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Malerei und Bildhauerkunst“ den sympathisch gestimmten Zeit
genossen predigt und hierauf in der „Geschichte der Kunst des
Alterthums“ mit unvergleichlicher Intuition, ohne eigentliche
Kenntniss der noch unerschlossenen Denkmäler, zu einem Dogma
erhebt, an welches Alle glauben. Allerorten war der Boden vor
bereitet. Man hatte Vitruv und Vignola wieder zu studiren be
gonnen. In Frankreich hatte wenige Jahre vor Winckelmanns Erst
lingsschrift der Abbe Laugier das Rococo mit dem Hinweise auf
die griechischen Säulenordnungen verdammt und Soufflot die Ge-
novefakirclie zu Paris in einer Art neuer Renaissance entworfen.
Ueberall wird der Ueberladung und Uebertreibung Einfachheit und
Nüchternheit entgegengesetzt. Man geht über die Römer zu den
Griechen zurück, Universitäten und Schulen pflegen griechische
Sprache und Literatur. Wieland bekleidet seine Figuren mit helle
nischem Costüm, Klopstock erneuert die griechischen Versmasse,
Lessing versucht im „Laokoon“ eine neue Grundlage der Aesthetik,
Goethe verlässt die Bahnen des Götz und Werther und legt Wort
und Werk in die Waagschale zu Gunsten des erneuten Classi-
cismus, der wie in der Literatur so nun auch in der bildenden
Kunst allmälig zur herrschenden Richtung wird.
Aber allerdings, nicht mit einem Schlage konnte ein Stil
entstehen, der gleicherweise auf Antike und Natur begründet,
aus jener vor Allem die Erkenntniss schöpfte, wie diese künstle
risch zu verwenden sei; und nur vereinzelt stehen Künstler wie
Chodowiecki, der Vorläufer unseres Menzel, wie Graff, Gessner,
Hess und im gewissen Sinne auch Hackert, welche abseits von
der breiten Heerstrasse des classicistischen Idealismus die ein
samen Pfade eines gesund-beschränkten Realismus wandeln. Oder
wie der Spanier Goya, dessen urkräftige Phantasie, gepaart mit
originellem Realismus, ihn zu einer singulären Erscheinung
machen. Oder wie der Engländer Lawrence, welcher den typischen
Realismus seines Lehrers Reynolds fortsetzt und als Zeuge des
Wiener Congresses hier alle Zierden desselben porträtirt, wie kein
Continentaler dies damals vermocht hätte.
In Deutschland übernimmt die Führung in der Malerei der
classicistische Ideologe Raphael Mengs, der typische Vertreter der
erst später verinnerlichten, vorerst einseitig auf die Antike ge
richteten Bewegung, dessen Werken, nach Carstens’ spöttischem
Worte, man es anmerkt, dass er zur Kunst geprügelt worden