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Aufträgen überhäuft. Die in höchster Blüthe stehende Zeitungsindustrie,
die regere Verlagsthätigkeit, der unendliche Bedarf an Drucksorten für
Behörden und noch viel mehr für den geschäftlichen Verkehr nehmen
alle Pressen unablässig in Anspruch. Und grade dies mag die Ursache
der geringen Betheiligung an der Ausstellung gewesen sein, da für eine
solche noch ziemlich häufig nicht das, was täglich gemacht wird, sondern
ausdrücklich angefertigte Prunkstücke allein geeignet gehalten werden.
Ist das Fernbleiben so vieler bedeutender Firmen überhaupt bedauerlich,
so wird es das noch mehr durch dies (wahrscheinliche) Motiv, denn gerade
darauf kommt es ja an, die Durchschnittsleistungen kennen zu lernen,
nicht Arbeiten, welche mit besonderem Aufwande und unter besonders
günstigen Verhältnissen einmal und nicht wieder hergestellt wurden.
Namentlich interessant wäre es gewesen, wenn eine von den älteren Offi-
cinen den Entwickelungsgang des Geschmacks und der technischen Ver
vollkommnung etwa seit zwanzig Jahren durch eine Reihe von Beispielen
veranschaulicht haben würde. Die letzten Jahrzehnte sind für die Buch
druckerkunst in Oesterreich ausserordentlich wichtig gewesen. Während
man sonst, was schön ausgestattet werden sollte, glaubte »draussen«
drucken lassen zu müssen, sehen wir gegenwärtig Wiener Officinen für
das Ausland arbeiten. Man steht im Allgemeinen auf gleicher Höhe wie
in-Leipzig und anderen Hauptsitzen des Buchdrucks — eine Höhe, von
welcher aus eine weitere Erhebung allerdings noch eben so möglich wie
wünschenswerth bleibt. Noch hat die Mode auch auf diesem Gebiete zu
viel zu sagen. Die unschönsten Verzerrungen, die geschmacklosesten,
krausesten Verschnörkelungen werden acceptirt, wenn sie nur neu oder
wieder neu sind. Dem gegenüber ist von grosser Wichtigkeit, dass ge
genwärtig die Frage, ob es nicht zweckmässig sei, den Gebrauch der so
genannten deutschen Schriftzeichen (Fractur) aufzugeben und an deren
Stelle auch in Deutschland die lateinische Schrift (Antiqua) treten zu
lassen, in dem amtlichen Organ des Vereines der deutschen Buchhändler
lebhaft discutirt wird. Denn die lateinischen Schriftzeichen sind durchaus
nicht so verlockend für Künsteleien und Verzerrungen wie die Fractur,
welche ja von Haus eine Verkünstelung und Verzerrung der Antiqua ist.
Indem die Mönche die runden Formen durch eckige ersetzten, die graden
Linien brachen und verschnörkelten, lieferten sie zugleich die Vorbilder
für alle die Experimente, welche bis auf den heutigen Tag die Schönheit
und Leserlichkeit der deutschen Druckschrift beeinträchtigen. Bekanntlich
ist in diesem Augenblicke die deutsche nur mehr die einzige Sprache,
welche sich der Mönchsschrift bedient, Schweden, Dänen, Holländer,
Tschechen u. s. w. sind zu der Antiqua zurückgekehrt und auch bei uns
vermehrt sich zusehends die Zahl der mit den Typen der letzteren ge
druckten Bücher und Zeitschriften, während sie für die sogen. Accidenz-
arbeiten schon beinah alleinherrschend ist. Und besonders erfreulicher
Weise wendet sich die Praxis immer mehr der durch Schönheit, Einfach-