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eigentlicher Weinhandel im Sinne der Neuzeit, das heisst, ein Handel
mit Wein in Flaschen, früher gar nicht existirte. Inländer-Weine im
Grossen kaufte man entweder heim Erzeuger oder in öffentlichen
Licitationen, im Kleinen aber einfach im Gasthause vom Zapfen
laufend. Im Ausland waren die österreichisch-ungarischen Weine,
mit einziger Ausnahme des Tokayer und einiger anderer Ausbruch-
Weine, gar nicht bekannt.
Dem seither entstandenen rationeller betriebenen W einhandel
gebührt das Verdienst einen vollständigen Umschwung hervorgerufen
zu haben durch Herstellung versandtfähiger Weine in Fässern und
in Flaschen. Namentlich durch letztere hat sich eine bedeutende,
dem Auslande ebenbürtige Wein - Industrie herangebildet, welche
mit grosser Thätigkeit im Betriebe die österreichisch - ungarischen
Weine nicht nur dem inländischen Consumenten zuführt, sondern
auch den Export nach dem Auslande vermittelt, und durch den grossen
Bedarf an Hilfsstoffen, wie Flaschen, Stopfen, Lack und Kapseln,
Etdquetten, Papier, Kisten und Fässer auch anderen Industrien, sowie
den Transport-Anstalten und namentlich der zahlreichen Bevölkerung,
welche sich mit dem Weinbau beschäftigt, lohnenden Verdienst
zuwendet.
Allein der grösste Fortschritt der Neuzeit liegt in der Erkennt-
niss, dass nur durch Verbreitung von Bildung und Wissen unter der
mit Weinbau und Bereitung sich befassenden Classe mit anderen
vorgeschrittenen Zweigen der alimentären Industrie gleicher Schritt
gehalten und dem Weine jener hohe Bang gewahrt werden kann,
welcher der herrlichen Gottesgabe gebührt. Ein Haupt-Moment
hierin bilden unsere Weinbauschulen, wovon die erste in Oesterreich
zu Klosterneuburg (gegründet 1860), unter deren tüchtiger Leitung
gewiss schon manch’ guter Samen ausgestreut wurde.
Robert Schlumberger.