses, 
aus der er nur mit einigen Schwierigkeiten her 
auskommen konnte. Eine große Enttäuschung, 
„Dukatenbuchteln“, der Stolz der Schloßköchin, 
wurden an Stelle von Icecream serviert. Für die 
Rückkehr nach Wien war die szenenreiche Route 
Salzburg, Salzkammergut-Seen, Linz gewählt 
worden. Mit dem Donaudampfer, vorbei an den 
historischen Ufern der Wachau, kehrten wir nach 
Wien zurück. Was ich zu sagen hatte, war offen 
bar erfolgreich, da man mich einlud, anschlie 
ßend einen Sommerkurs in Amerika zu halten. 
Ich hatte nur zwei Wochen Zeit für meine Reise-
	        
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