teils gewahr werden, den der Farbendruck bietet: Künstler in ver
hältnismäßig guten Nachbildungen studieren zu können, die sonst
nicht vertreten sind. Was vermag er aber erst demjenigen zu geben,
der draußen auf dem Lande wohnt, der nur selten Gelegenheit
hat, die großen Galerien zu besuchen, der manches Bild vielleicht
nur einmal in seinem Leben auf einer Reise gesehen hat und dem
die Reproduktion diesen Eindruck immer wieder lebendig in Er
innerung zu rufen vermag?
Was bedeutet uns daher ein Farbenlichtdruck wie der des
Schlachtenbildes von Ucello, dessen einprägsame Farbigkeit und
dessen markante räumliche Komposition wir an Originalen außer
halb Italiens nur in Paris und London studieren können, oder die
Reproduktion des Interieurs von Petrus Christus, das sich für ge
wöhnlich in einer New-Yorker Privatsammlung befindet? Wir be
wundern trotz und neben den Dürerbildern unserer Wiener Galerie
das mit äußerster Färb- und Liniendynamik geladene Bildnis des
Oswalt Krel aus der Münchener Pinakothek. Rembrandts schlichtes
und menschlich tiefes „Wunder zu Emaus“ aus dem Pariser Louvre,
durch die unheimliche Erscheinung des Lichtes hervorgerufen, ist
uns beim vollkommenen Fehlen von Genrebildern dieses Meisters
doppelt wertvoll. Wer könnte sich aus Photos und Schwarzweiß
bildern allein eine Vorstellung von dem in Komposition, Licht und
Pinselstrich gleich aufregenden „Liebesbrief“ Fragonards aus dem
Metropolitan Museum in New York machen? Und wer vermöchte
vollends Grecos düsterglühende Farbvisionen, wie in dem Bilde
des heiligen Hieronymus, zu ahnen? Oder Turners, des klassischen
englischen Aquarellisten, leuchtendes Feuerwerk des Parlaments
brandes, wo dieser Meister außerhalb Englands nur spärlich ver
treten ist? Die beiden Wiedergaben russischer Ikonen sind für
alle, die nie in Rußland waren, vielleicht überhaupt die einzige
Möglichkeit, sich die hohen Leistungen dieser Kunst vorzustellen.
Die Farbendrucke nach neueren Meistern
Bedeutender noch als die Drucke nach klassischen Werken sind
die Reproduktionen nach Künstlern der neueren Zeit, weil wir von
ihren Schöpfungen nur wenig in Wien besitzen. Die Ausstellung
der UNESCO stellt somit eine willkommene Füllung dieser Lücke
dar. Außerdem eignen sich moderne Bilder mit ihren kräftigen und
meist ungebrochenen Farben weit mehr als die klassischen zur
Wiedergabe im Farbendruck.
Welche Bedeutung die UNESCO der modernen Kunst beimißt,
beweist die Tatsache, daß^sie zuerst die Ausstellungsreihe mit Bil
dern ab 1860 herausgebracht hat und erst als zweites die Reihe
mit Werken älterer Meister. Sie hat dadurch nicht nur ein ein
deutiges Bekenntnis für die Kunst von heute abgelegt, sondern
in der Auswahl auch den internationalen Spannkreis dieser Kunst
Umrissen. Wir finden in ihr als markanteste Vertreter neben den
Franzosen Manet und Cezanne den Holländer van Gogh, neben
dem Schweizer Klee und dem Deutschen Marc den Spanier Picasso,
neben dem Amerikaner Marin den Mexikaner Rivera, neben dem
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