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III.
Die künstlerische Wandlung, welche das Möbel im Laufe des sech
zehnten Jahrhunderts in der Kunstepoche der Renaissance erfuhr, war
eine sehr durchgreifende. Sie zeigt sich einmal darin, dass der Gegen
stand eine reichere Gliederung, ein bewegteres Profil erhält und dass die
Glieder weiter vorspringen oder tiefer zurückweichen, wodurch eine kräf
tige Wirkung von Licht und Schatten entsteht, welche das gothische Mö
bel nicht besass. Insbesondere treten die vielfach gegliederten Gesimse
wie an Palastfacaden heraus, Karyatiden, Säulen und Pfeiler fügen sich
an und bilden zuweilen, doch schon missbräuchlicher Weise, eine volle
Architektur. Zum anderen loset sich das Relief-Ornament aus seinem ge
bundenen Zustand, in welchem dasselbe von der Gothik gehalten war,
und verbreitet mitunter ein reiches und bewegtes Leben über das ganze
Möbelstück. Dagegen fällt das reiche und feine Eisenwerk von Schloss,
Bändern, Beschlägen und Handgriffen, welche offen daliegend das gothische
Möbel auszeichneten, in den meisten Fällen und namentlich bei den fei
neren Arbeiten hinweg oder es wird in veränderter Gestalt im Inneren
angewendet. Alsbald tritt aber zu diesem plastisch verzierten Mobiliar
ein malerisch verziertes hinzu, das sich zwar in derselben Structur hält,
aber seine Glieder und Füllungen mit verschiedenfarbigem Holze schmückt.
Für beide Arten so wie für ihre mannigfachen Abarten, die sich nach
Zeit und Ländern scheiden, bietet unsere Ausstellung zahlreiche und
charakteristische Beispiele.
Als eine Besonderheit, die aus dem geschilderten Rahmen des Re
naissance-Mobiliars herausfällt, gedenken wir zunächst zweier sehr ähn
licher Kästen spanischer Herkunft, der eine (Nr. 3o) Eigenthum des Gra
fen Ernst Hoyos, der andere (Nr. 102) des Herrn Fr. von Rosenberg.
Beide sind einfach in ihrer Construction, die obere Hälfte mit einer Klappe
geschlossen, die sich herablässt und auf Schieber legt, so dass sie wohl
als Secretäre oder Schreibkästen gedient haben. Sie gehören dem sech
zehnten Jahrhundert an, sind aber ganz im Gegensatz zu allen gleich
zeitigen Möbeln glatt und flach, ohne alle Profilirung. Was sie aus
zeichnet, ist ein reicher und origineller, ehemals ganz vergoldeter Eisen
beschlag, der die Klappe bindet, und ein zierliches geometrisches Arabes
kenornament, das sich besonders über die zahlreichen Lädchen im Innern
verbreitet. Wir erkennen an diesen Eigenthümlichkeiten, dass wir es mit
einer maurischen Reminiscenz zu thun haben.
Die gleiche Reminiscenz rufen uns zwei andere Kästen aus dem Be
sitz des Herrn von Rosenberg wach (io3, 104), welche ganz mit Cor-
duanleder überzogen sind. Auch sie sind spanischen Ursprungs, aber min
destens um ein halbes Jahrhundert jünger als die eben erwähnten Schreib
kästen. Bei dem Mangel aller Gliederung besteht ihre Verzierung, ganz
dem Material entsprechend, in eingepressten Goldarabesken und dazwischen