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aufbewahrten Stückes bereits mit richtiger Intuition in die Periode der
griechisch-römischen Herrschaft herabrücken zu sollen geglaubt *). Zu einer
umfassenden Würdigung der Textilkunst des classischen Alterthums hat aber
Birch’s Vermuthung ebensowenig Anstoss gegeben, als die Publication der
hellenistischen Textilfunde von der taurischen Halbinsel durch L. Stephani *).
Als nun im Jahre 1882 mehrere Kisten mit Gewandresten aus den Gräbern
von Sakkarah nach Europa kamen, war es von Bedeutung, dass dieselben
sofort einen berufenen Interpreten in dem Orientalisten Prof. Karabacek
fanden, der damals bereits seit längerer Zeit bemüht war, mit Hilfe der
schriftlichen Ueberlieferungen der Araber die Geschichte der Textilkunst im
Mittelalter aufzuhellen. Den von ihm gegebenen Winken war es zunächst
zu verdanken, dass H. Graf seine Aufmerksamkeit der Möglichkeit solcher
Gräberfunde zuwandte, er befürwortete und vermittelte den Ankauf der ganzen
Sammlung, die damals noch als Unicum gelten durfte, durch das Oester-
reichische Museum und unterzog sich auch der ersten wissenschaftlichen
Bearbeitung derselben, die sowohl mit Rücksicht auf die fragmentarische und
vielfach fragwürdige Erhaltung der einzelnen Stücke, als infolge des Mangels
jeglicher Vorarbeiten keine geringe Mühe beanspruchte. Die Früchte dieser
ersten Bearbeitung hat Karabacek in einem beschreibenden Katalog 3 ) und
in einem die Einzel-Resultate zusammenfassenden Vortrag 4 ) niedergelegt.
Die Funde aus Sakkarah sollten nicht lange Unica bleiben. Die materielle
sowie die wissenschaftliche Ausbeute, die aus denselben erzielt wurde, ver-
anlasste andere Händler zu gleichen Unternehmungen, wobei ihnen der einmal
auf dieses Gebiet gelockte und rege gewordene Erwerbsinn der heimischen
Bevölkerung entgegenkam. Da die Eröffnung und Plünderung der Gräber
nicht nach wissenschaftlicher Methode, sondern lediglich unter mercantilen
Gesichtspunkten erfolgte, bleibt über die Herkunft der meisten seither
gehobenen Massenfunde ein schwer aufzuhellendes Dunkel gebreitet. Nur von
einem Leichenfelde, das allerdings von ausserordentlicher Ergiebigkeit gewesen
sein muss, verlautete in ganz bestimmter Weise, dass dasselbe zu Akhmim,
auf der Stätte des alten Panopolis, aufgedeckt wurde. Diesem Leichenfelde
sollen namentlich die zahlreichen von Dr. Bock nach Europa in den Handel
') n, 176.
2 ) Compte rendu de la Commission arch£ologique de St. Petersbourg, 1859, eingehender und mit vier
Tafeln im Jahrgange 1881 (für die Jahre 1878/79).
3 ) Katalog der Th. Grafsehen Funde in Aegypten, Wien, Gerold, 1883.
4 ) Die Th. GraPschen Funde in Aegypten, Wien, Gerold, 1883; beide im Verlage des Oesterreichischen
Museums.