ASSYRISCHE UND PERSISCHE ORNAMENTE
Stufen der Vollkommenheit herab, und steht zur ägyptischen im selben Verhältniss, wie die römische zur
griechischen. Die ägyptische Kunst artete stufenweise immer mehr aus, von den Zeiten der Pharaos bis
zu denen der Griechen und Körner; die Formen, zuerst so fliessend und anmuthig, wurden roh x und abge
brochen; das Schwellen der Gliedmassen, welche zuerst mehr angedeutet als ausgedrückt war, wurde
endlich höchst übertrieben, die conventioneile Behandlung wich einem unvollkommenen Bestreben alles
natürlich zu machen. Dieses Bestreben aber wurde in der assyrischen Bildnerei noch weiter getrieben; und
obwohl man sich, in der allgemeinen Anordnung des Gegenstandes und in der Stellung der einzelnen
Figuren, noch immer an der conventioneilen Behandlung hielt, so bemühte
man sich doch andererseits, die Muskulatur der Gliedmassen und die
Kundung des Fleisches anzugeben; welches in jeder Kunst als ein Symp
tom des Verfalles gelten muss, denn die Natur will idealisirt, nicht copirt
werden. Manche Bildsäulen der neuern Zeit weichen von der Venus von
Milo im selben Verhältniss ab, als die Basreliefs der Ptolomäer sich von
denen der Pharaos unterscheiden.
Die assyrischen Ornamente bieten, nach unserem Vermeinen, das An
sehen eines entlehnten Styles dar, der überdies schon den Stempel des
Verfalles an sich trägt. Zwar kennen wir den Styl noch nicht vollkom
men, indem gerade jene Theile der Paläste, die die meisten Ornamente
aufzuweisen hätten, die obern Theile nämlich, in Folge der eigenartigen
Construction der assyrischen Gebäude gänzlich zerstört worden sind. Es
unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass die Ornamente eben so verschwen
derisch in den assyrischen als in den ägyptischen Denkmälern angebracht
wurden: in keinem der beiden Stylarten findet man schlichte unverzierte
Oberflächen an den Wänden, indem diese durchgehends entweder mit Bil
dern oder Inschriften bedeckt sind, und an den Stellen wo dergleichen un
anwendbar wären, wurden, zur Unterstützung des allgemeinen Effects, reine
Schmuckverzierungen gebraucht. Alle die Ornamente, welche wir bis auf
den heutigen Tag besitzen, sind den Kleidern der auf den Basreliefs befind
lichen Figuren entnommen, oder bestehen aus einigen Bruchstücken ge
malter Ziegel, einigen Gegenständen von Bronze und den Darstellungen der geheiligten Bäume der Bas
reliefs. Wir haben aber keine Ueberbleibsel ihrer constructiven Ornamente, indem die Säulen und andere
Baustützen die dergleichen Ornamente aufweisen könnten, überall vernichtet worden sind. Die construc
tiven Ornamente von Persepolis, Tafel XIV., gehören augenscheinlich einer viel spätem Periode an und
tragen das Gepräge eines auswärtigen Einflusses, daher sie ganz unzuverlässige Wegweiser wären, uns in der
Restauration der constructiven Ornamente assyrischer Paläste zu leiten.
Die assyrischen Ornamente, obwohl ihnen nicht dieselben Typen als den ägyptischen zu Grunde liegen,
verkünden doch ganz dieselbe Darstellungsweise. In beiden Stylarten sind die Reliefs, sowohl als die
gemalten Ornamente bloss im Umriss dargestellt. Die Oberfläche zeigt nur geringe Modellirung, da diese eine
eigene Erfindung der Griechen ist, bei welchen sie jedoch immer in den gehörigen Schranken gehalten wurde;
und erst die Römer machten einen so unmässigen übertriebenen Gebrauch davon, dass endlich die I ülle des
Effects sich ganz verlor. Die Byzantiner hielten sich wieder an ein gemässigtes Relief, welches bei den
Arabern noch flacher wurde, und bei den Mauren war eine modellirte Oberfläche eine grosse Seltenheit.
Im selben Verhältniss steht, andererseits wieder, der romanische zu dem früh-gothischen Styl, welcher
letztere indessen selbst von vollerem Effecte ist, als der spätere gothische Styl, wo die Oberflächen so ausge
arbeitet wurden, dass der Eindruck der Ruhe ganz verloren ging.
Wenn man etwa die an den geheiligten Bäumen der Tafel XII., und in den gemalten Verzierungen
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