penings. Die von Shigeko Kubota und Fluxus herausge
gebene Auflistung der Aktivitäten des Hi Red Center
wurde auf eine Karte von Tokio eingezeichnet, ein Hin
weis auf die urbanistische Theorie der GruppeT^ Ihre
Happenings waren jedoch nicht einfach vom Ort inspi
riert, sondern sie wurden strategisch so geplant, so daß
der Ort als konstitutives Element der Aktion fungieren
konnte. War nicht auch das Hi Red Center, eine anony
me Organisation, selbst ein Ort? Die Gruppe existierte
lediglich als Zusammenkunft nicht näher bezeichneter
Künstler, die ein Happening aufführten. Das Hi Red Cen
ter als Ort hinterfragte die Beziehung von Individuum
und Gruppe und war Wegbereiter einer Kunst, als deren
Urheber weder Individuum noch Gruppe gelten kann.53
In der amerikanischen Kunst nach 1945 wurde die in den
Werken enthaltene Körperlichkeit unterdrückt und die
Beziehung zwischen Werk und Ort geleugnet. Hap
pening und Body art, bei denen Körper und Aktion eine
wichtige Rolle spielten, oder die Gebundenheit an einen
spezifischen Ort, wie sie ein großer Teil des Minimalis
mus und der Land art aufweist, entstanden als Kritik am
künstlerischen Mainstream. Im Unterschied zur amerika
nischen Kunst waren in Japan hingegen von der Gutai-
Gruppe über die »Yomiuri Independant«-Ausstellungen
bis hin zum Hi Red Center die Aspekte der Körperlichkeit
und Ortsgebundenheit ausschlaggebend für den ge
samten Mainstream der Nachkriegszeit. Beide Elemente
sind bis heute wichtiger Bestandteil des zeitgenössi
schen Kunstschaffens geblieben. Wie die Aktivitäten des
■>Mono-ha« in den siebziger Jahren, die Installationen
der achtziger Jahre und die neuesten Aktionen von
Yasumasa Morimura, der mit seinem Körper in Meister
werke der abendländischen Kunst schlüpft, belegen, ist
die Beziehung zwischen Körper und Ort weiterhin ein
Thema.
Die japanische Kunst der Nachkriegszeit ist in der Ver
gangenheit häufig ais regional oder nachahmend ab
getan worden. Erwiesenermaßen entwickelte sie sich
aber um die konkreten Themen von Körper und Ort und
brachte eine Kunstform hervor, die sich von der zeit
genössischen Kunst in Europa und Amerika wesentlich
52 Shikego Kubota (Hrsg.), Hi Red Center, zitiert in: Genpei Akase-
gawa, Tokyo Mikisa keikaku: Hi Red Center chokutsu kodo no
kiroku, Umschlagdoppelseite (wie Anm.47).
unterscheidet. Das Erscheinungsbild der Werke ist
durch körperliche und ortsspezifische Elemente geprägt
- Eigenschaften, die sich dem rationalen kritischen
Vokabular des Formalismus entziehen. Das Potential
japanischer Nachkriegskunst ist genau in diesen Aspek
ten zu suchen. Welche Möglichkeiten birgt eine solche
Kunst? Welche grundsätzliche Bedeutung hat sie für die
Kunst von heute, deren Richtung schwer bestimmbar
ist? Es ist nicht ein simpler Vergleich des Westens mit
dem Osten, der Moderne mit der Postmoderne, sondern
eine Analyse der Wesensart der japanischen Kunst der
Nachkriegszeit, der wir mit Ungeduld entgegensehen.
53 Das Hi Red Center machte absichtlich keine Angaben über seine
Mitglieder und die Dauer der Existenz der Gruppe. Siehe «Hi Red
Center«« (wie Anm.46). Hier steht, daß das Hi Red Center nach
dem Happening Bewegung zur Förderung der Reinigung des
Stadtgebiets in einer größeren Gruppe namens Hi Group aufging.