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die Genannten sich an coloristische Aufgaben gewagt, welche äller An
strengungen und Finessen des mit noch so vielen Steinen manipulirenden
Chromolithographen spotten. Im Durchschnitt aber wird höchst Respec-
tables geleistet, Und die Bedeutung dieser Industrie darf nicht unterschätzt
werden. Da sie verhältnissmässig sehr wohlfeil arbeitet, ist sie in der
Lage, die abscheulichen Schmierereien, welche bis vor Kurzem die Wände
nicht blos der Hinterwäldlerwohnungen diesseits und jenseits des Oceans
verunzierten, zu verdrängen und für die Ausbreitung eines besseren Ge
schmackes in den am schwersten zugänglichen Regionen zu wirken.
Die Verzierung der Bucheinbände nimmt ihren Entwickelungsgang
parallel dem der ornamentalen Künste im Allgemeinen. Ermüdet von den
ewigen Palmettenkränzen und Perlenstäben, aus welchen Elementen die
Goldzier der Rücken und Deckel ziemlich stereotyp zusammengesetzt
wurde, griff man vor etwa dreissig Jahren auf die Muster des Rococo
zurück, deren Arabesken der Phantasie freieren Spielraum, reichere Ab
wechslung gewährten. In den besten Fällen wurden die Deckel, aber
auch die Rücken, wie Wandfüllungen behandelt, deren barocke plastische
Einrahmungen hier in vertieftem Golddruck wiedererschienen. Häufiger
aber breiteten sich die Zierrathe in völliger Regellosigkeit und Launen
haftigkeit aus, und die Mode scheute selbstverständlich auch vor dem
absolut Widersinnigen nicht zurück, wenn es »originell« war. Wenn Ge
genwärtig wieder die Einbände aus jener Zeit nachgeahmt werden, bei
welcher wir fast in jeder Verlegenheit Hilfe suchen, so geschieht das
nicht aus blosser [Lust am Alterthümlichen oder aus Principienreiterei
sondern weil damals die Ornamentation sich, wie sie soll, den natürlichen
Bedingungen des Gegenstandes anpasste. So wird der Rücken eines Buches
durch die Bänder, auf welche die Druckbogen aufgereiht sind, ganz natur-
gemäss in Felder getheilt; es hat um so weniger Sinn, diese constructiven
Glieder künstlich zu verbergen, als sie die beste Gelegenheit zum An
bringen von Ornamenten bieten. Die auch äusserlich stark hervortreten
den Bänder schützen zugleich die Verzierungen, mit welchen die Felder
cäSsettenartig gefüllt sind, gegen zu schnelle Abnützung, wie die Metall
knöpfe den Deckel. Allerdings sieht man diese Dinge noch oft ohne Ver
ständnis behandelt wie bedeutungslosen Zierrath: anstatt der aufliegenden
Bänder erscheinen Vertiefungen oder die Knöpfe werden durch aufliegen
den Bronze- und Emailschmuck, Wappenschilder u. dgl. m. überragt, so
dass sie, anstatt zu schützen, selbst gegen die Berührung mit der Tisch
fläche geschützt werden. Im Allgemeinen ist man aber aber auf dem rich
tigen Wege.
Auf unserer Ausstellung wurden die Einbände für den wirklichen
Gebrauch fast ganz in Schatten gestellt durch die prachtvollen und kost-
spieligen Hüllen für Diplome, Adressen, Albums u. s. w., wie sie aus
den Ateliers von Aug. Klein, Leopold Groner u. A. hervorgehen.
Wenn bei diesen Arbeiten die Aufmerksamkeit des Beschauers vornehm-