6 Franz Anlßn Coufal, Porlräl eines Wissenschufllers
1964. Bronze. Unikal, H. 60 cm
tische Bedeutung) zusammengehalten. Bei dieser
Plastik sehen wir es besonders deutlich: in Coufals
neuen Arbeiten wird ein stark graphiuh akzen-
tuierter Weg in die Dreidimensionalitöt einge-
schlagen. Die Linie ist es, die in den Raum vor-
stoßt. Freilich kommt auch noch der starke Reiz
der Oberfläche des Gusses. den Coufal sehr unter-
schiedlich behandelt, dazu. Von besonders sorg-
fältiger Durchführung und daher auch bezeich-
nend, will sie uns bei dem "Configurativen Turm"
oder bei „Mädchen mit Blume" scheinen. Schon
die unruhigen Oberflächen der Grundplatten
spielen in dem ganzen Aufbau bewußt mit. dieses
Gekröusel und Gebrodel zu Füßen der Figuren.
Ebenso sind die verschiedenen Abschleifungen des
Aufbaues Kompositionselemente. Das ganze ruinöse
Gebilde beim Beispiel „Conflgurativer Turm"
mit seinen angebauten Treppen. vergilterten
Fenstern und der wie zur lranie oder aus Ver-
zweiflung gehißten Fahne, wirkt wie ein Symbol
fruchtloser menschlicher Bemühungen. Eine be-
sonders durch die Veröstelung und Verselbstündli-
chung der Linien wirkende Plastik ist die mit dem
Titel "Figuren im gekreuzten Raum". Hier spürt
man besonders deutlich die unmeßbare Tektonik.
der der Künstler mit all diesen Arbeiten nachgeht,
die sich aber trotzdem in einer gewissen Ordnung
vollzieht. Den weilausladenden Gebilden mehrerer
Figuren mit ihren Lappen und Armen ist auf dem
kurzen Ast des Kreuzes eine einzige zusammen-
geballte Gestalt entgegengesetzt. die aber kraft
ihrer Dichte die "Zerstreuten", am längeren
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Hebelarm des Kreuzbalkens Sitzenden. hochhebt.
Hier wird ebenso wie bei "Kontemplative Figur"
oder bei "Gawan vor Bearoche" die graphische
Struktur sehr deutlich. und wir werden daran er-
innert. daß Coufal ein sehr umfangreiches und
interessantes graphisches Guvre aufzuweisen hat.
daß er reizvolle Lithographien in den verschie-
densten Variationen mit den feinsten Nuancierungen
durchführt, und daß er von diesen Arbeiten einen
Ausgangspunkt zu dem räumlichen Aushalen seiner
jetzigen Plastiken gefunden hat.
Aber auch dort, wo die Plastik nicht zur Raum-
graphik wird, sondern eine verhältnismäßig ge-
schlossene Masse bildet. sind die linearen Elemente
vorherrschend, „Das Porträt eines Wissenschaft-
lers" ist so ein Beispiel. Das energisch verstoßende
Kinn, die schwungvollen Kinnbacken. die hohe
Stirne, alles ist ausdrucksstark. Bei dieser Plastik
wird besonders das Einschließen, das Umfassen
gewisser Räume deutlich, eine Erscheinung, die
wir sicher zur Thematik in Beziehung setzen
müssen, Auch hier spielt die Oberfläche mit ihrer
ungemein bewegten Struktur eine entscheidende
Rolle.
Der Bildhauer, der in den letzten Jahren sehr ver-
schiedenartig gearbeitet hat (auch gegenständlich).
der verschiedene Metalltreibarbeiten schuf. der eine
ganze Reihe Radierungen über religiöse Themen
machte und vor kurzem eine neue Galerie er-
öffnete, scheint uns noch mit manch Neuem über-
raschen zu können.
Als der 1927 in Kitzbühel in TlFOi geborene Maler
und Graphiker Ernst lnsam im Mai des Vorjahres
ersimuls mii einer größeren Kollektive neuer
Ölbilder in der Wiener Secession im Rahmen der
„Aciion Tusch" an die Öffentlichkeit tral, fand
das Debüt des in Wien lebenden Künstlers nicht
nur von sehen der Kritik Beachiung und posiiive
Resonanz. Biszu diesem Zeitpunki kannte man zwar
den in gleicher Weise wandlungsfühigen wie ori-
ginären Werbegraphiker. von der Exis1enz des
freien Malers wußten jedoch nur wenige. Die
fünfundvierzig Arbeiien umfassende Auss1ellung
lnsams in der Secession war daher selbst für den
profunden Kenner der österreichischen Gegen-
wartskunst eine lohnende Entdeckung, in die man
Hoffnungen setzen konnte; Hoffnungen. die sich
- wie die inzwischen entstandene „Praduktion"
beweist - in immer wesentlicherem Maße er-
füllten und vermutlich auch in Zukunft weiterhin
erfüllen werden.
Die permanente Frage nach dem Wie und Warum
von Malerei erfährt durch lnsams vitale Bilder,
die so gar nicht in den Rahmen dessen passen,
was hierorts en vogue ist, echte Möglichkeiten
von Deutung und Bedeutung. „Kunst besteht nie
in Regeln, sondern immer in Ausnahmen vom
Standpunkt des Erfahrungsmüßigen." Dieser Satz
von Willi Baumeister findet sich durch die einer
sehr intensiven Farbigkeit verpflichteten Bilder
von Ernst lnsam einmal mehr bestätigt, ohne des-
wegen bestreiten zu wollen, dat] sie sich in gewissen
Äußerlichkeiten wie im Grundsützlichen mit man-
chem von dem decken. was ein Asger Jorn,
Willem de Kooning oder Karel Appel zur Malerei
des 20. Jahrhunderts wesentlich beitrugen. Doch
gerade in dieser wichtigen Übereinstimmung, die
sich in elementarer Parallelität und nicht in miße
verstandenem Epigonentum zeigt. können Wert
und Zukunftsaspekte der in voller Entwicklung
begriffenen Malerei von lnsam gesehen werden.
Mehr als für andere bedeutet Malerei für diesen
Künstler autonomes Farbgeschehen. bestimmte
gestisch-formale Artikulation, überprüfbare Mate-
rialanhöufung auf neutraler Flache. primär aus-
gelöst und ermöglicht im Dialog des Malers mit
dem entstehenden Werk. In der Konzentration
auf das Wie - die geschaffene neue Wirklich-
1 Ernsä lnsum wm Atelier
Z Ernsi lnsurn, Skizze. 1968 Olkreldc. 44x67. cm
3 Ems! Insarn. Landschaft 1967. Aquarell, 62x44 cm