ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS.
Das vorgeschrittenste Stadium der Entwicklung- der
orientalischen Teppichornamentik bezeichnet das frei über
die Fläche hingeworfene Rankenwerk. Das Rankenornament
ist eine Errungenschaft der griechischen Antike; der antike
Orient kennt sie nicht vor der alexandrinischen Eroberung,
während wir sie auf griechischem Boden schon in Mykenä
reichlich verwendet finden. Seitdem aber die Ranke auf
orientalischen Boden verpflanzt wurde, hat sie hier allezeit
das fruchtbarste Motiv der Decoration abgegeben. In der
Bordüre als Wellenranke, im Innengrunde in mannigfaltig
convergirendem und divergirendem Linienspiel, erscheint sie
insbesondere für persische Teppiche charakteristisch, an
denen sie häufig selbst in den zartesten Schwingungen und
Rundungen ausgeführt erscheint. Doch findet sie sich nicht
minder in der zur geometrischen Stilisirung neigenden
Teppichclasse; auf solchen Ursprung wird man z. B. das
geknickte lineare Ornament der älteren kaukasischen Teppiche
(Xr. 344) zurückzuführen haben. Die mit dem Rankenornament
in Verbindung gesetzten Blüthenmotive sind zum Theil
historisch-stilisirte, wie die Rosette und die Palmette, oder
naturalistische wie die Xarcissen. Von Thierfiguren begegnen
sich immer dieselben, insbesondere der Löwe, der den Stier zer-
reisst, jene uralte, ursprünglich tief religiös-symbolische Dar¬
stellung, die schon an den Rampen der persepolitanischen
Paläste in Stein gemeisselt zu sehen war. Der Stier ist in
einzelnen Fällen durch die Antilope oder den Hasen ersetzt,
der Löwe durch den Panther. Von Vögeln ist der uralte
Ziervogel aller Künste, der Pfau, mit besonderer Vorliebe
verwendet, ferner Wasservögel, wie schon in der Antike
(ägyptische Textilfunde) und im Mittelalter (Mossul-Bronzen)
Die paarweise, symmetrische Gegenüberstellung der Ihier-
figuren ist nicht minder alte Ueberlieferung aus antiker Zeit.
Die menschliche Figur hat nur in seltenen Fällen in die
orientalische Teppichverzierung Eingang gefunden. An Xo-