124
Geschmacksbildung des Publicums speculiren, aber sie vergessen oder be
denken nicht, dass die Geschmacksbildung in einem grossen Wandel
begriffen ist. Die Geschmacksbildung ist in raschem Wachsen und breitet
sich weiter und weiter. Viele, die bisher von den Leistungen dieser Art
Industrie entzückt waren, wenden ihr bereits verächtlich den Rücken;
sie finden zahllos Nachfolge und die Zeit ist nicht fern, wo auch die
Massen verschmähen werden, was sie noch heute anbeten. Alsdann sind
mittlerweile andere Fabriken, welche klug dem Zuge der Zeit gefolgt
sind, zuvorgekommen, haben Ehre und Terrain erobert, während jenen,
wenn sie umkehren wollen, das »Zu spät« entgegengerufen wird.
E.
XXVI.
Schlusswort.
(Die Lücke auf der Ausstellung. — Gewerbe - Institut [Athenäum]. — Ein Wort an das
Publicum.)
Die Aufgabe eines Berichtes über die Musealausstellung würde ein
seitig aufgefasst sein, machte derselbe nicht auf die Lücken aufmerksam,
welche auf derselben hervorgetreten sind.
Diese Lücken sind verschiedener Natur und machten sich theilweise
auf Gebieten bemerkbar, welche nicht, im engsten Sinne des Wortes, in
den Kreis der Ausstellung des Museums gehören, und mehr die rein
technologische und mechanische Seite der Kunstgewerbe, als die künst
lerische berühren.
Untersucht man nämlich die ausgestellten Objecte nicht vom Stand
punkte des Geschmackes, sondern von dem der technischen Fertigkeit, so
sieht man ganz deutlich, dass in unserem Gewerbeleben und in unserer
Gewerbebildung eine grosse Lücke vorhanden ist. Ein grosser Theil un
serer Industriellen, besonders die Kleingewerbe, sind wenig vertraut mit
den Fortschritten auf dem Gebiete der Technologie. Sie behelfen sich
mit theilweise veralteten Maschinen und Werkzeugen, und benützen die
Fortschritte der modernen Technik nicht in dem Masse, als es zu wün
schen wäre. Auch hat man manche Ursache, über Mangel an Präcision
in der Ausführung zu klagen. Stücke, welche in dieser Beziehung allen
Anforderungen genügen, sind nicht gerade sehr häufig zu finden.
Unter diesen Umständen wird man es sehr begreiflich finden, dass
das Oesterr. Museum das Inslebentreten eines Gewerbe-Institutes freudig
begrüsst, welches sich zur Aufgabe setzt, diese Lücken in dem Gewerbe
leben Wiens speciell in einer würdigen Weise auszufüllen. Mehrmals
wurden bereits Anläufe genommen, ein solches, insbesondere für die Hebung
der Kleingewerbe bestimmtes Institut zu gründen. Von Seite des nieder
österreichischen Gewerbevereines und der Handels- und Gewerbekammer
für Niederösterreich wurden bereits mehrmals nach dieser Richtung hin
fl