aller Vetschiedenartigkeit hinsichtlich Stil
und Material veranschaulichen sie in ihrer
Gesamtheit eine erstaunliche Kontinuität im
künstlerischen Schaffen dieses Landes. das
heuer als Veranstalter der Sommerolympiade
im Mittelpunkt des Weltinteresses steht.
Das Nebeneinander von Alt und Neu. Ver-
gangenheit und Gegenwart. Tempetbouten
und modernen Wohnzentren. Volkskunst und
zeitgenössischer Malerei ist in Mexiko eine
Selbstverständlichkeit, der man auf Schritt
und Tritt begegnet. Diesen Eindruck bestätigt
auch die als Teamwork österreichischer und
mexikanischer Stellen zu bezeichnende
Wiener Ausstellung. die sich in vier umfas-
sende Teile gliedert: in die Epoche der prä-
hispanlschen Kunst. in das Kapitel neuspani-
sche Kunst und in die beiden Abschnitte
moderne Kunst und Volkskunst. Die Exponate
- Skulpturen und Malereien. tlitualgegen-
stünde. Schalen. Spielzeug. Hausgeräl und
die eigenwilligen. bunten Erzeugnisse der
Volkskunst - stammen fast zur Gänze aus
dem Besitz des Museo Nacional de Antro-
pologio. das sich in Mexiko-City. der sechs
Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt
des LandES. befindet.
Obwohl sich die ersten Spuren von Menschen
auf amerikanischem Boden (vermutlich Ein-
wanderer aus Asien) etwa 75000 Jahre zu-
rück verfolgen lassen. verfügt man erst
ungefähr ab dem Jahr 1500 v. Chr. über
genauere Informationen. Von da an. vor
altem jedoch ab etwa 1000 v. Chr.. ent-
wickelten sich zahlreiche Kulturen. von denen
bedeutende künstlerische Zeugnisse der Nach-
welt erhalten blieben.
Die Ausstellung selbst ist nicht streng chrono-
logisch aufgebaut (Datierungen sind gerade
bei frühen Funden oft nur sehr schwer vor-
zunehmen). sondern bemüht sich vor allem
durch aufschlußreiche Gegenüberstellungen
von Beispielen der verschiedensten Kulluren
um die Vermittlung eines repräsentativen.
aber auch lebendigen Bildes. Neben dämo-
nisch wirkenden Figuren der vorklassischen
Kulturen. Gefäßen aus den pazifischen Küsten-
kulturen. Zeugnissen der Zapotekischenw
Mixleca-Puebla- und Tajin-Kuttur finden sich
auch zahlreiche Beispiele der Mayas und
Azteken.
Verhältnismäßig geringen Raum nimmt die
Kolonialzeit ein. die Kunst von Neu-Spanien.
die von 1521 bis 1821 datiert wird. Reich ver-
treten ist hingegen die Volkskunst(l(eramiken.
Lebensträume. Tierfiguren. Glas, Flecht-
arbeiten und Webereien) und die moderne
Malerei und Plastik. die in erster Linie durch
Namen wie Ruftno Tamayo. Diego Rivera
und David A. Siqueiros repräsentiert wird.
Modelle von alten Tempelanlagen und m
als Kontrast dazu i von der gewaltigen
Universitätssladl von Mexiko-City ilden den
Abschluß der imponierenden Schau.
SECESSIONZ
"Secession 68" I "Wirklichkeiten"
Als "Bekenntnis zur Wiener Secession in ihrer
Gesamtheit" und eine "Bestandsaufnahme
ähnlich den Pariser Salons des 19. und
20. Jahrhunderts" bezeichnete Georg Eisler.
der neugewählle Präsident der Vereinigung.
Eigenart und Zielsetzung der Gruppenschau
unter dem Titel ..Secessian 68".
Rund B0 Künstler der verschiedensten Stil-
richtungen. Prominente und wenig Bekannte.
Traditionalisten und Moderne. waren an ihr
beteiligt. Um den üblichen Rahmen zu spren-
gen und eine entsprechende Aktivierung da
etrachters zu erreichen. halte Oswald Ober-
huber eine unorthodoxe. den Raum geschickt
nützende l-längung und Stellung der Exponate
vorgenommen. die in manchem an das an-
schloß. was Oberhuber auch schon in Aus-
stellungen der Galerie ndchst St. Stephan ver-
suchte. So wurden z. B, die Plastiken zentra-
listisch gruppiert. als eine Art von "Plastik-
friedhof". was freilich nicht immer richtige
Rückschlüsse auf die künstlerische Potenz des
Urhebers zuließ.
Zu einem Stelldichein der vorwiegend dem
Expressionismus anhängenden Traditiona-
listen wurde die rechte Seitenwand des
großen unteren Secessionsraumes. während
an anderer Stelle frei im Raum hängende
zweireihige Bilderfolgen als ein Querschnitt
durch das Schaffen secessionistischer Avant-
garde präsentiert wurden.
Einen verbindlichen Ausweg aus dem Dilemma
von Gruppenausstellungen stellte jedoch auch
das hier erstmals ln größerem Umfang prak-
tizierte Arrangement Oberhubers nicht dar.
Unvereinbares verträgt sich nämlich weder
horizontal noch vertikal. Und "Stille" Bilder
den "lauten" zugunsten der ausstellungslech-
nischen Attraktivität zu opfern, scheint auf
Dauer ebenfalls unvertretbor. Freilich. Ar-
beiten von Qualität und künstlerischer Ver-
bindlichkeit. wie etwa die Plastiken von Eder
und Hoflehner. Malereien von Bischof.
Eckerl. Elster. Fruhmann. Grabrnayr, Froh-
rter. lnsiartl. Ringel. Slangl. Staudacher und
Unger oder die Graphiken von Schönwald
Rainer. Anneliese Karger und Goeschl ließen
sich so oder so rasch ausßndig machen.
Was im Mai dieses Jahres sechs junge Künst-
ler unter dem Titel "Wirklichkeiten" im
großen Parterreraum und der Kellergalerie
der Wiener Secesston in echter Geberiaune
zeigten, fiel kopfüber aus dem üblichen Aus-
stellungsangebol. Das war beinahe schon
Grund genug. sich die von Otto Breicha
organisierte und textlich gleichermaßen
wendig wie aufwendig begleitete Schau an-
zusehen. Ausschlaggebender für einen Besuch
war jedoch. daß die sechs zum Teil schon
einigermaßen arrivierlen Aussteller (Wolf-
gang Herzig. Martha Jungwirth. Kurt
50
Kocherscheidt. Peter Pongratz. Franz Ringel
und Robert ZeppeI-Sperl) durch die Bank
Talent und Können besitzen und dieses zu
sehr subjektiven und kuriosen. beängstigen-
den. aber auch erfrischenden Aus- und
Durchbrüchen gelangen lassen.
Provokantes wird von ihnen so ordentlich
ortionierl. daß davon jeder etwas ab-
ekomrnt. nicht nur die "Liga gegen ent-
artete Kunst". die ihre Späher in Marsch
gesetzt hatte.
Das Who is who im Aufrütleln der Spießer
und Avanlgardisten (so ähnlich weitgesteckl
schien das Anliegen der Exposition) geriet
sich sechsmal in Direktheiten. die zwischen
charmant und ungustiös pendelten. Hippie-
Tendenzen und Kauziges. Uberraschungen
und Spaß. lronie und Kritik zeichneten die
ausgestellten Bildwerke aus. die alles eher
denn Endpunkte markiere Was die sechs
zeigen. sind zweifellos originelle und zum
Teil sehr ausgeprägte "Wirklichkeiten" der
Kunst. doch keine neuen. die einer Auf-
bruchsperiode auf längere Sicht die Basis
geben könnten. Darin liegt auch der Grund.
wßhalb man das Unternehmen grundsätz-
lich nicht überbewerten sollte.
Die historischen Wurzeln und Beeinflussungen
zu nennen. die in den Werken der jungen
Österreicher mehr oder minder deutlich
zum Vorschein kommen. fällt leicht: bei
Herzig sind es Brauner. Dix und irgendwie
auch Schröder-Sonnenstern; bei Pongratz
und liingel steht die holländische Cobra-
Gruppe. Jorn. Corneille. Alechinsky. aber
auch Horst Antes im Hintergrund: Kocher-
scheidl zeigt periphere Anleihen bei David
Hockney und weniger periphere bei Pon-
gratz. aber auch bei den Zeichnungen von
Kindern bzw. Schizophrenen; Zeppel-Sperl,
der Kauzigsle der Runde. guckt in den Koch-
topf der Naiven. Am wenigsten beeinflußt
Zeigt sich Martha Jungwirth. deren weitest-
gehend abstrahierte Paraphrasen ober Autos
und Automobilspart viel Eigenständigkeit und
großes Fluidum aus der adäquaten Verbin-
dung und Verdichtung graphisch-linearer
mit farbig-flächigen Teilen gewinnen.
Keiner der Aussteller ist allerdings Epigonel
Sie verarbeiten Gesehenes durchweg mit
eigenständiger Akzentuierung. Für die Be-
stimmung ihres Standortes sind jedoch auch
die historischen Wurzeln vonnöten. Neben
Martha Jungwirth. die rtur peripher in die
Gruppe paßt. beeindruckte vor altern Franz
Ringel. Ringel zeigte großformatige. primär
graphische Arbeiten lTttl fratzenhoften Gno-
men. mit Zwitterwesen zwischen Zwerg und
Astronaut. Seine expressiven. farbig auf-
geladenen Kasperl sind von Dämonen be-
sessen. Sie schlagen und greifen furcht-
erregend um sich.
Zeppel-Sperl lädt hingegen zum großen
Schmausen. zum ..Gaslmahl des Zeppel
Spart". so er nicht gerade sich selbst oder
den Schreckensliteraten Artmann als Dracula
pdrtraticrt. Bei ihm und seinen Frauen geht
es handfest und ohne Genierer zu. Das Naive
schließt den Sex nicht aus. Herzig ist der-
jenige der Gruppe. der sich am starksten
kritisch engagiert. der die Gesellschaft scharf
beobachtet und an ihren schwächsten Stellen
demaskiert. Kocherscheidt kämpft um eine
neue. ein wenig pop-gewürzle Romantik. die
sich nicht selten nach Afrika hin orientiert.
Seine Arbeiten geben gegenwärtig jedoch
auch kaum mehr her als die von Pongratl.
die ebenfalls Schwächen aufweisen und auf
Klärung angewiesen wären.
Alls in allem eine provokante und außer-
gewöhnliche Ausstellung (Abb. 5).
ZENTRALSPARKASSE DER
GEMEINDE WIEN
Keramik van Plcaso
Tapisserien österreichischer Künstler
Als Ergänzung und e wie man glaubte -
Bereicherung der großen Picassb-Ausstellung
im Museum für an ewandte Kunst zeigte die
Zentralsparkasse er Gemeinde Wien eine
Z2 Werke umfassende Exposition von Kera-
miken und (undiskulablen) Mosaiken da
weltberühmten spanischen Malers. Parallel
zu dieser im gesamten als glatte Enttäuschung
zu wertenden Schau fand ebenfalls im Haupt-
gebäude des lnslituts eine Ausstellung öster-
reichischer Tapisserien der Gegenwart statt.
die einen durchweg qualitälsvollen und re-
präsentativen Überblick auf diesem relativ
wenig beachteten Sektor bildnerischen Schaf-
fens vermittelte.
Was die Zentralsparkasse außer entsprechend
werbewirksamer Publicity dazu bewogen
hatte, diese dürftige Auswahl der vielfach
überschätzten Keramiken Picassos unter be-
trächtlichem Kostenaufwand nach Wien zu
bringen. bleibt unverständlich. Unter den
zweiundzwanzig Ausstellungsstücken (Schalen
mit aufgemallen Faunen und Fischen. Krüge
und bemalte Vasen) befanden sich nämlich
höchstens fünf oder sechs. die einigermaßen
strengen Kriterien standhalten und die man
daher auch innerhalb des seit 1946 ständig
und rapid wachsenden keramischen Gesamt-
werkes zum Besten oder Besseren zahlen
könnte.
Davon abgesehen stellt sich dem Veranstalter
aber auch die Frage nach der kulturpoliti-
schert Notwendigkeit einer Ausstellung wie
dilser. Zum Unterschied von unteßtützens-
werten und notwendigen Initiativen. wie etwa
der geplanten Rettung des Sch tzen-Hauses
von Otto Wagner. den subventionierten Kon-
zerten der "Reihe" und ähnlichen Ver-
anstaltungen. für die sich sonst außer der
Zenlralsparkasse leider keine Geldgeber
finden. wurde im Hinblick auf die Picasso-
Schau zweifellos falsch investiert.
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dem TUN „Vlwrkäwphke1lcn" m de
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wurde m10 dem 1mm; der
nationalen Gruphik-Ausslellur
Europuhauses in Wien uusgezei
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Ridiculous Taumel 1". Fcrbsh
Ausgezeichnet mi! dem 2. Preis
Dr. Wilhelm Mrazek eröffnefen
nationalen Gruphik-Ausslellur
Europuhauses in Wien
8 Alfred Gerslenbrand. einer der E
der diesiihrigen Frühjnhrssci
Wiener ünsllerhauses. neben
Ölgemülde "Opernloge"
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