In jeder kulturell hochentwickelten Zeit sehen wir immer wieder den festen Zu
sammenhang der Erscheinungen des täglichen Lebens mit der Mode, der jeweiligen
Bauweise — auch mit dem dichterischen und musikalischen Schaffen.
Auch die schlechteste Zeit der Fünfziger- bis Neunzigerjahre hat ihren eigenen
Ausdruck, der genau der Sinnesart, Kunstentfremdung und der Imitationslust dieser
Epoche entspricht. Wir können beim Durchblättern unzähliger Zeitschriften mit
Schaudern alles dies feststellen und so besser das Resultat, den Zusammenbruch
der ganzen europäischen Wirtschaft, verstehen.
Das Aufstreben der Industrie, ihr unerhörtes Tempo, die in ihrem Dienst groß
gewordene exakte wissenschaftliche Forschung und deren komplizierte, nur dem
Fachmann verständliche Methode, stellt die Menschheit vor unerhört schwierige Auf
gaben, die unmöglich so rasch verarbeitet werden konnten und daher fast nie zu
vollendeten, geschweige denn künstlerischen Leistungen führten.
Ohne sicheren Geschmack und Distinktion läßt sich auch ein Automobil nicht gut
bauen. Wir können an der Entwicklung desselben genau den Weg vom Imitieren der
alten Karosse bis zum heutigen bewußten Formwillen beobachten.
Die guten, verantwortungsbewußten, von klein auf erzogenen und In ihrem Beruf
restlos befriedigten, auch schöpferischen Meister und Handwerker mußten der ge
wissenlosen Spekulation weichen. Letztere mißbraucht auch die genial erdachte Ma
schine zu purem Gelderwerb als Selbstzweck und bemüht sich nicht, die der Maschine
als neues Werkzeug eigentümliche Formgebung des Fabrikats zu suchen.
Sie imitiert alte Stile, imitiert selbst Handarbeit und denkt vornehmlich an den
Gewinn. Erst unsere Zeit fängt an, die gemachten Fehler zu erkennen, und wird
durch die Krise auch gezwungen, vielfach zum Handwerk zurückzukehren. Dadurch
lernt man wieder dessen besondere Qualität schätzen.
Der beseelten Handarbeit gelten unsere innigsten Wünsche, um diese vor neuen
Gefahren zu schützen und sie trotz der trostlosen Gesamtlage für ein neues Leben
in all seinen Erscheinungen dienstbar zu machen.
Die Mode war stets ein wertvoller Genosse, hat alle Verirrungen und Vollkommen
heiten mitgemacht und stets ein feines Gefühl für den Zeitgeist bewiesen. Sie hätte
uns zum Beispiel niemals zugemutet, in den imitierten Ritterburgen der verflossenen