EINLEITUNG
SAKRALE BRONZEGERÄTE
Die ältesten Denkmäler der chinesischen Kultur sind Bronzegefäße, die für Opfer-
zeremonfen verwendet und wie Heiligtümer aufbewahrt wurden. Frucht-, Getreide-, Wein-,
Tier- und Räucheropfer wurden darin dem Himmelsgott und den Ahnen dargebracht. Sie
wurden als Symbole der Fruchtbarkeit der Erde und als deren Darbringer an die höchste
Gottheit heilig gehalten und dementsprechend verziert. Die ältesten Gefäße dieser Art
sind sagenhaft und sollen, neun an Zahl, auf Befehl des Kaisers Yu, des Begründers der
Hsiadynastie (2205—1767 v. Chr.), aus dem Metalltribut der neun Provinzen seines
Reiches gegossen und mit Landkarten dieser Provinzen und Darstellungen ihrer Produkte
geschmückt gewesen sein. Andere Nachrichten besagen dagegen, die bösen Naturgeister
und übelwollenden Dämonen seien auf ihnen dargestellt gewesen, damit das Volk sie
erkenne und meide. Diese neun Töpfe (ling) wurden lange als Palladien des Reiches
aufbewahrt, bis sie bei den Wirren, die am Ende der Choudynastie im 4. Jahrh. v. Chr.
ausbrachen, im Ssuflusse versenkt wurden. Vergebens versuchte der Begründer der
neuen Dynastie, Ts’in Shi Huang Ti, sie wieder zu finden und damit seinem Reich das
Glück und Gedeihen zu sichern. Eine der bekanntesten Darstellungen auf den späteren
Grabreliefs der Handynastie zeigt den Versuch der Hebung eines dieser Gefäße aus dem
Flusse, die im 28. Regierungsjahre des Ts’in Shi Huang (219 v. Chr.) stattgefunden haben
soll. Als man das Gefäß mit Seilen glücklich an die Oberfläche gebracht hatte, tauchte aus
dem Grunde desselben ein Drache empor und biß die Seile ab, so daß es auf ewig in
die Fluten des Flusses zurücksank.
Das genannte Relief zeigt nur die Form dieser ting, die sich, wie alle anderen
Formen der Opfergefäße, bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten hat. Sie wurden
immer wieder nach den alten Vorbildern treu nachgegossen und dienten später, als der
Buddhismus seine Altäre über das Reich verbreitete, auch diesem ebenso wie dem Taois
mus und dem Ahnenkult als Opfergefäße.
Die häufigste Verzierung dieser Gefäße sind sogenannte Vielfraßmasken (T’ao t’ieh),
die neuerdings als Drachenköpfe erklärt werden, und ganze Drachenfiguren auf einem
gemusterten Grund, der nicht das Mäandermuster, wie früher irrtümlich angenommen
wurde, sondwn eine Doppelspirale zeigt, die den Donner und die Wolken symbolisiert
und „lei wen“ heißt. So abwechslungsreich in Gestalt und Form diese Verzierungen
sind, lassen sie sich doch zumeist auf den Drachen, oder auf seinen Gegner, den
Tiger, beziehen. Sie sind also kosmologischer Natur und stellen den wichtigsten chine
sischen Naturmythos dar, dem die Idee der Verwandlung des Wanderfisches Stöhr in das
Sternbild des Skorpions zugrundeliegt. (Vergl. Gieseler „Le Mythe du Dragon en Chine“
Rev. Arch. 1917, T. VI.) Der Stöhr wandert zur Laichzeit den Hoang-Ho aufwärts bis zu
den Wasserfällen von Lung-men, über die er sich emporschwingt, um schließlich als
Sternbild des Skorpions am Himmel zu erscheinen. Der chinesische Drache ist daher