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Messen diese älteren Arten der Technik schlechtweg „Nonnenwerk
oder Kloster-Arbeit“. Aber nicht nur allein die beschauliche Zu
rückgezogenheit der Klöster bot Veranlassung, dass mit staunens
werter Hingabe oft die complicirtesten und feinsten ä Jour gear
beiteten Kanten und Besätze angefertigt wurden, sondern es ge
hörte auch vornehmlich im XVI. und XVII. Jahrhundert zum
guten Ton, dass in den Patrizier-Häusern der Städte, auf den
Burgen und Schlössern des niedern und hohen Adels durchbro
chene Nadelarbeiten in den gewähltesten und frappantesten
Mustern nach Anleitung der vielen Modelbücher künstlerisch vol
lendet wurden. Wie aber erklärt es sich, dass, als am Schlüsse
des Mittelalters andere Kunstzweige in ihren Leistungen zurück
gingen, gerade die Spitzen-Industrie, die „welsche Arbeit“ sich
als besonderer Kunstzweig grossartig zu entwickeln begann?
Als durch die Glaubensspaltungen im westlichen Europa an
vielen Stellen das Interesse für die Ausstattung der Kirchen und
Altäre nach und nach zu erkalten begann, da kündigte nämlich
mit dem Beginne der Renaissance die Goldschmiedekunst, die im
Mittelalter zur Ausstattung der Altäre Grosses geleistet hatte,
ihrer seitherigen Erzieherin den Dienst und trat über in den
Sold der Höfe und kunstsinniger Mäcenate, wie das die grosse
Zahl der zierlichsten Schau- und Prachtstücke im grünen Ge
wölbe zu Dresden anschaulicher beweist. Auch die figurale und
ornamentale Seidenstickerei, die im Mittelalter Bedeutendes und
bis jetzt Unerreichtes zur Verherrlichung des Kultus geleistet
hatte, versagte ihrer alten Lehrmeisterin und Führerin den
Gehorsam und fing an, da auch, bei dem Umschwung der
Verhältnisse, der Kirche nicht selten die Mittel für grössere
Aufträge fehlten, dem Wechsel der Mode und dem profanen
Luxus dienstbar zu werden. Gerade in diese Zeit nun fällt die
Einführung der venetianischen durchbrochenen Spitzen- und
Kanten-Arbeiten, die es besonders darauf abgesehen hatten, das
Leinenzeug für den profanen Gebrauch zu entwickeln und künst
lerisch auszubilden. Mehr und mehr schwindet nun sowohl in
Klöstern, als auch in den Kemenaten der Burgen und Schlösser die
figurale und ornamentale Stickerei in Seide und es macht sich
jetzt überall eine besondere Vorliebe für ausgeschnittene, durch-