tenköple mit hohen Schläfenpartien ebenso wie über
breitere. mit in den Nacken fließendem Haar, von der
Art des Deckeiputtos an Georg PeteisAugsburger Pokal
von 1630133." Denn daß es eine, eventuell sogar grö-
ßere Werkstatt in Ulm - unter Einbeziehung derSohne
Davids d. J. und Marx Sigmunds? - gab, daran lassen
die künstlerische und schnitztechnische Unterschied-
lichkeit und Vielfalt der Eifenbeinarbeiten heschleri-
scher Stiiprägung kaum einen Zweifel.
Den in München erhaltenen Eifenbeinbildwerken
(Abb. 6 - 9, 11)etwas naher als dem Amsterdamer Zy-
iinder(Abb. 1 , 2) odergarden Kreuzabnahmedarsteiiun-
gen (Abb. 3, 4) mit ihrer Betonung des Kaliigraphischen
im schnittigen Faltenstil scheint mir das Kuppareiiet
des großen Elfenbeinpokals mit wildem Bacchanai und
Raubszenen in den Sammlungen der Konigin von Eng-
land auf Schioß Windsor (Abb. 22)". Die silbervergoi-
dete Fassung ist ungemarkt. Der Pokal. den eine Sta-
tuette des Mars (7) im Typus eines antikischen impera-
tors auf dem von allegorischen Putten geschmückten
Deckel bekront. wurde erst im 19. Jahrhundert erwor-
ben. Die alte Zuschreibung lautet auf Magnus Berg
(1660-1739), den norwegischen Hofkünstler in Ko-
penhagen. Die Ständerfiguren scheinen die Zuschrei-
bung der kleinen hölzernen Bacchantengruppe des
Kunstgewerbemuseums in Charlottenburg" an David
Heschler durch Alfred Schädier zu stützen, deren Aus-
druckscharakter um einiges drastischer zugespitzt ist.
Die Puttenreigen an Deckel und Fuß. vergleichbar de-
nen am Rand der Münchener Schale (Abb. 9), bezeugen
die geplante Verwendung der entsprechenden Mün-
chener Gruppen aus der Heschlerwerkstatt (Abb. ß). -
Die Frage des Zusammenhangs miteinerganzen Reihe
von Pokalen und Humpen z.T. mitAugsburgerSilberfas-
sungen in Berlin, Dresden, Schioß Anholt, Stockholm,
Wien u.a.w.'5. die nicht zuletzt vom Stil der Deckelsta-
tuette ausgeht. soll in Verbindung mit David Heschlers
Schüler Johann Ulrich Hurdter aus Zürich in Teil iilili
dieser Studie behandeltwerden. ebenso das Verhältnis
Heschlers zu Melchior Barthei. Johann Christian Braun
und anderen.
Zu den ausgesprochenen Werkstattarbeiten. die von
der Stiistufe der Münchener Prunkschale (Abb. 9. 9a)
und Zugehörigem ausgehen, gehört meiner Meinung
nach u.a. der 11,5 cm hohe Eltenbeinzyiinder mit dem
trunkenenSilen. Nymphen und Bacchanten im Herzog-
Anton-Ulrich-Museum, Braunschweigfndessen Haupt-
figur letztlich auf die entsprechende Antike" und die
Variationen des Themas bei Rubens und seinem Kreis
zurückgeht, das zu den beliebtesten in der süddeut-
schen Eifenbeinpiastik derJahrzehnte 1630170 gehörte
(Abb. 23). Wie die gesamte Reliefauffassung erschei-
nen auch Figuren- und Gewandstii vereinfachend ins
leicht Dekorative abgewandelt. Mit einem gewissen
horror vacui sind das Rund gefüllt. die Figuren versetzt
gestaffelt ohne allzu große räumlich wirkende Piastizi-
tät.
Das Fehlen kraftvoll bewegter. in sich gedrehter Kör-
perlichkeit im ganzen wie im Detailwird noch deutlicher
am Beispiel eines zweiten in Braunschweig aufbewahr-
ten flachen Zylinders" mit der Darstellung der Diana
inmitten ihres Gefoiges und in einem weiteren Exemplar
im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart
(Abb. 24)". Diese in den Gesichtstypen von dem zwei-
ten Braunschweiger Gefäßkörperrelief abweichende
Darstellung der Diana mit Aktäon wurde bisher eben-
falls - zu Unrecht - mit den Namen lgnaz Eifhafens
(1658 - 1715) bzw. Lepnhard Kerns (1588 - 1662) ver-
bunden.
Gerade bei diesen fast etwas plumpen Figuren, dem
naiv wirkenden Ausdruck der rundlichen Gesichter der
Frauen. dem sich schwer vom Grund lösenden Relief
sowie bei der weich modellierenden Detailbehandiung.
die beispielsweise völlig anders als auf dem Kopenha-
gener Raub der Proserpina (Abb. 6) oder selbst dem
Münchener Götterrelief (Abb. 7) ist, mochte man an die
Mitarbeiter und Schüler David Heschlers. vor allem an
Johann Ulrich Hurdter, denken. Ein Blick auf David
Heschlers Bronzegruppe in Phiiadeiphia verdeutlicht
den Unterschied der Auffassungen (Abb. 5).
Ähnlich wie der von dem Augsburger Andreas Wickert
verhältnismäßig schlicht gefaßte Deckelbecher mit
dem Raub der Lapithinnen durch die Kentauren in den
Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (Abb. 24)" viel-
leicht eine zeitgenössische Variante oder Replik eines
verlorenen Originals des Peter-Kreises in Augsburg
(Deckelputto) oder wahrscheinlicher noch aus dem
Umkreis David Heschlers in Ulm ist. worauf vor allem
der Stil eines abweichenden Bronzeabgusses des
19. Jahrhunderts (Abb. 25a), 1983 im Londoner Kunst-
handel. schließen laßt". scheint mir auch der ungelaß-
te Eltenbeinzylinderim Museo Nazionaie diCapodimon-
te. Neapel". eine Werkstattarbeit - oder Kopie? -
aus dem näheren Umkreis Heschlers zu sein (Abb. 26).
Die Spannkraft und Feinheit der Götterdarsteliungen
derMünchenerSchaie(Abb.9)oderderdortigen Gefäß-
zyiinder (Abb. 7) fehlt. Das Kasseler Stück wurde 1634
auf der Frankfurter Ostermesse erworben.
in Privatbesitz befinden sichvier nur fragmentarisch er-
hattene, 11,5 cm hohe musizierende Frauenfigürchen.
wohl Musen - zwei mit einer Laute (Abb. 27), zwei ehe-
mals mit Streichinstrumenten (Abb. 27a) -, überderen
Lokalisierung nach Augsburg (Kreis des Johann Bern-
hard Strauß) oder Ulm bei dem jetzigen Stand der For-
schung nicht nicht endgültig zu entscheiden ist." Die
Statuetten zeigen meiner Meinung nach eine ziemlich
enge Verwandtschaft mit dem bisher nur durch seine
Holzbildwerke bekannten Stil David Heschlers aus den
1630er bzw. 1640er Jahren (Abb. 11a). so z. B. mit der
ähnlich ausdrucksvoll stehenden undgestikuiierenden,
aber zugleich merkwürdig erstarrt wirkenden Statuette
des iischergentt in Köln (Abb. 10). auch mit dessen
schnitzerischer Behandlung von Haar und Gesicht, vor
allem im gratig-scharffaltigen Gewand, was auch bis zu
einem gewissen Grade für die Augsburger Salome- und
die Ulmer Ecce-Homo-Gruppe gilt (Abb. 11a). Auf der
Münchener Prachtschale (Abb. 9) scheint beispielswei-
se die Lautenspieierin links oben nahe vergleichbar, ob-
gleich die Musenligürchen bei aller reizvollen Frische
die spätere deutlich werdende Stilphase mit weich flie-
ßenden Bewegungsmotiven von Körper- und Gewand-
formen nurahnen lassen. - Diezwei erstmals von Eu-
gen von Philippovich bekannt gemachten Elfenbeinsta-
tuetten eines Apoll mit dem Pythondrachen und eines
Paris im Museum von Malmö", die u.a. in der Propor-
tionierung der gedrungen-kräftigen Körperbiidung und
teilweise im Faltenstil den Musen vergleichbar sind,
scheinen mir nach ihren Physiognomien und etwa der
Art derHaarbildung doch zu einem anderen-Augsbur-
ger? - Werkstattbereicha" zu gehören. ebenso wie
zwei frühere Eifenbeintiguren der Lukrezia und Cleopa-
lra in englischem Privatbesitz?
Ähnliches, nämlich am ehesten eine Entstehung in
Augsburg, gilt zumindest für die u. a. von Schadler und
von Phiiippovichw enuähnten allegorischen Reliefs der
prachtvollen eifenbeinernen Standuhr auf Schioß
Gripsholm, deren Uhrwerk der Augsburger Abraham
Scheuerlin schuf und deren Eckfigürchen der Jahres-
zeiten z. T. Kernsche Prototypen im Stil Ferdinand Mur-
manns und der frühen Strauß-Werkstatt (7) abwandeln.
Diebekrbnende FigurdesApoll mitdem Pythondrachen
variiert den Typus der Statuette in Malmö und ware mit
den Deckeibekrönungen der oben (Anm. 75. 85) ge-
nannten Pokale in Dresden, Berlin u.a.w. zu verglei-
chen. in Schnitzstii und -technik erinnert sie allerdings
auch an die Musenligürchen (Abb. 27, 27a). diesich mei-
nes Erachtens doch auch von dem ebenfalls in Augs-
burg, von Daniel Zech (gest. 1657), montierten Elfen-
beinkastchen auf Schlot! Bosenborg in Kopenhagen"
absetzen. Dessen Reliefs sind eng denen der Stockhol-
mer Uhr verwandt.
Gerade im Hinblick auf die Bestimmung zweier ein-
drucksvoller Eifenbeinreliefs mit Herkules. Antaus und
Gaia bzw. Herkules. Dejanira und Nessus (Abb. 28) in
der William Rockhill Neison Gaiiery of Art in Kansas
City" ist es höchst bedauerlich, daß wir nicht einmal ei-
ne gute Abbildung der verlorenen Kasseler Gruppe von
Herkules und Kakus von 1635 (Abb. 12) besitzen. Die
Reliefs gelten, sicher mit guten Gründen, als flämische
Arbeiten des 17. Jahrhunderts. Kopftypus und Mimik
der Deianira, aber auch einzelne der übrigen Gesichter
erinnern an den vielfältigen Typenkanon David Hesch-
lers und seiner Werkstatt. z.B. auf der Prunkschale
(Abb. 9) und der Proserpina-Gruppe in München. aber
auch an die Bronzegruppe in Phiiadeiphia (Abb. 5). Das
künstlerische Temperament scheint. auch wenn man
die sicherverwendeten. eventuell den Reliefstil mitprä-
genden, aber noch unbekannten Vorlagen in Betracht
zieht. schwer in die Ulmer Werkstatt David Heschlers
einzuordnen zu sein. auch wenn z. B.der Kopenhagener
Humpen (Abb. 6), wohl in erheblichem zeitlichem Ab-
stand, in Ausdruckskraft und Art der Relielproiektion
ähnlich scheint. Vielleichtentstanden die Reliefs, deren
schnitzerische Handschrift an den kompakt-schweren
Haarlocken, dem Faltenwerk und an allen Details von
Boden und Hintergrund gegen eine hypothetische Zu-
weisung spricht, im Einflußbereich der ulmischen Elfen-
beinkunst der Jahrzehnte 1630150. parallel zu den er-
sten nachitalienischen Bildwerken des in Wien tatigen
Franken Adam Lenckhardt (gest. 1661).
Wenn man in Sandrarts Zeilen (1 675) über David Hesch-
ler liest i. .. in der Biidhauereykunst sehr hoch gestie-
gen. absonderlich aber in Helfenbein viele garsaubere
künstliche und schone Werke verfärtiget. die bey den
Liebhabern sehrin Ehren gehalten und gesuchtworden.
.1?" und zudem u.a. im Katalog der Straßburger
Sammlung Elias Brackenholers von 16725" von einem
tiKindiein auf einem Totenkopf sitzendtr (Deckelbekrü-
nung?) und Totenköpfen. die Heschler gemacht hat,
hört.wirdangesichlsderspäriicherhaitenen.ganzgesi-
chertenWerkedeutlich,wiewenigwirnochimmerüber
diesen Ulmer Werkstattkreis wissen.
Anmerkungen 76 - 91 (Anm. 72 - 75 s. S. 33)
7' C. Scherer, Die Braunschweiger Eilanbeinsarnmlung Katalog, Leiplig
1931, S. 1221., Kat. Nr. 380, Taf. 59. - C. Theuerkauff. Der r-Heiflen-
beinarbeitertt lgnaz Eihalen. in WienerJahrbuch für Kunstgeschichte
XXI. 1968. S. 147 1.. Kal. Nr. 123.
7' U. a. J. S. Held, Rubens and his Ctrcie,Princeton19B2. S. 1041., Anm.
39. Abb. Vlll, 17 l , vergl Vlll. 13. -C Z. von Manteullei, Die Berliner
Euchsbaumgruppe des Trunkenen Slien. in' Pantheon 23, 1965.
S. 232 11., besonders Abb. 15
rI Scherer. Katalog. 19:11,8. l22,Kat. Nr.379,Tal.59. -Theuerkauff. Ei-
halen, 196a. s. 147. Kat Nr. t2t.
rI lnv. Nr. KK blau. braun es. -Vergl. hier die lh Anm. regenannte Litera-
tur.
II lnv. Nr. B. 11,63. _H.5ellng. Die Kunst derAugsburgerGoldschmiede
1529- 1868, München 1980, ll. Abb. 419. 7 Nach freundlicher Mitlei-
lung von E. Scnmldberger. S. Schade. Kassel. 16341111 100 Dukaten in
FranklurllM. erworben. - E. Link, Die landgrälllche Kunstkammer,
Kassel o. J., Tat. 14.
" Auktionskatalog Christie's. London, 13.April 1953, 8.56, Nr. 177, Abb,
o4
wo auch der Name Heschlers genannt und auf weitere itüeckelgrup
pen- hingewiesen ist, die augsburgisch oder filmisch sein kbnnten. -
Ein Hurrlenzylirlder in Bronze. ohne DQOKGI. 1975 bei Cyril Humphrts.
London. Ein weiterer mit Deckelgruppe und vergoldet nach freundli-
chern Hinweis von Gordon Balderston. London. in Welbeck Abbey. f
Sicherlich ulmtsch, den Werken David Heschlers d. Ä., z. B. der Allego-
rie in London (Schedier. Petel, Abb. 204 ll.) und der Schwerlner Ellen-
gruppe nahe verwandt und unter Umständen auch als Modell für eine
Bekrbnung Zu verstehen, istdleßjcm hohe Buchsbaurnrldlzgruppe mit
denAiiegorienvon FurorundAvarlliaÜywohi nach Cesare Flipa, im Vic-
torla and Albert Museum, London, inv. Nr. A. 22-1934. Vergl. London
News, 13 Oktober l934, Abb. Der LT summarische Crtaraklerl. B. an
den Haarparlien offensichtlich.
II Neg. Nr lee A. 159 A, 193 A, Labbratcrib Fbtegraricc delta Soprirtlen-
derlza alle Gailerle di Napoll.
II ich dankeA. Manz, Basel, herzlichtürslete Hiifsbereltschafturtddle Fo-
tds. 7 Das hier unter Abb. 27 abgebildete Flgürchen halle wohl ehe-
rnals eine Baßgarnbe vor sich.
u E. von Fhlilppdvißh. Elfenbein, 19821, Abb. 195, S. 231 .- Dieangedeu-
tete Verbindung zu Joachim Hennen bezieht sich z. B. auf die Art der
Haarbehandlung (7). - H. 13,5 cm. auf Ebenholzsbckein. Zur Herkunft
nach freundlicher Mitteilung von Kustbs Hans Edestand, Maimo Mu-
seum. nichts bekannt.
" Vergl u. a.G18ÜECKEHIQUIGGSÄUQSDIHQGYI?)POlQliSNOnJDhartrl Hein-
rich Mannilch gefallt, im Grünen Gewölbe. Dresden (J l. Sponsel,
E. Haenel, Das Grüne Gewbibe . . ., lV, 1932, S. 58, Tal 14). - Vergl.
Teil ll.
" Im Besitz von Sir Richard Sytus, Siedmore, Drilfteld. Humberside. F010
in der Conway-Library des Courtauld Instituts, London.
" Schädler,Pelel.19'13,S.154.- E. von PnilippovicinEilenbeln,19821,
S 31LAIJILEOÄL-Auslurtriich C Tneuerkaull, Studien zur Elfenbein-
plaslikdes Barock, Matthias Rauchrntiier und lgnaz Eihalen. Diss. phil.
FreiburgIBr l962(1964).S.369f..Kal. Nr. 132.Abl3. 13211. - Derselbe
in: Wiener Jahrbuch. Elhalen, 196a. S. 150. Kat. Nr. 132
II vdnPhtltppbvtch. Elfenbein. 1982'.Abb aber -Scnadier.Pelei,1973,
s lS-t-Theuerkaull,DobbermannJ-iennen.1979,62 24,Anrh. 112.
II inv. Nr 59 - 7511 , 2;Gescherik Mr. anal Mrs.Jack Linsky vielleicht aus
Birwr der großen Rolhschiidscheh Sammlungen in wtan bzw. Frank-
furt a. M. - 5 31a x 4114 bzw. 5 112 x 4 11a lnches.
"' Teutsche Academle, Ausgabe A. F1 Peitzer, München 1925. S. 238.
" U. a. Schadier, Heschler. 1965, Anm. 45 - Ruft, Baden-Durlach
(5 Anm. 62). l917. S. 9G, 92, Anm. 7.