Nr. 9.
Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
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Musealschätzen und Kostbarkeiten der Wohnung eine
— malerische Unordnung erzeugte.
Nach der Art und Bedeutung des Hauses wird die
Gestaltung des Hausinnern sich richten, die Individualität
des Hauseigenthümers spielt hier mehr hinein, als bei
der äusseren Formgebung. Die Frau speciell kann hier
beeinflussend und verschönernd mitwirken, aber jeden
falls muss die Erkenntniss sich Bahn brechen, dass mit
der Disposition und Fagadirung des Hauses die Aufgabe
des Architekten noch lange nicht erschöpft ist.
Die erstere ist die Basis für die architektonische
Durchbildung des Innern, wie die letztere ihr äusserer
Ausdruck sein soll, aber die grösste Aufgabe, die dem
Architekten beim Wohnhausbau obliegt, ist nicht die
schöne Fagade, sondern die Herstellung einer Heimstätte,
in der ihr Bewohner sich auch heimisch, traulich tühle.
Mit der Entwicklung der Erkenntniss des Werthes der
künstlerischen Durchbildung auch des Wohnungsinnern
wird der Geschmack geläutert, und es wird damit wieder
das Kunstgewerbe jene Höhe erreichen, die es einstens
besass. Wir glauben den Beifall unserer Leser zu finden,
indem wir ihnen diesmal künstlerisch bedeutsame Innen
architekturen vorführen. Es sind dies die Innenräume
jenes Palastes, den sich ein hervorragender Wiener Kunst
freund in der Metternichgasse in Wien aufführen hess.
Die Ausgestaltung der Wohnräume, bei deren Aus
führung der feingebildete Geschmack des Besitzers ganz
besonders zur Geltung kam, ist ein Beispiel einfacher
und doch ungemein vornehm wirkender Innenarchitektui.
U. 1*1 •
Handbuch der Architektur. Unter Mitwirkung von Fach
genossen herausgegeben yon Oberbaudirector Prof.
Dr. Josef Durm in Karlsruhe etc. Darmstadt. Verlag
von Arnold Bergsträsser. Zweiter Theil. Die Ba u "
style. 3. Band, zweite Hälfte: Die Baukunst des
Islam. Von Franz Pascha in Cairo. Zweite Auflage.
— Vierter Theil: Entwerfen, Anlage und Ein
richtung der Gebäude. 2. Halbband, Heft 3. Ge
bäude für den Post-, Telegraphen- und Fern
sprechdienst. Von Postbaurath R. Neumann m
Kaum eine andere technische oder künstlerische
Fachliteratur hat gegenwärtig einen solchen Aufschwung
genommen, wie die der Architektur. Es hängt dies innig
zusammen mit den durch die Fortschritte der Technik
bewirkten Neuerungen und Erfindungen auf dem Gebiete
der Vervielfältigung. Wie mühselig, ein ganzes Leben
ausfüllend, war noch die Aufnahme der Bauwerke Korns
dem Letarouilly! Die Photographie und die auf derselben
basirenden Reproductionsarten haben eine enorme Ver-
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billigung der Abbildungen ermöglicht, und es ist wohl
fast Alles was dem Architekten kennenswerth ist, und
auch Vieles, was es nicht ist, gesammelt und herausge
geben worden. Der heutige Architekt hat es so leicht,
die Leistungen der Vorzeit zu studiren, er kann sie in
seiner Bücherei stets vor Augen haben. Ob dies zum
Vortheile der Architektur der Gegenwart gereicht, ist
eine Frage, die hier nicht zu erörtern ist.
Aber die Architektur beruht nicht allem auf der be-
„abung sie erfordert auch ein grosses positives Wissen.
Der rein technische Theil der Architektur-Literatur aber
hatte nicht gleichen Schritt gehalten mit der l ublication
von Baudenkmälern. Der studirende Architekt hatte Muhe,
das technische Wissen zusammenzuklauben. Die Lehr
bücher waren meist veraltet und unvollständig und Vieles
überhaupt nicht in Büchern niedergelegt.
Es war daher ein grosser, aber auch kühner Ge
danke, die gesammte Architektur in einem Werke zu
behandeln. Die Ausführung, wonach jedes einzelne hach
von einer in demselben erfahrenen und bewährten Kratt
bearbeitet ist, entspricht zumeist allen Erwartungen; es
ist darum begreiflich, dass das „Handbuch der Archr
tektur“ heute jedem praktisch thätigen Architekten bei
nahe unentbehrlich geworden ist. Es ist bedauerlich,
aber begreiflich, dass das Werk nur langsam fortschreitet.
Die Gründlichkeit und Tüchtigkeit der Leistung erfordert
eben viel Zeit. Wir freuen uns darum, zwei neue Bande
besprechen zu können. Eigentlich ist nur einer neu; von
dem anderen ist bloss eine Neuauflage erschienen, ein
sprechender Beweis für die weitverbreitete Schätzung und
den Erfolg des „Handbuches".
Der in zweiter Auflage erschienene Theil ist die „Die
Baukunst des Islams“ von Franz-Pascha in Cairo.
Was wir oben von dem „Handbuch“ im Ganzen ge
sagt haben, gilt im Besonderen von diesem Theile. Wir
haben es an uns selbst erfahren, wie schwer gerade das
Studium der islamitischen Baukunst bisher war. Man
musste zu den französischen Werken von P. Coste (Ar-
chitecture arabe ou monuments du Caire etc. 1 ans 1824)
und Prisse d’Avenues (L'art Arabe d’après les monuments
du Caire, Paris 1869—1877) greifen, vortrefflichen Aut-
nahmen, die aber sehr kostspielig und schwer erhältlich
sind und sich auch nur auf Cairo beschränken.
Es gibt daneben eine Anzahl von Monographien ein-
zelner mohammedanischer Baugruppen, aber es existht kein
zusammenfassendes Werk über die gesammte Baukunst
des Islam, und die wenigen Bemerkungen darüber m den
Kunst-, resp Architekturgeschichten sind oberflächlich und
absolut unzureichend. Unser Landsmann Franz-Pascha,
der ein Lebenlang an der Hauptstätte islamitischer Bau
kunst zugebracht hat, wo er ein grosses Feld für eigene
Thätigkeit gefunden, war nicht nur dadurch beraten,
dieses Buch zu schreiben, das geschriebene Buch zeigt
auch, dass er specielle Fähigkeiten zum Architekturschntt-
steller besitzt.
Er fasst seine Aufgabe gründlich aut, geht nicht nur
auf die Formen, sondern auch auf die Technik der
mohammedanischen Baukunst ein, deren Ursprung und Ent
wicklung er verfolgt. Wir wünschen, das Büchlein wäre
noch viel stärker ausgefallen,, denn im Orient ist tür
unsere Architektur viel Anregung zu holen. Aber selten
ist auf 167 Seiten so viel geboten worden, wie m diesem
Werkchen. Es ist erfreulich, dass in kurzer Zeit eine
zweite Auflage nothwendig geworden ist. Es sei denen,
die es noch nicht besitzen, zu gründlichem Studium em-
^ Der zweite eben erschienene Band des Handbuches
crehört dem vierten des Werkes an, der sich mit dem
Entwerfen der Anlage und Einrichtung der Gebäude“
befasst und erörtert darin speciell Postbaurath R. Neumann
in Erfurt die „Gebäude für den Post-, Telegraphen-
und Fernsprechdienst“.
Die kolossale Ausdehnung dieses Dienstes 111 der
Gegenwart, die zahllosen, besonders in Deutschland hauhg
in grossem Style für ihn aufgeführten Gebäude, rechtfertigt
vollkommen die besondere Behandlung seiner Baulich
keiten im „Handbuche“. In der Vorrede, m welcher der
Verfasser einen Abriss der Geschichte des Postwesens
cfibt erklärt er, dass die Eigenthümlichkeiten des I ost-
dienstes in so enger Beziehung zu den Einrichtungen der
Postgebäude stehen, dass eine ganz genaue Kenntmss
aller & Einzelnheiten des Dienstes erforderlich ist, um die
Bedeutung der zugehörigen baulichen Einrichtungen be-
urtheilen zu können, weshalb die Vorführung fremdlän
discher Postgebäude ohne genaue Darstellung des Post
betriebes unverständlich wäre. Sie wäre auch zwecklos,
da die Leser des vorliegenden Werkes schwerlich in die
Lage kommen werden, ausländische Postgebäude zu er
richten. Deshalb werden nur deutsche und österreichische
Postgebäude vorgeführt und von der Erwähnung fremd
ländischer abgesehen.
Wir können diese Anschauung nicht theilen. Uie
Vergleichung ist eines der mächtigsten Anregungsmittel
Die deutsche Post geniesst mit Recht in der ganzen Welt
die "rosste Anerkennung, allein auch auswärts, besondeis
in England und Amerika, ist das Postwesen hoch ent
wickelt Und die Kenntniss der Postpaläste, die in der
jüimsten Zeit dort errichtet wurden, wäre an und für sich
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