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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 99)

aller Vetschiedenartigkeit hinsichtlich Stil 
und Material veranschaulichen sie in ihrer 
Gesamtheit eine erstaunliche Kontinuität im 
künstlerischen Schaffen dieses Landes. das 
heuer als Veranstalter der Sommerolympiade 
im Mittelpunkt des Weltinteresses steht. 
Das Nebeneinander von Alt und Neu. Ver- 
gangenheit und Gegenwart. Tempetbouten 
und modernen Wohnzentren. Volkskunst und 
zeitgenössischer Malerei ist in Mexiko eine 
Selbstverständlichkeit, der man auf Schritt 
und Tritt begegnet. Diesen Eindruck bestätigt 
auch die als Teamwork österreichischer und 
mexikanischer Stellen zu bezeichnende 
Wiener Ausstellung. die sich in vier umfas- 
sende Teile gliedert: in die Epoche der prä- 
hispanlschen Kunst. in das Kapitel neuspani- 
sche Kunst und in die beiden Abschnitte 
moderne Kunst und Volkskunst. Die Exponate 
- Skulpturen und Malereien. tlitualgegen- 
stünde. Schalen. Spielzeug. Hausgeräl und 
die eigenwilligen. bunten Erzeugnisse der 
Volkskunst - stammen fast zur Gänze aus 
dem Besitz des Museo Nacional de Antro- 
pologio. das sich in Mexiko-City. der sechs 
Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt 
des LandES. befindet. 
Obwohl sich die ersten Spuren von Menschen 
auf amerikanischem Boden (vermutlich Ein- 
wanderer aus Asien) etwa 75000 Jahre zu- 
rück verfolgen lassen. verfügt man erst 
ungefähr ab dem Jahr 1500 v. Chr. über 
genauere Informationen. Von da an. vor 
altem jedoch ab etwa 1000 v. Chr.. ent- 
wickelten sich zahlreiche Kulturen. von denen 
bedeutende künstlerische Zeugnisse der Nach- 
welt erhalten blieben. 
Die Ausstellung selbst ist nicht streng chrono- 
logisch aufgebaut (Datierungen sind gerade 
bei frühen Funden oft nur sehr schwer vor- 
zunehmen). sondern bemüht sich vor allem 
durch aufschlußreiche Gegenüberstellungen 
von Beispielen der verschiedensten Kulluren 
um die Vermittlung eines repräsentativen. 
aber auch lebendigen Bildes. Neben dämo- 
nisch wirkenden Figuren der vorklassischen 
Kulturen. Gefäßen aus den pazifischen Küsten- 
kulturen. Zeugnissen der Zapotekischenw 
Mixleca-Puebla- und Tajin-Kuttur finden sich 
auch zahlreiche Beispiele der Mayas und 
Azteken. 
Verhältnismäßig geringen Raum nimmt die 
Kolonialzeit ein. die Kunst von Neu-Spanien. 
die von 1521 bis 1821 datiert wird. Reich ver- 
treten ist hingegen die Volkskunst(l(eramiken. 
Lebensträume. Tierfiguren. Glas, Flecht- 
arbeiten und Webereien) und die moderne 
Malerei und Plastik. die in erster Linie durch 
Namen wie Ruftno Tamayo. Diego Rivera 
und David A. Siqueiros repräsentiert wird. 
Modelle von alten Tempelanlagen und m 
als Kontrast dazu i von der gewaltigen 
Universitätssladl von Mexiko-City ilden den 
Abschluß der imponierenden Schau. 
SECESSIONZ 
"Secession 68" I "Wirklichkeiten" 
Als "Bekenntnis zur Wiener Secession in ihrer 
Gesamtheit" und eine "Bestandsaufnahme 
ähnlich den Pariser Salons des 19. und 
20. Jahrhunderts" bezeichnete Georg Eisler. 
der neugewählle Präsident der Vereinigung. 
Eigenart und Zielsetzung der Gruppenschau 
unter dem Titel ..Secessian 68". 
Rund B0 Künstler der verschiedensten Stil- 
richtungen. Prominente und wenig Bekannte. 
Traditionalisten und Moderne. waren an ihr 
beteiligt. Um den üblichen Rahmen zu spren- 
gen und eine entsprechende Aktivierung da 
etrachters zu erreichen. halte Oswald Ober- 
huber eine unorthodoxe. den Raum geschickt 
nützende l-längung und Stellung der Exponate 
vorgenommen. die in manchem an das an- 
schloß. was Oberhuber auch schon in Aus- 
stellungen der Galerie ndchst St. Stephan ver- 
suchte. So wurden z. B, die Plastiken zentra- 
listisch gruppiert. als eine Art von "Plastik- 
friedhof". was freilich nicht immer richtige 
Rückschlüsse auf die künstlerische Potenz des 
Urhebers zuließ. 
Zu einem Stelldichein der vorwiegend dem 
Expressionismus anhängenden Traditiona- 
listen wurde die rechte Seitenwand des 
großen unteren Secessionsraumes. während 
an anderer Stelle frei im Raum hängende 
zweireihige Bilderfolgen als ein Querschnitt 
durch das Schaffen secessionistischer Avant- 
garde präsentiert wurden. 
Einen verbindlichen Ausweg aus dem Dilemma 
von Gruppenausstellungen stellte jedoch auch 
das hier erstmals ln größerem Umfang prak- 
tizierte Arrangement Oberhubers nicht dar. 
Unvereinbares verträgt sich nämlich weder 
horizontal noch vertikal. Und "Stille" Bilder 
den "lauten" zugunsten der ausstellungslech- 
nischen Attraktivität zu opfern, scheint auf 
Dauer ebenfalls unvertretbor. Freilich. Ar- 
beiten von Qualität und künstlerischer Ver- 
bindlichkeit. wie etwa die Plastiken von Eder 
und Hoflehner. Malereien von Bischof. 
Eckerl. Elster. Fruhmann. Grabrnayr, Froh- 
rter. lnsiartl. Ringel. Slangl. Staudacher und 
Unger oder die Graphiken von Schönwald 
Rainer. Anneliese Karger und Goeschl ließen 
sich so oder so rasch ausßndig machen. 
Was im Mai dieses Jahres sechs junge Künst- 
ler unter dem Titel "Wirklichkeiten" im 
großen Parterreraum und der Kellergalerie 
der Wiener Secesston in echter Geberiaune 
zeigten, fiel kopfüber aus dem üblichen Aus- 
stellungsangebol. Das war beinahe schon 
Grund genug. sich die von Otto Breicha 
organisierte und textlich gleichermaßen 
wendig wie aufwendig begleitete Schau an- 
zusehen. Ausschlaggebender für einen Besuch 
war jedoch. daß die sechs zum Teil schon 
einigermaßen arrivierlen Aussteller (Wolf- 
gang Herzig. Martha Jungwirth. Kurt 
50 
Kocherscheidt. Peter Pongratz. Franz Ringel 
und Robert ZeppeI-Sperl) durch die Bank 
Talent und Können besitzen und dieses zu 
sehr subjektiven und kuriosen. beängstigen- 
den. aber auch erfrischenden Aus- und 
Durchbrüchen gelangen lassen. 
Provokantes wird von ihnen so ordentlich 
ortionierl. daß davon jeder etwas ab- 
ekomrnt. nicht nur die "Liga gegen ent- 
artete Kunst". die ihre Späher in Marsch 
gesetzt hatte. 
Das Who is who im Aufrütleln der Spießer 
und Avanlgardisten (so ähnlich weitgesteckl 
schien das Anliegen der Exposition) geriet 
sich sechsmal in Direktheiten. die zwischen 
charmant und ungustiös pendelten. Hippie- 
Tendenzen und Kauziges. Uberraschungen 
und Spaß. lronie und Kritik zeichneten die 
ausgestellten Bildwerke aus. die alles eher 
denn Endpunkte markiere Was die sechs 
zeigen. sind zweifellos originelle und zum 
Teil sehr ausgeprägte "Wirklichkeiten" der 
Kunst. doch keine neuen. die einer Auf- 
bruchsperiode auf längere Sicht die Basis 
geben könnten. Darin liegt auch der Grund. 
wßhalb man das Unternehmen grundsätz- 
lich nicht überbewerten sollte. 
Die historischen Wurzeln und Beeinflussungen 
zu nennen. die in den Werken der jungen 
Österreicher mehr oder minder deutlich 
zum Vorschein kommen. fällt leicht: bei 
Herzig sind es Brauner. Dix und irgendwie 
auch Schröder-Sonnenstern; bei Pongratz 
und liingel steht die holländische Cobra- 
Gruppe. Jorn. Corneille. Alechinsky. aber 
auch Horst Antes im Hintergrund: Kocher- 
scheidl zeigt periphere Anleihen bei David 
Hockney und weniger periphere bei Pon- 
gratz. aber auch bei den Zeichnungen von 
Kindern bzw. Schizophrenen; Zeppel-Sperl, 
der Kauzigsle der Runde. guckt in den Koch- 
topf der Naiven. Am wenigsten beeinflußt 
Zeigt sich Martha Jungwirth. deren weitest- 
gehend abstrahierte Paraphrasen ober Autos 
und Automobilspart viel Eigenständigkeit und 
großes Fluidum aus der adäquaten Verbin- 
dung und Verdichtung graphisch-linearer 
mit farbig-flächigen Teilen gewinnen. 
Keiner der Aussteller ist allerdings Epigonel 
Sie verarbeiten Gesehenes durchweg mit 
eigenständiger Akzentuierung. Für die Be- 
stimmung ihres Standortes sind jedoch auch 
die historischen Wurzeln vonnöten. Neben 
Martha Jungwirth. die rtur peripher in die 
Gruppe paßt. beeindruckte vor altern Franz 
Ringel. Ringel zeigte großformatige. primär 
graphische Arbeiten lTttl fratzenhoften Gno- 
men. mit Zwitterwesen zwischen Zwerg und 
Astronaut. Seine expressiven. farbig auf- 
geladenen Kasperl sind von Dämonen be- 
sessen. Sie schlagen und greifen furcht- 
erregend um sich. 
Zeppel-Sperl lädt hingegen zum großen 
Schmausen. zum ..Gaslmahl des Zeppel 
Spart". so er nicht gerade sich selbst oder 
den Schreckensliteraten Artmann als Dracula 
pdrtraticrt. Bei ihm und seinen Frauen geht 
es handfest und ohne Genierer zu. Das Naive 
schließt den Sex nicht aus. Herzig ist der- 
jenige der Gruppe. der sich am starksten 
kritisch engagiert. der die Gesellschaft scharf 
beobachtet und an ihren schwächsten Stellen 
demaskiert. Kocherscheidt kämpft um eine 
neue. ein wenig pop-gewürzle Romantik. die 
sich nicht selten nach Afrika hin orientiert. 
Seine Arbeiten geben gegenwärtig jedoch 
auch kaum mehr her als die von Pongratl. 
die ebenfalls Schwächen aufweisen und auf 
Klärung angewiesen wären. 
Alls in allem eine provokante und außer- 
gewöhnliche Ausstellung (Abb. 5). 
 
ZENTRALSPARKASSE DER 
GEMEINDE WIEN 
Keramik van Plcaso 
Tapisserien österreichischer Künstler 
Als Ergänzung und e wie man glaubte - 
Bereicherung der großen Picassb-Ausstellung 
im Museum für an ewandte Kunst zeigte die 
Zentralsparkasse er Gemeinde Wien eine 
Z2 Werke umfassende Exposition von Kera- 
miken und (undiskulablen) Mosaiken da 
weltberühmten spanischen Malers. Parallel 
zu dieser im gesamten als glatte Enttäuschung 
zu wertenden Schau fand ebenfalls im Haupt- 
gebäude des lnslituts eine Ausstellung öster- 
reichischer Tapisserien der Gegenwart statt. 
die einen durchweg qualitälsvollen und re- 
präsentativen Überblick auf diesem relativ 
wenig beachteten Sektor bildnerischen Schaf- 
fens vermittelte. 
Was die Zentralsparkasse außer entsprechend 
werbewirksamer Publicity dazu bewogen 
hatte, diese dürftige Auswahl der vielfach 
überschätzten Keramiken Picassos unter be- 
trächtlichem Kostenaufwand nach Wien zu 
bringen. bleibt unverständlich. Unter den 
zweiundzwanzig Ausstellungsstücken (Schalen 
mit aufgemallen Faunen und Fischen. Krüge 
und bemalte Vasen) befanden sich nämlich 
höchstens fünf oder sechs. die einigermaßen 
strengen Kriterien standhalten und die man 
daher auch innerhalb des seit 1946 ständig 
und rapid wachsenden keramischen Gesamt- 
werkes zum Besten oder Besseren zahlen 
könnte. 
Davon abgesehen stellt sich dem Veranstalter 
aber auch die Frage nach der kulturpoliti- 
schert Notwendigkeit einer Ausstellung wie 
dilser. Zum Unterschied von unteßtützens- 
werten und notwendigen Initiativen. wie etwa 
der geplanten Rettung des Sch tzen-Hauses 
von Otto Wagner. den subventionierten Kon- 
zerten der "Reihe" und ähnlichen Ver- 
anstaltungen. für die sich sonst außer der 
Zenlralsparkasse leider keine Geldgeber 
finden. wurde im Hinblick auf die Picasso- 
Schau zweifellos falsch investiert. 
 
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e Janusz Przybylski. Polen, ..Der 
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nationalen Gruphik-Ausslellur 
Europuhauses in Wien uusgezei 
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Ridiculous Taumel 1". Fcrbsh 
Ausgezeichnet mi! dem 2. Preis 
Dr. Wilhelm Mrazek eröffnefen 
nationalen Gruphik-Ausslellur 
Europuhauses in Wien 
8 Alfred Gerslenbrand. einer der E 
der diesiihrigen Frühjnhrssci 
Wiener ünsllerhauses. neben 
Ölgemülde "Opernloge" 
 
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